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Ausgabe:

Mai/2000

Spalte:

532–534

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Grane, Leif, Schindler, Alfred, u. Markus Wriedt [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Auctoritas Patrum II. Neue Beiträge zur Rezeption der Kirchenväter im 15. und 16. Jahrhundert.

Verlag:

Mainz: von Zabern 1998. XII, 324 S. m. 1 Abb. gr.8 = Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz, Beiheft 44. Kart. DM 68,-. ISBN 3-8053-1976-2.

Rezensent:

Michaela Zelzer

Die bedeutende Rolle, die in den theologischen Erneuerungsbestrebungen des 15. und 16. Jh.s die Schriftsteller der Alten Kirche spielten, ist bislang nur wenig herausgearbeitet. Einen ersten Ansatz zur Erforschung der Kirchenväterrezeption in dieser bedeutsamen Umbruchszeit lieferte eine internationale Forschergruppe, die sich 1991 bei Kopenhagen traf und ihre Ergebnisse unter dem Titel "Auctoritas patrum. Beiträge zur Rezeption der Kirchenväter im 15. und 16. Jahrhundert" 1993 herausbringen ließ. Da diese Veröffentlichung weitgehend positiv aufgenommen wurde, entschlossen sich die Initiatoren der zweiten Tagung, die vom 1. bis 5. April 1995 wieder bei Kopenhagen stattfand, auch die Ergebnisse dieses Kolloquiums in alphabetischer Reihenfolge zu veröffentlichen.

Die Publikation umfasst folgende Beiträge: Kaarlo Aarffman (Helsinki), Die Begründung der Kindertaufe mit der Alten Kirche in der Wittenberger Theologie (1521-1536); Irena Backus (Genf), Augustine and Jerome in Thomas Murner’s De Augustiana Hieronymianaque reformatione poetarum (Strasbourg, 1509); Christoph Burger (Amsterdam), Der Kölner Karmelit Nikolaus Blanckaert verteidigt die Verehrung der Reliquien gegen Calvin (1551); Irene Dingel (Frankfurt), "An patres et concilia possint errare" - Georg Majors Umgang mit den Vätern; Leif Grane (Kopenhagen), The Fathers and the Primacy according to John Eck; Simo Heininen (Helsinki), Die patristische Argumentation im sogenannten "Liturgiestreit" (1575-1593) in Schweden; Ralph Hennings (Oldenburg), Hieronymus zum Bischofsamt und seine Autorität in dieser Frage bei Luther, Melanchthon und Zwingli; Robert Kolb (St. Louis/ Mo.), The Fathers in the Service of Lutheran Teaching. Andreas Musculus’ Use of Patristic Sources; Anthony N. S. Lane (London), The Influence upon Calvin of his Debate with Pighius; Karl-Heinz zur Mühlen (Bonn), Die auctoritas patrum in Martin Luthers Schrift "Von den Konziliis und Kirchen" (1539); Ekkehard Mühlenberg (Göttingen), Das Argument: "Die Wahrheit erweist sich in der Übereinstimmung mit den Vätern" - Entstehung und Schlagkraft; David Rutherford (Mont Pleasant/Mi.), Antonio da Rho on Patristic Authority, The Status of Lactantius; Alfred Schindler (Zürich), Zwinglis Gegner und die Kirchenväter - Ein Überblick; Reinhart Staats (Kiel), Orosius und das Ende der christlich-römischen Universalgeschichte im Zeitalter der Reformation; Martin Wallraff (Cambridge-Bonn), Die Rezeption der spätantiken Kirchengeschichtswerke im 16. Jahrhundert; Markus Wriedt (Mainz), Die Autorität der Kirchenväter in der Debatte um die Bildungsreform zu Beginn der Reformation; David F. Wright (Edinburgh), The Donatists in the Sixteenth Century; Anette Zillenbiller (Mainz), Legi saepius et relegi Cyprianum. Johannes Ecks Cyprianrezeption in seinem Werk De primatu Petri.

Jeder Beitrag ist durch Zwischenüberschriften übersichtlich gegliedert und mit einer kurzen Zusammenfassung der Ergebnisse (vorwiegend in englischer Sprache) versehen.

