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Ausgabe:

Juni/2000

Spalte:

605–607

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Corrêa Lima, Maria de Lourdes

Titel/Untertitel:

Salvação entre juízo, conversão e graça. A perspectiva escatológica de Os 14,2-9 [= Heil zwischen Gericht, Bekehrung und Gnade. Die eschato-logische Perspektive von Hos 14,2-9].

Verlag:

Rom: Gregorian University Press 1998. 356 S. gr. 8 = Tesi Gregoriana, Teologia 35. Kart. Lit 35000. ISBN 88-7652-780-X.

Rezensent:

Eberhard Bons

Diese dem letzten Abschnitt des Hoseabuches, Hos 14,2-9, gewidmete Dissertation entstand unter der Leitung von Horacio Simian-Yofre und Bruna Costacurta und wurde 1997 am Bibelinstitut in Rom eingereicht. Sie stellt die wohl umfangreichste und gründlichste Analyse des Textes dar, der im Vergleich zu anderen Teilen des Hoseabuches, besonders Hos 1-3, bei den Exegeten eher wenig Aufmerksamkeit fand. Abgesehen von der amerikanischen Dissertation von B. Oestreich (Metaphors and Similes for Yahweh in Hosea 14:2-9 [1-8]. Frankfurt: P. Lang 1998), die die brasilianische Vfn. anscheinend noch nicht berücksichtigen konnte, ist Hos 14,2-9 bisher nicht Gegenstand einer Monographie.

Während Oestreichs Interesse den Metaphern und Vergleichen des Abschnitts gilt, die er auf dem Hintergrund des Hoseabuches sowie des übrigen Alten Testamentes zu erklären sucht, beschäftigt Corrêa Lima sich mit einer wesentlich komplexeren Frage: Können die Aussagen des Textes, der im Gegensatz zur großen Anzahl hoseanischer Unheilsprophetien in einer sehr farbigen Sprache zukünftiges Heil verheißt, als eschatologisch verstanden, d. h. mit einem Prädikat versehen werden, das bisherige Ausleger eher sparsam verwendet haben (vgl. J. Jeremias, Hosea, Göttingen 1983, 172)? Die Antwort auf diese Frage erfolgt in einer dreigeteilten Argumentation (11): Es bedarf 1. einer Definition der Inhalte prophetischer Verkündigung, die man als "eschatologisch" bezeichnen kann (Kap. I), 2. einer detaillierten Analyse von Hos 14,2-9 (Kap. II-IV), 3. einer Entscheidung darüber, ob der Text den zuvor aufgestellten Kriterien eschatologischer Prophetie entspricht (Kap. V). Ein ausführliches Resümee sowie Tabellen, Bibliographie und vier Indizes (Autoren, hebräische Begriffe, Bibelstellen, Sachregister) schließen die Untersuchung ab.

Im Anschluss an Autoren wie Lindblom definiert C. L. in Kap. I den Begriff "Eschatologie" nicht im engen Sinne als Ankunft eines neuen Äons, sondern versteht darunter eine zukünftige, definitive Offenbarung Gottes in der Geschichte, die mit seinem Gericht einhergeht und eine qualititativ neue Situation herbeiführt, die in Diskontinuität zur vorausgehenden Unheilsgeschichte steht (52 f.61-63). Die nächsten Kapitel bieten eine eingehende Untersuchung der Sprache und des Aufbaus von Hos 14,2-9 (Kap. II), widmen sich den angeblichen Phasen der Entstehung des Textes (Kap. III) und enden mit einer sorgfältigen semantischen Analyse (Kap. IV). Was Kap. II angeht, ist besonders auf folgende Ergebnisse hinzuweisen: Hos 14,2-9 besteht aus drei Abschnitten (78): V. 2-4 enthalten den Aufruf zur Umkehr, V. 5-8 eine Rede Gottes, in der er dem Volk die Heilung seiner Untreue verspricht sowie ein Wohlergehen, das mit Bildern aus der Pflanzenwelt beschreibt; V. 9 kann schließlich als Synthese von V. 2-8 angesehen werden. Eine wichtige Frage betrifft die Logik des Abschnitts. Zwar bestreitet C. L. nicht, dass erst die in V. 5 erwähnte freie Initiative Gottes die Umkehr Israels ermöglicht (90), doch hängt für sie die Erfüllung der Versprechen von V. 6-8 von der Mitwirkung des Volkes ab, d. h. seine Bitte, den Bund zu erneuern (so die für kliytwb in V. 3 vorgeschlagene Übersetzung, vgl. 68 f.), sowie die stattgefundene Umkehr sind die Vorbedingung dafür, dass Gott seine begonnene Initiative fortsetzt (108).

