Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Juni/2000

Spalte:

637–639

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Gerhard, Johann

Titel/Untertitel:

Meditationes Sacrae (1603/1604). Mit einem Faksimile des Autographs. Kritisch hrsg. und kommentiert von Johann Anselm Steiger.

Verlag:

Stuttgart: Frommann 1998. 199 S. 8 = Doctrina et Pietas, I. Abt., 2. Lw. DM 112,-. ISBN 3-7728-1823-4.

Rezensent:

Wolfgang Sommer

Unter dem Titel "Der Kirchenvater der lutherischen Orthodoxie. Johann Gerhard (1582-1637) und ein Forschungsprojekt" stellte Johann Anselm Steiger die anspruchsvollen Aufgaben vor, die die von ihm geleitete Johann Gerhard-Forschungsstelle an der Theologischen Fakultät Heidelberg in nächster Zeit unternehmen wird (Kerygma und Dogma 43, 1997, 58-76). Inzwischen liegen zwei Texte des jungen Gerhard vor, die beide im Zusammenhang mit seiner schweren Krankheit im Winter 1603/04 entstanden sind: "Das Testament und das Glaubensbekenntnis des todkranken 21jährigen Johann Gerhard". Kritische Edition und Kommentar, in: ARG 87, 1996, 201-254. Verbesserter und überarbeiteter Wiederabdruck in: J. A. Steiger, Johann Gerhard (1582-1637). Studien zu Theologie und Frömmigkeit des Kirchenvaters der lutherischen Orthodoxie (= Doctrina et Pietas Abt. I, Bd. 1), Stuttgart 1997, 159-227.

Der hier vorliegende Text entstammt derselben Krankheitsphase Gerhards im Winter 1603/04. In der Forschungs- und Landesbibliothek Gotha tauchte das Autograph und die Urfassung von Gerhards berühmtem Erstlingswerk, den "Meditationes Sacrae" auf. Sie wird in vorliegender Edition mit einem Faksimile des Autographs sowie einer kritischen Edition des Textes mit Kommentar vorgelegt. Es handelt sich um die erste Edition eines später im Druck erschienenen Werkes Gerhards aus dem Autograph. Da im Autograph Textteile enthalten sind, die nicht bzw. erst in späteren Auflagen im Druck erschienen sind, kommt dieser Handschrift Gerhards ein eigenes literarisches Gewicht zu.

Die Edition bringt zunächst das Autograph als Faksimile in einer gut lesbaren Abbildung. Der erste Apparat verzeichnet sämtliche Varianten des Erstdruckes von 1606. Damit wird ersichtlich, wie Gerhard diesen Text für den Druck weiter bearbeitet hat. Dieser textkritische Apparat informiert auch über Gerhards eigene Eingriffe in den Text und über Emendationen des Herausgebers.

Der zweite Apparat weist die von Gerhard zitierten Bibelstellen sowie die Anklänge auf biblische Texte und die reichhaltigen Bezüge auf altkirchliche und mittelalterliche Autoren auf. Die Ausgabe der "Meditationes Sacrae" (Jena 1617) erwies sich bei dem Nachweis des tradierten Materials als hilfreich. Lückenlosigkeit kann trotz sorgfältiger Arbeit verständlicherweise nicht beansprucht werden, weshalb der Herausgeber für Mitteilungen über zusätzliche Belege dankbar ist. Die Traditionszitate, vorwiegend Augustin bzw. Pseudo-Augustin und Bernhard, werden dankenswerterweise oft mit ausführlicheren Passagen gebracht, so dass ein erster Einblick in Gerhards Zitierweise möglich wird und die enge Verbundenheit seiner Meditationen mit der altkirchlichen und mittelalterlichen Theologie hervortritt.

Bei dem edierten Text selbst "wurde grundsätzlich eine diplomatisch getreue Textwiedergabe angestrebt" (171). Dies entspricht einem Positionspapier, das von der Johann Gerhard-Forschungsstelle in Heidelberg erarbeitet wurde: R. G. Bogner; J. A. Steiger, Prinzipien der Edition von theologischen Texten der frühen Neuzeit. Mit einer Vorstellung und Begründung der Prinzipien für die geplanten Editionen von Werken Johann Gerhards. Die hier begründet vorgetragenen Argumentationen - mit m. E. allerdings unnötigen Schärfen in der Kritik an anderen Editionsvorhaben! - werden die Diskussion in diesem diffizilen Arbeitsgebiet gewiss beleben.

Im Nachwort werden bei der Edition dieser Vorlage die geringen Abweichungen von Schreibstand, Orthographie, Interpunktion und Absatzgestaltung erläutert: Zu vorliegender Textausgabe und deren Editionsprinzipien (169-173, 171 f.). Das Nachwort schließt mit einer Beschreibung und Datierung der Quelle (173 f.). Neben einem Verzeichnis der von Gerhard verwendeten Kürzel (85) werden im Anhang dieser Edition wichtige Register aufgeführt: Zunächst der Nachweis über die Fundorte der Kapitel des Autographs in der Druckfassung. Es folgen die Liste der Emendationen, Bibelstellenregister, Stichwortregister, Personenregister, Verzeichnis der im Apparat zitierten Quellen und das Abkürzungsverzeichnis.

Im Nachwort wird angekündigt, dass in nicht allzu großem Abstand die kritische Edition des Erstdruckes der "Meditationes Sacrae" samt deutscher übersetzung folgen soll. Bei dieser Edition soll dann auch in die Entstehungsgeschichte des Werkes und seine frömmigkeits- und theologiegeschichtliche Bedeutung eingeführt werden.

Mit der hier vorliegenden Edition ist ein weiterer wichtiger Schritt in der historisch-kritischen Bereitstellung zentraler Texte der lutherischen Orthodoxie gemacht worden. Dafür gebührt dem Herausgeber und seinen Mitarbeitern der Dank der sich offenbar in letzter Zeit kontinuierlich vergrößernden Schar all derer, die sich dem Zeitalter der Orthodoxie als einer der faszinierendsten Epochen der Theologie- und Frömmigkeitsgeschichte zuwenden.