Aus den Titeln der Referate geht meistens hervor, worüber die Teilnehmer am Kolloquium referierten und diskutierten; es waren ganz verschiedene Fragestellungen, die von einer kurzen Behandlung eines Einzelproblems bis zu einer gestrafften Übersichtsdarstellung reichen. Die Organisatoren waren sich des sehr disparaten Stoffes wohl bewusst: Sie verzichteten, "auf ein spezielles Untersuchungsthema ... um die Vielfalt der Forschungsansätze, Probleme und Methoden klarer in den Blick zu bekommen" und nahmen damit in Kauf, "daß damit auch der zweiten Zusammenkunft sowie der Veröffentlichung ihrer Beiträge eine gewisse Beliebigkeit anhaftet" (Vorwort, VII), da sie für eine Systematik der Forschungsgespräche die Zeit noch nicht für reif hielten. Es wird allerdings zugegeben, dass zukünftig "stärker konkrete Untersuchungsthemen im Vordergrund stehen, um die ,Goldgräberphase’ unterschiedlicher und teilweise weit auseinanderlaufender Forschungen zu beenden und die Arbeiten zu koordinieren und zu konzentrieren" (VIII).

Tatsächlich ist in diesem Band so Verschiedenartiges vereint, dass auf die einzelnen Artikel hier nicht eingegangen werden kann, doch lassen sich manche Themengruppen zusammenstellen. Ein Schwerpunkt der Referate lag bei den Wittenberger Theologen und dabei besonders bei Luther (Aarffmann, Hennings, zur Mühlen, Mühlenberg, Wriedt); einen interessanten Einblick in die unterschiedlichen Argumentations- und Denkweisen Luthers und Melanchthons gibt dabei der erste Beitrag. Ein weiterer Themenbereich ist die schweizerische Reformation; die Beiträge aus diesem Bereich (Backus, Burger, Lane, Schindler) betreffen vor allem die Diskussion mit den ,Altgläubigen’. Einer speziellen Frage ist der Beitrag "The Donatists in the Sixteenth Century" (Wright) gewidmet: der breiten Verwendung der Bezeichnung dissidenter Meinungen als "donatistisch".

Zwei Artikel (Grane, Zillenbiller) sind dem heftigsten Gegner Luthers in der Leipziger Disputation, Johannes Eck, gewidmet und beleuchten dessen Arbeitsweise. Es fand aber nicht ausschließlich nur die frühe Reformationszeit Beachtung; zwei Beiträge betreffen die Kirchenväterrezeption in der zweiten Hälfte des 16. Jh.s (Dingel; Kolb), ein weiterer (Heininen) ein spezielles Problem der skandinavischen Reformation. Anhand der 1444 erschienenen Dialogi tres in Lactantium des franziskanischen Humanisten Antonio da Rho wird auf die verschiedene Beurteilung hingewiesen, die der seit der Mitte des 14. Jh.s intensiv gelesene antike Autor erfahren hat (Rutherford). Interessante Einblicke geben die beiden dem Einfluss altchristlicher Geschichtswerke gewidmeten Beiträge. In dem einen wird gezeigt, dass der mittelalterliche ,Bestseller’ Orosius in der frühen Reformationszeit keine Rolle spielte (Staats), in dem anderen (Wallraff) wird ein Überblick über die Wirkung spätantiker Kirchengeschichtswerke im 16. Jh. und die damals verfassten kirchenhistorischen Werke geboten (mit einem bibliographischen Anhang und dem Abdruck der ersten Seite aus der Editio princeps der Kirchengeschichte des Socrates).

Der Band ist sorgfältig gedruckt und gestaltet. Allerdings stimmen die im Inhaltsverzeichnis (V) angegebenen Titel mehrfach nicht vollständig mit den Überschriften der Referate überein, und sollte beim letzten Beitrag in der Angabe des Werkes von J. Eck petri groß geschrieben werden (VI).

Zwei Bemerkungen im Vorwort bezüglich der Beiträge sind der Rez. unverständlich: die Angabe, dass vom ersten, aus Helsinki stammenden Referenten "die Prägung der skandinavischen Theologie durch die Wittenberger Reformation und ihre spezifische Kirchenväterrezeption" aufgearbeitet werde (VII), und die Charakterisierung, "David Wright ... warf ... einen Blick auf die Sonderstellung der schottischen Reformation, die unter reformierten Einfluß stand" [VIII]; in beiden Fällen hat das Thema mit der Herkunft der Referenten nichts zu tun.

Die Beiträge haben vielfach interessante Fragen aufgeworfen und vor allem aufgezeigt, wieviel Quellenmaterial noch der Erforschung bedarf.