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Ausgabe:

Juni/2000

Spalte:

663–667

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Trappe, Tobias

Titel/Untertitel:

Allmacht und Selbstbeschränkung Gottes. Die Theologie der Liebe im Spannungsfeld von Philosophie und protestantischer Theologie im 19. Jahrhundert.

Verlag:

Zürich: Theologischer Verlag 1997. 94 S. gr.8 = Theologische Studien, 142. ISBN 3-290-17153-1.

Rezensent:

J. Christine Janowski

Abgesehen von neuzeitlicher Religionskritik, die mit dem Allmachtsgedanken den Gottesgedanken überhaupt preisgab bzw. anthropologisch reduzierte, ist seit Ende des 19. Jh.s zunächst philosophisch, dann auch theologisch das klassische christliche und vorgängig schon jüdische Bekenntnis zur Allmacht Gottes in verschiedenen Graden der Radikalität in eine Krise geraten. Das Spektrum dieser Krise, das inzwischen mit einiger Breitenwirksamkeit auch die christlichen Kirchen zumindest westlicher Prägung erfasst hat, reicht philosophisch von den angelsächsischen sog. finitists1 wie J. S. Mill und W. James, dann Prozessdenkern wie A. N. Whitehead und Ch. Hartshorne bis hin z. B. zu H. Jonas’ Vortrag von 1984 "Der Gottesbegriff nach Auschwitz", der die alte lurianische Vorstellung von der schöpferischen Selbstbeschränkung Gottes (Zim-Zum = Kontraktion) radikalisiert. Abgesehen von der Wirkungsmächtigkeit und z. T. sehr einseitigen Rezeption (vgl. sog. Gott-ist-tot-Theologie) des späten D. Bonhoeffer ("Widerstand und Ergebung") wurde theologischerseits die sog. finitistische Linie vor allem außerkontinental, die zweite Linie teils in direktem Anschluss an Lurianisches, teils speziell in modifiziertem Anschluss an H. Jonas gerade innerdeutsch auf unterschiedliche Weise rezipiert (vgl. bes. E. Jüngel, J. Moltmann, G. Schiwy). Und eben diese Krise hat in letzter Zeit international eine kaum noch zu zählende Fülle von Aufsätzen und Büchern unterschiedlicher Art ausgelöst.

Tobias Trappe, Assistent am Lehrstuhl für Philosophisch-theologische Grenzfragen an der Ruhr-Universität Bochum, Schüler von R. Schaeffler und T. Kobusch, lässt sich auf diese Situation in der überzeugung ein, dass das Bekenntnis zum allmächtigen Gott seit Deuterojesaja zu den Errungenschaften des israelitischen bzw. jüdischen Monotheismus und von da aus nicht nur faktisch (vgl. sog. Apostolicum), sondern darüber hinaus "zwangsläufig zu den Fundamenten auch des christlichen Glaubensbekenntnisses" gehört (9). Zugleich bedarf es nach ihm einer christlichen Auslegung zu Gunsten des Verständnisses von Allmacht Gottes als "gemeinschafts- und damit freiheitsbegründender Liebe", wie es auch an der Struktur des sog. Apostolicums "deutlich" ablesbar sein soll, sofern dieses "das ganze Heilsgeschehen der Menschwerdung, des Leidens und Sterbens und schließlich der Auferstehung und Himmelfahrt Christi in den Glauben an den allmächtigen Gott gleichsam zurücklaufen läßt" (9 f.). Damit ist zwar der pneumatologisch-soteriologische und zugleich eschatologische 3. Artikel trotz dessen Insistieren auf der "Gemeinschaft der Heiligen" merkwürdigerweise übersprungen, aber doch in jedem Falle von vornherein einem abstrakten Allmachtsverständnis (vgl. bes. Omnipotenz2 und Allkausalität) abgesagt.