Wiewohl Hos 14,2-9 sich als kohärenter Text lesen lässt, ist er, so die Argumentation von Kap. III, zu heterogen, um als ursprünglich einheitlich gelten zu können. Vielmehr sei - im Sinne einer Textentstehung nach dem Modell der Fortschreibung - zunächst V. 2-4 um V. 5 erweitert worden, später um V. 6-8.9 (116 f.). Weiterhin weisen diese Textelemente trotz mancher terminologischer Gemeinsamkeiten so viele Unterschiede zum übrigen Hoseabuch auf (Hapaxlegomena!), daß C. L. sie nicht der Verkündigung Hoseas zuschreibt, sondern mehreren judäischen Bearbeitungen aus der Zeit etwa zwischen 700 und 620 v. Chr., was sich für sie aus dem Vergleich mit anderen Texten ergibt (128-147). Diese Ergebnisse werden in Kap. IV vorausgesetzt: Wenn schon Hos 14,2-9 aus der Zeit nach 722 datiert, dann kann seine Rede vom Straucheln Israels (V. 2) nur als Hinweis auf den Untergang des Nordreichs, auf Exil und Diaspora (128.175) verstanden werden. Diese Ereignisse sind Folge des göttlichen Gerichts, das freilich nicht das letzte Wort Gottes über Israel bedeutet. Im Gegenteil, die Liebe Gottes zu Israel kennt eine Kontinuität jenseits des Gerichts. Sie besteht darin, dass er das bestrafte Volk nicht für immer aufgibt, sondern ihm neues Heil anbietet, nachdem es seine Schuld gesühnt (151 f.) und Versöhnung erlangt hat (181). Wenn es also zu einer authentischen Umkehr bereit ist (203 f.), macht Gott die Strafen rückgängig, lässt Israel aus dem Exil zurückkehren (swb V. 8, vgl. 220) und eröffnet ihm so eine neue, hoffnungsvolle Zukunft.

Damit ist die Thematik von Kap. V erreicht: Die neue Zukunft ist durch eine Zäsur zur Vergangenheit gekennzeichnet. Der gebrochene Bund wird erneuert (249) und ist nicht mehr gefährdet (261), ja Israel findet auf historisch-politischer wie auch auf spiritueller Ebene zu einer neuen Lebensweise, die sich von der alten, sündhaften diametral unterscheidet (262). Dieser Zustand kann als eschatologisch bezeichnet werden, insofern er eine fundamentale Erneuerung ("restauração", 271) Israels bedeutet, die alles Vergangene weit übertrifft, ohne damit die Geschichte zu verlassen und einen neuen Äon herbeizuführen (271). Die Umkehr, zu der Hos 14,2 aufruft, kann darum schon als eschatologisch angesehen werden (283). Damit ist die Ausgangsfrage (s. o.) für C. L. positiv beantwortet.

Die Monographie besticht nicht nur durch eine große Sachkenntnis der weitverzweigten Sekundärliteratur, die die Autorin zu nutzen weiß, sondern auch durch die Gründlichkeit der Textanalysen (etwa die Untersuchung des Gebrauchs von swb 182-206), in denen sie immer wieder auf andere Texte des Hoseabuches zurückgreift. Wer sich mit diesem Buch wissenschaftlich beschäftigt, wird gewiss manchen zutreffenden Hinweis in ihrem Werk finden. Dennoch bleiben Bedenken gegenüber ihrer Auslegung bestehen. Nur drei Probleme seien genannt: 1. C. L. entnimmt dem Text eine Abfolge von Ereignissen, die, um nur die wichtigsten Elemente des Prozesses zu nennen, nach dem Schema Gericht - Aufruf zur Umkehr - Versprechen des Volkes - Vergebung - Erfüllung der in V. 6-8 erwähnten Zusagen verläuft. Diese Vorstellung ist allerdings nicht frei von Tendenzen zur Überinterpretation. Ist der Hoseatext nicht wesentlich offener, insofern als er zur Umkehr einlädt, die entsprechenden Worte Israel in den Mund legt, aber nicht berichtet, ob Israel diese Worte tatsächlich formuliert (vgl. 89)? 2. Die theologischen Kategorien "Sühne" (expiação, 152 u. ö.) und "Versöhnung" (reconciliacão, 243) werden in einer Weise verwendet, die dem Sprachgebrauch des Hoseabuches weniger entspricht. 3. Selbst wenn Hos 14,2-9 sekundär sein sollte (eine Frage, die aber m. E. nicht allein nach den Kriterien des verwendeten Vokabulars und der Parallelen mit späteren Texten entschieden werden darf), wäre es sinnvoll zu untersuchen, in welchem Verhältnis seine Aussagen zu denen von Hos 3,1-5; 11 stehen und inwiefern Hos 14,2-9 diese Formulierungen ergänzt oder modifiziert.