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Ausgabe:

Juni/2000

Spalte:

625 f

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Glonner, Georg

Titel/Untertitel:

Zur Bildersprache des Johannes von Patmos. Untersuchung der Johannesapokalypse anhand einer um Elemente der Bildinterpretation erweiterten historisch-kritischen Methode.

Verlag:

Münster: Aschendorff 1999. X, 300 S. gr.8 = Neutestamentliche Abhandlungen, NF 34. Lw. DM 88,-. ISBN 3-402-04782-9.

Rezensent:

Traugott Holtz

Das Buch scheint eher zur Gattung der Schriften zu gehören, die sich durch zeitgeistige Strömungen, die von der Jahrtausendwende befördert werden, haben anregen lassen, sich mit der Apokalyptik und besonders der JohApk zu beschäftigen, als zu der Gattung wissenschaftlicher Dissertationen und neutestamentlicher Abhandlungen, der zuzugehören es freilich beansprucht. Schon der Titel signalisiert Unschärfe. Nach dem Haupttitel sind (nicht stringent definierte) Ausführungen "zur Bildersprache" des Verfassers der Apk zu erwartem. Der Untertitel verspricht eine (komplette?) "Untersuchung der Johannesapokalypse", die sich an einer - erweiterten - historisch-kritischen Methode orientiert.

Der Vf. setzt ein mit "einleitenden Vorüberlegungen", die im Wesentlichen einen flächigen Überblick bieten über Probleme der jüdischen Apokalyptik, der "Apokalyptik in der Apokalypse", sowie der Bildhermeneutik (letzteres insgesamt 12 Seiten!). Die Ausführungen sind offensichtlich so gut wie vollständig von Sekundärliteratur abhängig, deren Auswahl zu erheblichen Fragen Anlass gibt (so spielt z. B. R. Halver, Der Mythos im letzten Buch der Bibel, 1964, eine gewichtige Rolle). Mit Blick auf die jüdische Apokalyptik vertraut er sich geradezu blind zu nennen der - freilich kompetenten - Führung von K. Müller (SBAB 11, 1991) an, doch bleibt gerade da der fehlende eigene Umgang mit den Quellen selbst spürbar; er wird gelegentlich durch kühne Vermutungen überraschend ergänzt. So beurteilt G. S. 21 mit Anm. 68 den Text aethHen 12-16 im Anschluss an Müller und lässt sich durch diesen zur "Tiervision" (aethHen 85 ff.) führen; die dort dargestellte Spaltung am Anfang der Menschheit in Gestalt der schwarzen (Kainiten) und weißen (Sethiten) Bullen veranlasst ihn zu der Überlegung: "Womöglich ist hier eine der Wurzeln für die unselige Minderbewertung der farbigen Menschen zu suchen"; der rote Bulle (aethHen 85, 3 f.6, er vertritt Abel) ist ihm offenbar (leider oder auch glücklicherweise) entgangen, Müller weist auf ihn freilich auf Grund seines Zusammenhangs auch nicht hin.

Selbst elementare Sekundärliteratur wird von G. nur über Anführungen bei Dritten zur Kenntnis genommen, so S. 45 Anm. 141 die Einleitung in das NT von W. G. Kümmel über D. Dormeyer/L. Hauser, Weltuntergang und Gottesherrschaft, 1990 (übrigens kann ich den behaupteten Gedanken bei Kümmel nicht finden). Gelegentlich liest G. freilich auch hinter den Zeilen der Autoren, so wenn er S. 39 f. J. Frey unterstellt, er "wagt keinen offenen Widerspruch gegen seinen Lehrer" (M. Hengel, in WUNT 67, 1993). Das Literaturverzeich- nis, ist fundamental mangelhaft; unter "Primärliteratur" findet sich z. B. Kautsch (sic) und Riessler, aber nicht JSHRZ (dafür einige Einzelausgaben daraus unter "Kommentare"); unter "Lexika, Konkordanzen, Wörterbücher" zwar Passow, aber nicht Liddell-Scott und Bauer-Aland, zwar ThWNT, nicht aber EWNT; unter den Kommentaren fehlen die englischen (z. B. Charles; Ford) und französischen (z. B. Prigent) usw. Schlampig ist der Umgang mit Namen und Orten, aus Wiefel wird Weifel, aus Mollat wird Mallat (jeweils auch im Textteil); ein Buch aus dem Echter-Verlag wird in Augsburg lokalisiert, weil es dort nach dem Impressum hergestellt wurde (34, Anm. 108). Dafür steht für "Gott" häufig das hebr. Tetragramm; ein Höhepunkt ist die Nennung des Verfassers der Apk S. 3 mit: IÓÓÂ (sic) ï ÚÔÊÙË.

Solche Mängel, die das ganze Buch durchziehen, werden nun aber nicht durch neue und weiterführende exegetische und theologische Erkenntnisse irgendwie aufgefangen. Die Auswahl der genauer bearbeiteten Texte (Apk 18,9-24; 13,1-18; 4,1-11; 10,1-11) wirkt wie zufällig, ihre Behandlung erschließt keine neue Dimension ihres Verständnisses. Verblüffend ist vielmehr die Folgerung, die G. u. a. aus seiner Untersuchung zieht, dass man nämlich "frei (sei), Bilder über die eigene Erfahrung mit Gott zu entwerfen, ohne unter dem Diktat vorgegebener Bilder zu stehen", S. 255; dabei hatte er gerade gezeigt, dass die Texte der Apk in einer ganz engen Beziehung zu gezielt gewählten Texten des AT stehen.

Die das Buch abschließenden Bemerkungen zur Wirkungsgeschichte der Bilderwelt der Apk müssen kümmerlich genannt werden; nicht einmal G. Kretschmars Arbeit zur Auslegungsgeschichte der Apk (1985) ist - in München (!) - zur Kenntnis genommen. - Mir ist das Buch in Anbetracht der Angaben über seine Geschichte im Vorwort rätselhaft geblieben.