In Zuspitzung des Problems einer notwendigen Verständigung über den Machtbegriff (vgl. schon 3) ist es von da aus das Ziel T.s, seine Grundthese von Allmacht als gemeinschafts- und damit freiheitsbegründender Liebe "mit Hilfe philosophischer Reflexion ein Stück weit aufzuhellen" und dadurch einer ",Rehabilitierung’ des gerade auch im Glaubensleben der Christen in Verruf gekommenen Allmachtsbegriffs" zu dienen (10), mit dem das gesamte Wirklichkeitsverständnis zur Debatte steht, insbesondere das Verständnis Gottes und des Menschen als "Person" (so schon 1). Das "Rahmen"-Ziel ist dabei "nicht zuletzt", von der "Leistungsfähigkeit jener Tradition metaphysischen Denkens Rechenschaft zu geben, die Theo Kobusch 1993 (2. erg. Aufl. Darmstadt 1997) in seiner Arbeit über die Entdeckung der Person wohl erstmals in dieser Breite freigelegt hat" und die T. durch eine größere Untersuchung zum metaphysischen Zentralproblem der Substanz in der Philosophie nach Kant offenbar im Begriff ist weiterzuführen (3).

Dem entspricht der sachliche Schwerpunkt und die Methode dieser dezidiert metaphysischen, ontotheologischen (so 8) oder ontologischen (so a. a. O., Anm. 4 u. ö.) "Vor- und Begleitstudien" (3) zu jenem Zentralproblem:

1. Sie berühren nur kurz sowohl den theodizeehaften Spezialaspekt der Vereinbarkeit der Allmacht Gottes mit der Realität des Bösen, wie er klassisch unter dem Titel der gelegentlich auch als Selbstbeschränkung interpretierten Zulassung Gottes abgehandelt wurde (11), als auch die alte Tradition der Bestreitung der Allmacht Gottes "im strengen Sinne als uneingeschränkte Macht" durch die These von der Bindung Gottes an "bestimmte Grenzen der Notwendigkeit" wie die Gott selbst äußeren Regeln der Logik und der Ethik (12).3 Ohne die neuere, sog. finitistische Linie auch nur zu nennen, konzentrieren sie sich statt dessen auf die in gegenwärtiger Theologie und Philosophie häufige Rede von einer Selbstbeschränkung oder -begrenzung von Gottes Allmacht "durch eine Art Selbstanwendung der Allmacht auf sich selbst" als problematischer Lösung des besonders von und seit J. L. Mackie wieder diskutierten alten Problems, ob Allmacht Gottes überhaupt ein konsistent denkbarer und nicht vielmehr hoffnungslos paradoxer Begriff sei und ob er mit der Voraussetzung eines kreatürlichen Freiheitsspielraums vereinbar sei (13).

2. Zur Auseinandersetzung mit diesem "ontologischen Einwand gegen den Gedanken der Allmacht" als bloß kontingenter (vgl. bes. R. Swinburne) Eigenschaft Gottes (Kap. 1) wird der Ausgangspunkt bei Jonas’ explizit ontologischer und zugleich besonders krasser Argumentation gegen den Allmachtsbegriff genommen (14 f.): Macht ist a) ein Verhältnisbegriff, der Mehrpoligkeit erfordert, b) wesentlich die Fähigkeit, etwas bzw. andere Macht zu überwinden; von daher ist Allmacht als absolute Macht gegenstandslose Macht, Null-Macht oder auch machtlose Macht, die Gott nur vor dem Akt der Schöpfung aus Nichts zukommen kann und auf die er in eben diesem gewissermaßen allmächtigen, weil keine andere Macht voraussetzenden Akt absoluter Souveränität verzichtet hat.4

3. In der dadurch veranlassten Reihe "kategorial-analytischer und in diesem (Hegelschen) Sinne ,kritischer’ überlegungen" geht es mit der Kritik am Begriff der Selbstbeschränkung "oder" Selbstbegrenzung5 Gottes als einem - so die kritische Grundthese (25, vgl. 76) - a) dem Konkurrenzverhältnis, b) dem räumlichen, von da aus äußerlichen und quantitativen Verhältnis und c) dem Substantialitätsverhältnis verhafteten Macht- und Freiheitsverständnis um das Grundproblem einer schlechteren oder besseren "Verbindung zwischen Ontologie und Theologie" (16), das sich in der Allmachtsfrage deutlich zuspitzt (vgl. bes. 54).

