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Ausgabe:

Mai/2000

Spalte:

538–540

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Treu, Martin

Titel/Untertitel:

Katharina von Bora - Die Lutherin. Aufsätze anläßlich ihres 500. Geburtstages hrsg. im Auftrag der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt.

Verlag:

Wittenberg: Stiftung Luthergedenkstätten 1999. 367 S. m. zahlr. Abb. gr. 8. ISBN 3-933028-19-1.

Rezensent:

Gerhard Müller

Aus einer Äußerung des Erasmus von 1525 schließen wir, dass Katharina von Bora 1499 geboren worden ist. Die Erinnerung an ihren so vermuteten 500. Geburtstag hat viele erfreuliche Aktivitäten hervorgerufen. Ist Katharina doch eine so herausragende Persönlichkeit gewesen, dass es sich lohnt, sich ihre Leistungen zu vergegenwärtigen. Zu den Aktivitäten gehört eine Ausstellung in der Lutherhalle Wittenberg, in der Katharina die Hälfte ihres Lebens verbracht und sich durch ihr Tun schon zu ihrer Zeit ein Denkmal gesetzt hat. Das vorliegende Buch ist kein Ausstellungskatalog, sondern es wurden Aufsätze zusammengestellt, die die Ausstellungsstücke in einen breiten historischen Rahmen stellen.

Das Buch ist in fünf Kapitel eingeteilt: "I. Katharina von Bora, II. Frauen in der Reformation, III. Nachwirkungen, IV. Rezeptionsgeschichte, V. Anhang", in dem sich eine gute Bibliographie über Quellen und Literatur zu Katharina findet: 402 Nummern. Den Abschluss bildet ein "Verzeichnis der Exponate" der Wittenberger Ausstellung. Im I. Kap. behandelt der Hg. "Das Leben der Katharina von Bora", über das es nur wenige verlässliche Quellen gibt. So ist auch ihr Geburtstag erst spät benannt worden. Was eruiert werden kann, hat der Direktor der Lutherhalle zusammengetragen. Eine wichtige Quelle sind Martin Luthers Briefe an seine Frau. 20 von ihnen sind erhalten - keiner von ihr an ihn. Birgit Stolt untersucht "Luthers Sprache in seinen Briefen an Käthe". Sie zeigt, wie der Reformator seinen Stil abwandelt und auch "spielerisch parodiert". So kommt eine "reizvolle(n) Mischung von offiziell hochtrabendem und persönlich-privatem Tonfall" zustande. Stolt stellt fest: "Diese Ehe zwischen zwei reifen Persönlichkeiten (wurde) zu einer ... Liebesehe, deren Innigkeit mit den Jahren nicht abnahm, sondern sich im Gegenteil vertiefte." Die von Luther gebrauchten Ausdrücke werden philologisch erklärt. "Herr" z. B. ist die "scherzhafte Abwandlung einer respektvollen Anrede." Luthers Briefe belegen nicht zuletzt seinen Humor. Pauline Puppel und Stephan Buchholz fragen nach Käthes Rechtsstellung. Die Konkubinen der Priester hatten keine Rechte besessen. Welche erhielt sie, die mit einem Priester verheiratet war? Wie der "rechtsfreie" Raum ausgefüllt wurde, das wird bis hin zu Luthers Testament gezeigt. Werner Schade analysiert "Cranachs Bildnisse der Frau Katharina" und stellt fest: "Das Bild der Frau ist definiert durch das Bild des Mannes." Auch "das Bildnis der Katharina tritt immer nur als Gegenstück zum Konterfei ihres Mannes auf." Jedoch ist sie ungewöhnlich oft abgebildet worden. Schließlich ist sie dann mit dem Epitaphbild in Torgau "aus dem Schatten ihres Mannes getreten".

Im II. Kap. schildert Michael Beyer "Luthers Ehelehre bis 1525" und zeigt, dass für ihn die Ehe zwar kein Sakrament mehr ist, dass sie aber "als göttlicher Stand ... Dignität in sich selbst" hat. Helmar Junghans beschreibt "Die evangelische Ehe", indem er Luthers Äußerungen dazu aus seiner Zeit als Ehemann analysiert: Der Reformator hält die vor 1525 erarbeiteten Grundsätze aufrecht und bringt "den Ehestand gegen seine Geringschätzung von seiten der ehelosen Kleriker einerseits und eines ungezügelten Verkehrs der Geschlechter untereinander andererseits zur Geltung ... Die Ehe hat dadurch in der christlichen Gemeinde eine neue Bedeutung erlangt." Stephen E. Buckwalter beschreibt "Sexualität und Priesteramt in Flugschriften der Reformationszeit" und berichtet von einer "spontane(n) Welle von Priesterehen in Sachsen ab Mai 1521." Der "Ehelosigkeit (wird) keine positive Funktion mehr" eingeräumt und die Priesterehe geradezu zum Konfessionsmerkmal. Warum diese drei Beiträge in diesem Kapitel stehen ("Frauen in der Reformation"), ist mir unerfindlich, denn sie betreffen nicht nur Frauen und hätten es verdient gehabt, in einem eigenen Kapitel zusammengefasst zu werden.

