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Ausgabe:

Dezember/1998

Spalte:

1212 f

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Hübner, Hans:

Titel/Untertitel:

Vetus Testamentum in Novo. 2: Corpus Paulinum.

Verlag:

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1997. XXIV, 663 S. gr.8. Lw. DM 188,-. ISBN 3-525-50108-0.

Rezensent:

Klaus Wachtel

Die Veröffentlichung von Hans Hübners Parergon zu seiner "Biblischen Theologie des Neuen Testaments" (3 Bde., Göttingen 1990-1995) beginnt mit dem Corpus Paulinum (ohne Hebr) als Band 2. Band 1 wird laut Verlagsankündigung Evangelien und Apostelgeschichte, Band 3 Katholische Briefe und Apokalypse enthalten. Wahrscheinlich wird der Hebräerbrief ebenfalls im letzten Band behandelt.

Das neue Vetus Testamentum in Novo wird die von Wilhelm Dittmar 1903 unter dem gleichen Titel und beim gleichen Verlag publizierte Zusammenstellung der alttestamentlichen Parallelen des Neuen Testaments ersetzen. Bei einem Vergleich fällt zunächst die großzügige Anlage des neuen Werkes ins Auge. Die Texte des Neuen Testaments, der Septuaginta und des Masoretischen Textes werden jeweils doppelseitig in Parallelkolumnen dargeboten. In einer vierten Kolumne kommen unter dem Titel "Alia" weitere Hinweise und Anmerkungen hinzu.

H. dokumentiert präzise und ausführlich die Fundstellen und den Wortlaut der alttestamentlichen Texte, aus denen zitiert wird. Darüber hinaus entfaltet er den Anspielungshorizont neutestamentlicher Diktion, indem er auch einzelnen Begriffen und gedanklichen Figuren nachgeht. Zu Röm 3,25 z. B. werden Lev 16,13-15 und 4Mac 17,22 vollständig zitiert, wobei hilastérion bzw. kprt als inhaltliche Übereinstimmungen unterstrichen werden. Die wörtliche Übereinstimmung des griechischen Wortes wird außerdem durch Fettdruck hervorgehoben. Ferner wird aber auch Lev 17,11 zitiert und der Stamm des Verbums exilaskesthai bzw. kpr unterstrichen. Zusätzlich wird auch die Beziehung von Röm 3,25 zum Gottesknechtlied durch vollständiges Zitat von Jes 53,4 f. dargestellt, obwohl diese Verse keine exakte inhaltliche oder wörtliche Übereinstimmung zeigen. Außerdem enthält die Spalte "Alia" den Hinweis, daß nicht geklärt ist, ob hilastérion hier das gleiche bedeutet wie in Ex 25,17 ff. Eine weitere Anmerkung weist auf Ez 43,13-27 hin.

Die großzügige, mehrfach abstufende Darbietungsform lädt zu einer fortlaufenden Lektüre des Vetus Testamentum in Novo receptum ein, wie sie bisher nicht möglich war. Es ist wohl unvermeidlich, daß dabei der Rezipient die Assoziationen des Vf.s nicht immer mitvollziehen kann. So werden zu Röm 11,33 sowohl Dtn 9,24 als auch Am 3,2 vollständig zitiert, obwohl das Bindeglied lediglich in dem Stamm gno- bzw. ds besteht. Aber zweifellos ist es für ein Werk wie dieses gut, die Schwelle niedrig zu halten und eher zuviel als zuwenig zu bieten.

Das Vorwort in lateinischer, deutscher und englischer Sprache ist etwas überfrachtet mit Erläuterungen, die besser in einer Einführung in die Methodik des Werkes abgehandelt worden wären. Dort hätten einige editorische Entscheidungen bzw. redaktionelle Grundzüge ausführlicher erklärt und begründet werden können. So wird zwar die Textgrundlage der alttestamentlichen Kolumnen angegeben, nicht aber die der neutestamentlichen. Immerhin werden im lateinischen Teil der ebenfalls dreisprachig gehaltenen Legende - und merkwürdigerweise nur dort - unter "Librorum editiones" die 25., 26. und 27. Auflage des Nestle-Aland genannt. In der neutestamentlichen Kolumne findet man jedenfalls mit wenigen Ausnahmen den Text der 26./27. Auflage exakt wiedergegeben. Eine Durchsicht der längeren Zitate im Römerbrief förderte drei Abweichungen zu Tage: 3,4 nikéses statt nikéseis, wie im zitierten Ps 50,6; Röm 9,23 f. interpungiert wie in NA25 (worauf unter "Alia" hingewiesen wird); Röm 10,5 aute statt autois, wozu unter "Alia" bemerkt wird, so sei mit X* A B und anderen, sodann mit NA25, gegen NA26/27 zu lesen. Für eine Liste der Stellen, an denen der Hrsg. sich gezwungen sah, den neutestamentlichen Text gegen NA26/27 zu ändern, wäre der Leser dankbar. Auch eine kurze Begründung, eventuell unter "Alia", wäre willkommen.

Zum Septuaginta-Text bemerkt der Hrsg. im Vorwort, er sei, "soweit die Bände der Göttinger Septuaginta vorliegen, nach diesen zitiert, sonst nach Alfred Rahlfs" (p. XII). Dagegen ist gewiß nichts einzuwenden, aber auch hier wäre der Leser dankbar für eine Liste der Göttinger Bände, die schon zugrunde gelegt werden konnten.

Die unter "Alia" gegebenen Verweise auf neutestamentliche Stellen beziehen sich in der Regel ausschließlich auf das Corpus Paulinum (ohne Hebr). So gibt es z. B. keinen Hinweis darauf, daß Gen 15,6 nicht nur in Röm 4,3 und Gal 3,6 zitiert wird, sondern auch im Jakobusbrief. Bei der Abendmahlsparadosis im 1Kor stößt der Leser jedoch auf eine Ausnahme. Für alttestamentliche Parallelen zu 11,23 wird auf Mk 14,22-24 parr, zu 11,24 f. auf Lk 22,19 f. verwiesen. Vielleicht versteht sich ja von selbst, welches Konzept hinter diesem Vorgehen steht, aber eine Erklärung wäre doch hilfreich.

Diese Schwächen in der Präsentation des Materials mindern freilich den Wert des neuen Vetus Testamentum in Novo nicht wesentlich. H. hat den ersten Teil eines Werkes vorgelegt, das für die wissenschaftliche Arbeit am Text des Neuen Testaments unverzichtbar ist.