4. Zur Durchführung dieses systematischen Projekts wird in den folgenden Kapiteln historisch auf "das einigermaßen überschaubare Stück philosophisch-theologischer Wechselbeziehung im 19. Jahrhundert" (10) speziell in Deutschland rekurriert, in dem der Gedanke der Selbstbeschränkung (menschlicher oder göttlicher Macht und Freiheit) sowohl immer wieder formuliert als auch kritisiert wurde, so dass in der Tat "Traditionszusammenhänge aufleuchten", die im Zusammenhang der Thematisierung des Problems von Allmacht- und Selbstbeschränkung Gottes "bisher noch kaum oder gar nicht beachtet wurden" (16).

5. Zu diesen Zusammenhängen gehört "in einer besonders prägnanten Weise" (16) und zugleich fundamental die "christologische Variante der Selbstbeschränkungsidee" im 19. Jh. (Kap. 2) samt deren anglikanischer Ausweitung auf die Schöpfungslehre (23, Anm. 39), d. h. die sog. moderne Kenotik. Denn diese bezieht sich nicht erst auf den menschgewordenen, sondern schon auf den menschwerdenden Gott-Logos, und wurde als Alternative zu der von D. F. Strauss ironisch kommentierten alten lutherischen Kenotik schon von diesem als eine Alternative vorgeschlagen, obgleich sie - wie Strauss "sehr wohl weiß" (18)6 - die Lehre vom Gott-Menschen in Frage stellt oder doch zu stellen scheint (so 25).

6. Entsprechend sind die Ausführungen zu Kant, dem älteren und jüngeren Fichte, Hegel, zur Kritik am frühen Schleiermacher und zum "spekulativen" oder auch "ethischen Theismus"7 in den folgenden Kapiteln der ontologischen bzw. ontotheologischen Begründung dessen gewidmet, was laut T. "schon in der Theologie der Kirchenväter ... im Hintergrund stand und in den christologischen Interpretationen der Allmacht bis hin zu D. Bonhoeffer ... wiederkehrt: Der Gedanke, dass nicht das Konzept einer Selbstbeschränkung, wohl aber der ,volle’, d. h. zu-Ende-gedachte Begriff göttlicher Allmacht die einzige Möglichkeit darstellt, das Problem der Allmacht Gottes zu bewältigen" (26, Hervorhebung im Text selbst - dazu Belege a. a. O., Anm. 26).

Das heißt zugleich: Wie "die Idee einer ,(Selbst-)Beschränkung’ von Freiheit - insonderheit einer Freiheit zugunsten anderer Freiheit - kein ausschließliches Theologoumenon ist, durch das das Verhältnis von Gott und Mensch definiert wäre", sondern "im Gegenteil" als "Freiheit des Gegeneinander" (Kap. 3 a) ihren "eigentlichen Ort findet innerhalb einer ,Metaphysik des Rechts’, so wie sie unter den Bedingungen einer Trennung von Recht und Moral etwa von Kant und Fichte entwickelt worden ist" (27 f.), so gehört zu dieser Begründung der historisch schon erbrachte Nachweis dessen, "daß Macht - zu Ende gedacht - erst da vollständig realisiert ist, wo sie das Verhältnis zwischen ,freien Wirklichkeiten’ bestimmt", die "wesentlich" und nicht bloß äußerlich im Verhältnis der Intersubjektivität8 stehen (49); ja, wo auf Grund der "unvermeidliche(n) Dialektik der Macht" als einer durch die "Physik" auch des Geistes und der Seele (dazu 34) belasteten Kategorie die ethische Kategorie der Liebe "die kommunikative Struktur von Freiheit auf den Begriff bringt" (69) und zugleich die Kategorie der Macht relativiert und präzisiert (Kap. 5).