In den restlichen drei Aufsätzen werden nun aber Frauen behandelt. So geht es um "Nonnenklöster in Augsburg und Nürnberg", wo allerdings mehr Details zum Thema und weniger Allgemeinheiten zur Reformation in beiden Reichsstädten zu erwarten gewesen wären. Exakt wird dagegen über "Theologenfrauen als ,Gehilfinnen’ der Reformation" von Inge Mager berichtet, nämlich über Walpurga Bugenhagen, Elisabeth Cruciger, Ottilie Müntzer und Anna Rhegius. Dieser Beitrag wird glücklich ergänzt durch Merete Nielsen: "Pfarrfrauen der Reformationszeit in Süddeutschland und der Schweiz". Behandelt werden sechs Pfarrfrauen und eine Unverheiratete, nämlich Margarethe Blarer. Sie und Katharina Zell, deren beide Kinder früh starben, hatten "die Muße, sich für Theologie und Kirchenpolitik und überhaupt für Bildung zu interessieren."

Im III. Kap. sind aufschlussreich Heiner Lücks Beitrag "Zur Grundlegung des Eherechts in Wittenberg" und Johannes Wahls Darstellung über "Pfarrfrauen des 16. und 17. Jahrhunderts zwischen bürgerlicher Ehe und Lebenswelt". Hier wird vor allem Württemberger Material ausgewertet. Kenneth G. Appold behandelt dagegen nicht, wie er behauptet, "Ehe und Erotik in der Theologie der lutherischen Orthodoxie", sondern Luthers Ehetheologie, was genauer bei Beyer und Junghans zu lesen ist, und "Ehetheologie in der lutherischen Orthodoxie am Beispiel Johann Gerhards." So hätte der Abschnitt sinnvollerweise lauten sollen.

Die "Rezeptionsgeschichte" (IV. Kap.) ist zunächst den Bildern Katharinas gewidmet. Von Klaus-Peter Brozatus habe ich gelernt, dass Käthe "die einzige Frau eines Reformators ist, auf die jemals Medaillen gegossen oder geprägt wurden". Auf 86 Seiten steuert Joachim Kruse "Katharina von Bora in Bildern" bei. Hier ist viel Material erschlossen worden, vor allem aus dem 19. Jh. "In der Belletristik des 20. Jahrhunderts" ist das Interesse an Katharina groß. Allerdings erscheint sie "kurz vor ihrem 500. Geburtstag ... ungesund aufgeschwemmt von allem, was auf sie zutreffen soll wie auf andere Frauen". Das ist wohl unvermeidbar, nachdem nach 1983 "ihre Stunde als Romanheldin" schlug. Positiv vermerkt Marita Rödszus-Hecker, dass Käthe "in Christine Brückners ,Reden’ ... noch einmal verjüngt" erscheine und dass sie in Eva Zellers "Spurensuche" "etwas Visionäres" habe. Auch "in den audiovisuellen Medien des 20. Jahrhunderts" kommt Katharina häufig vor. Aber erst seit 1983 gibt es Ansätze, ihre "Bedeutung ... darzulegen". Esther P. Wipfler geht auch auf Diafolgen und auf die Luther-Darstellung von 1996 auf CD-ROM ein, was die Breite des Interesses an ihr deutlich macht.

Der Band ist verlässlich gearbeitet und bietet viele Abbildungen. Eine kleine Korrektur sei bei aller Anerkennung der Leistungen aber nicht unterdrückt: Nicht der 1513 verstorbene Papst Julius II., sondern Paul III. lud 1536 zu einem Konzil ein (217). Insgesamt kann als erreicht bezeichnet werden, was der Direktor der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt, Stefan Rhein, als Aufgabe dieser Publikation beschreibt: "Diese umstrittene und streitbare, bis heute beeindruckende Frau gleichsam auf historische Füße zu stellen,... den Kontext weiblicher Lebensentwürfe des 16. Jahrhunderts zu skizzieren und das Nachleben der Lutherin ... nachzuzeichnen: Das ist das Ziel dieses Aufsatzbandes."