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Ausgabe:

Juni/2000

Spalte:

643 f

Kategorie:

Autor/Hrsg.:

Langhoff, Johannes

Titel/Untertitel:

Brückenbau und Gemeinschaft. Die Geschichte des Nordisch-Deutschen Kirchenkonvents 1949 -1999.

Verlag:

Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 1999. 118 S., 8 Taf. 8. Kart. DM 29,80. ISBN 3-374-01756-8.

Rezensent:

Jörn Halbe

Befreiende Praxis, nach Michel Foucault, bedarf der "Selbstsorge": Der Bereitschaft zu Selbstreflexion, Verzicht und Perspektivenwechsel - und der Einsicht in das eigene Angewiesensein auf das seinerseits, ihrerseits eigene Gegenüber des und der anderen. Der Nordisch-Deutsche Kirchenkonvent ist der erstaunliche Fall einer Institution innerprotestantischer Ökumene, die in genau diesem Sinn und um genau diesen Preis Wege befreiender Praxis gesucht hat und zu gehen bereit war - durch Nachkriegselend, Kalten Krieg und Nachwendejahre hindurch von der Gewissheit bestimmt: "Verkündigung des Evangeliums läßt sich nicht trennen von seinen politischen Implikationen. Der Ruf zur Versöhnung ... verlangt auch Handlungen auf das Ziel des Friedenstiftens hin." (Kurt Scharf: 9 f.) Johannes Langhoff macht davon kein Aufhebens, weder dem Ton noch dem Umfang seiner Darstellung nach. Selbst ein Mann der ersten Stunde, wird er gerade darin seinem Gegenstand gerecht.

Die Arbeit des Konvents und seiner Konferenzen war und ist eine der Mediation, nicht des Medienechos; der Kunst des Möglichen - unauffällig darin, aber widerständig und mit klaren Grenzen feindlicher wie freundlicher Inanspruchnahme gegenüber. Dies in aller bescheidenen Kürze deutlich zu dokumentieren, gerade auch, wo es im Kalten Krieg um Millimeterarbeit ging, ist ein besonderer Vorzug des Buches und von besonderem Wert im Streit um die Rolle der Kirchen in und zu Zeiten der DDR. - Die Darstellung lässt sich drei Kreisen zuordnen: I. Entstehung und Geschichte des Konvents seit 1949 und nach dem Umbruch von 1989 (Kapitel 1-4); II. Die Unabhängigkeit des Konvents im Verhältnis zu Kirchen (Kapitel 5) und Staat (Kapitel 6-8); III. Würdigung, Personen und Persönliches (Kapitel 9-11).

Im ersten Kreis haben die Daten, im dritten hat Anschauung das Wort, und auch dies Gegenüber von ,Chronik' und ,erlebter Geschichte' ist wie vom Gegenstand selber nahegelegt: Der Konvent hat seine Organisation (15 f.43 ff.), aber er ist so recht keine, sondern er lebt in und von dem Vertrauensverhältnis der beteiligten Personen, das seinen Grund und seine Lebensform im Lesen der Bibel, im gemeinsamen Gebet und in der "Selbstsorge" der so Verbundenen hat. Anders wohl wäre die Praxis der Freiheit, die den Konvent hat entstehen lassen und die dann seine schwierige Aufgabe war (der zweite Kreis), weder erschwinglich noch durchhaltbar gewesen. Sie nach 1989 weiter und neu zu bewähren, ist die hier lesbar gemachte Geschichte des Konvents Auftrag und Ermutigung zugleich.