Die systematischen Pointen seiner konzentrierten, kenntnis- wie zitatenreichen und zu mindestens der Hälfte aus Anmerkungen bestehenden Studie hebt T. in jedem Kapitel bzw. Unterkapitel durch diese und andere Kursivierungen hervor, so dass sich vor allem nachträglich eine der klaren Gliederung gemäße klare Strukturierung des im Einzelnen sehr verzweigten Textes durch historisch vermittelte systematische Grundthesen ergibt. Dazu gehört im christologischen Kapitel die in Anschluss an Chr. Thomasius gewonnene, im Blick auf eine wirkliche Lösungsfähigkeit des christologischen Problems nicht hinreichend befragte "Differenzierung von Selbstbestimmung und Selbstbeschränkung" (24) Gottes "als der absoluten Persönlichkeit" (23). Ferner gehört dazu abgesehen von historisch-systematisch zusammengehörigen und sich steigernden kritischen Thesen zur überbietung des Konkurrenz-, Raum- bzw. quantitativen und Substantialitätsverhältnisses (noch über Hegel hinaus) als Voraussetzung der Selbstbeschränkungsidee die im Anschluss an I. A. Dorner formulierte Zwischenthese: "Um der Freiheit der Welt bzw. eines freien, wechselseitigen Verhältnisses zwischen Gott und Welt kann daher Gott nicht als Leben, sondern muss [er] als seiner selbst mächtiger ,Geist’, also nicht mit physischen, sondern mit ,höheren’, d. h. zuletzt mit ethischen Kategorien gedacht werden" (58), so dass "die göttliche Allmacht immer schon ethisch angelegt ist, also nicht erst dualistisch als ein naturhaft-physischer, zunächst dranghaft sich auswirkender ,Impuls’ gedacht werden muss, dem der göttliche Wille hemmend und beschränkend entgegentreten müßte" (60f.). Und diese These wird mit H. M. Chalybäus (67 ff.) im Zeichen der Priorität der heiligen und entgegen bloßer Selbstlosigkeit und Selbstmitteilung das Moment der Selbstbehauptung einschließenden Liebe Gottes vor seiner Macht präzisiert, die ",ein All ... gewähren läßt’" (70), und von da aus durch Allmacht als ",Macht’ der Liebe" zur "Freigebung des Geschöpfs" (70 ff. - Schlußkapitel) als Bedingung der "Möglichkeit eines realen Liebesverkehrs zwischen Gott und der [menschlichen] Creatur" sowie der (menschlichen) Kreaturen zueinander (73).

Damit aber ist die kategorial zu klärende Grundthese von Allmacht als gemeinschafts- und damit(!) freiheitsbegründender Liebe gerade noch nicht eingeholt, sondern zunächst einmal gleichsam nur die neuere "free will defense" auch ausdrücklich (83, Anm. 153) ratifiziert, die allerdings u. a. das Problem der natürlichen übel nicht lösen kann (ebd.)9. Vielmehr ist damit umgekehrt nur die moralisch bzw. ethisch verstandene Freiheit als Bedingung gerade der Verfehlung von Gemeinschaft und zugleich als Bezugspunkt der Vergebung erwiesen, in der sich - plötzlich - mit Augustin die Allmacht Gottes erweisen soll (84). Diese Allmacht der Vergebung aber ist gerade augustinisch sicherlich etwas anderes als die Macht, ein All gewähren zu lassen, und kommt gemäß z. B. dem übersprungenen 3. Artikel zumindest einstweilen auch nicht bei allen zum Zuge. Darüber hinaus "enthüllt" sich - wiederum plötzlich - die Allmacht der Liebe in dem, "was [A.] Ritschl später als ihr ,Correlat’ bezeichnen sollte: das ,Reich Gottes’ verstanden als ein Reich verwirklichter Freiheit, d. h. gelingender Intersubjektivität" (86).

Die kategoriale Klärung des Allmachtsbegriffs bricht abgesehen von unausgeführten Andeutungen im Blick auf den Modalbegriff (53, 74 f.) also insofern gerade dort ab, wo sie die Grundthese wirklich einzuholen beginnt. Dieses Problem aber verschärft sich dadurch, dass die entsprechende "Synthese von Ontologie und Personalismus" (87) oder auch "solche Metaphysik der Sitten" in Verdächtigung eines transethischen Standpunktes als letztlich unethisch (86, Anm. 162) sich nicht prinzipiell nur vom Zentrum des christlichen Glaubens entfernen dürfte, dem T. doch gerade die Treue halten will, sondern auch speziell auf ein "Programm" hinweisen soll, "das in der jüngeren Theologie vor allem durch K. Barth, E. Jüngel und J. Moltmann in das Zentrum der Reflexion erhoben worden ist und das, wie es scheint, seine (begriffliche) Mitte in der perichoresis ... findet: Trinität und Reich Gottes" (88 - Schlusssatz!). Denn zwar lässt sich eine Verbindung Barths zum spekulativen oder auch ethischen Theismus nachweisen (vgl. hier im Blick auf die Eigenschaftslehre 78, Anm. 144). Aber nicht nur gebrauchen alle drei Theologen den Selbstbegrenzungs- oder Selbstbeschränkungsbegriff bzw. die entsprechende Metapher, und zwar Moltmann am radikalsten.

Nicht nur dürfte z. B. eine ganze auch kategoriale Welt zwischen diesen Namen und z. B. dem Namen Ritschls liegen, zu der auch die Tatsache gehört, dass schon Barth den Dual zwischen einer "Ontologie des moralischen" und des "naturhaft-dinglichen Seins" in seiner Räumlichkeit (88), den T. bis zuletzt voraussetzt, auf seine Weise überwunden haben dürfte. Das andeutungsweise Insistieren auf dem Modalbegriff könnte mit Folgen für einen größeren Respekt vor dem Selbstbegrenzungs- oder Selbstbeschränkungsbegriff (zusätzlich) auch zu einer andersartigen, u. a. temporalen, Differenzierung im Allmachtsbegriff führen, wenn im "Reich Gottes" - zumindest in seiner Vollgestalt - Freiheit als Verfehlung von Gemeinschaft nicht mehr möglich sein und also kein neuer "Fall" eintreten können soll.

So lässt wenigstens mich gerade angesichts des Anspruchs von T. auch aus rein immanenten Gründen dessen Studie etwas ratlos bis verärgert zurück. Zumal die Erinnerung an die Problematik der räumlichen Selbstbeschränkungsmetapher zwar wichtig ist, aber doch ihre Grenzen hat auch angesichts der Kategorie bzw. Metapher des Bundes als möglicher Basis eines neuen Begriffs von Wirklichkeit (vgl. 84, Anm. 157). Denn diese biblische Kategorie bzw. Metapher, die mit der der Erwählung (!) verbunden ist und die der reformierte Barth auf seine Weise fundamentalisierte, ist Interpretament einer Geschichte, die "den Totalhorizont unserer Erfahrung (Welt) als ,Gegenstand’ göttlicher Herrschaft" (7) nicht in der Perspektive transzendentaler Erfahrung (so ebd.), sondern der durch und durch geschichtlich-partikularen Glaubenserfahrung Israels und des "Leibes Christi" von der buchstäblich auch auf den Leib rückenden, spezifischen Gegenwart Gottes thematisiert. In dieser Perspektive aber ist auch der Raum nicht bloß als gleichsam untertheologische Größe von rein quantitativer und homogener Art zu verstehen und tauchen charakteristischerweise Metaphern wie des "Wohnens" bzw. "Zeltens" (dazu auch Joh 1,14) oder "Einwohnens" Gottes an partikularen, begrenzten Orten und - noch unvollendet - von ihnen aus in der ganzen Welt auf. Genau in dieser Tradition mit ihrer inkarnatorischen Logik aber - der jüdischen10 wie zugespitzt der christlichen - hat sich charakteristischerweise auch die in der vorliegenden Studie kritisierte Metapher gebildet, deren "kondeszendenztheologischer Hintergrund" T. würdigt (24) - ohne diesen selbst überzeugend kategorial einzuholen.

Die Studie ist m. E. vor allem eine wichtige Erinnerung an Aspekte der Problematik (so 25) der Selbstbeschränkungs- "oder" Selbstbegrenzungs"vokabel" (so 24) im Horizont einer Kritik an der Substanzmetaphysik (mit dem spekulativen oder ethischen Theismus noch über Hegel hinaus). Eine solche Kritik aber ist inzwischen im Anschluss z. B. an M. Luther oder östliche Theologie, dazu in Rekurs auf neuere Theoriekonstellationen, an sich weithin zur theologischen opinio communis geworden, die mit Folgen für den Begriff der Person auch und gerade trinitarisch verschiedene, von T. nicht einmal anmerkungsweise erwähnte Gestalten hat und weiterhin - hoffentlich- haben wird.

Fussnoten:

1) Dazu knapp G. van den Brink, Almighty God. A Study of the Doctrine of Divine Omnipotence, Kampen 1993, 21996, 2, Anm. 3. Auch van den Brink unterscheidet im übrigen auf seine Weise zwischen ,Omnipotenz’ und ,Allmacht’.

2) Wie T. wiederum überspringt, heißt es in der wirkungsmächtigen lat. Fassung des Apostolicums allerdings omnipotentem.

3) Die Reflexion auf die Tradition, die jene Bindung in Gottes Selbstbindung begründet, fällt wie die Reflexion auf die in sich höchst differenzierte Tradition der Unterscheidung zwischen potentia absoluta und ordinata Dei aus.

4) Die beiden letzteren Elemente des begrifflich nicht sehr klaren Jonas-Textes werden von T. verstellt, wenn er formuliert: "Daher läßt sich, so folgert Jonas in einem weiteren Schritt, die zum Wirksamwerden der Allmacht postulierte Gegenmacht nur als Resultat einer ,Selbstbeschränkung des einzigen Gottes durch die Schöpfung aus dem Nichts’ denken." Auch unterschlägt T., dass Jonas diesen Verzicht logischerweise an sich nur auf die Zeit des Weltprozesses beschränkt.

5) So ausdrücklich schon 13 - nicht ohne gewisse Spannungen sowohl zum Titel als auch z. B. zur späteren Aufnahme der Unterscheidung zwischen Schranke und Grenze in Kritik am frühen Synonymwerden von Selbstbeschränkung und Selbstbegrenzung (27, Anm. 46).

6) Diese indirekte Zustimmung zu Strauss wird erst nachträglich so begründet, dass zu dieser Begründung faktisch auch das Festhalten am metaphysisch-theistischen Axiom der Unveränderlichkeit Gottes (vgl. 83) und von daher eine höchst begrenzte Wechselseitigkeit gehört.

7) T. verzichtet nicht nur darauf, "Begriff und Sinn des ,ethischen Theismus’ eigens darzulegen" (61, Anm. 110). Er stellt auch nicht die naheliegende Frage, ob der Begriff des Ethischen in der Anwendung auf Gott nicht zumindest die Möglichkeit des Bösen auch für Gottes Handeln impliziert und also problematisch ist.

8) Dieser inzwischen hypertroph gebrauchte Begriff wird von T. fraglos so eingesetzt, dass er auch das Reich Gottes charakterisiert (s. u.).

9) Vgl. allerdings jüngst den entsprechenden Versuch von A. Kreiner, Gott im Leid. Zur Stichhaltigkeit der Theodizeeargumente (QD 168), Freiburg u. a. 1997, 321 ff.

10) Dazu in Nähe zu dem hier verhandelten Problemkomplex bes. M. Wyschogrod, Inkarnation aus jüdischer Sicht, EvTh 55, 1995, 13-28. Vgl. auch ders., The Body of Faith. God and the People of Israel, London 1983, 21996.