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Ausgabe:

Mai/2000

Spalte:

527 f

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Nagel, Peter

Titel/Untertitel:

Der Tractatus Tripartitus aus Nag Hammadi Codex I (Codex Jung). Neu übers.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 1998. VI, 120 S. gr.8 = Studien und Texte zu Antike und Christentum, 1. Kart. DM 59,-. ISBN 3-16-147033-8.

Rezensent:

Hans-Friedrich Weiß

Dieser schmale Band, seinem Titel nach "nur" eine neue Übersetzung der 5. Schrift aus dem Codex I der koptisch-gnostischen Bibliothek von Nag Hammadi, ist - gleich eingangs sei dies betont - ein gelungener Auftakt der von Chr. Markschies herausgegebenen "Studien und Texte zu Antike und Christentum". Zwar ist in dieser erneuten Übersetzung der wohl dem Valentinianismus "westlicher" Prägung (Herakleon) zugehörigen Schrift die Erörterung der Sachfragen bewusst ausgeklammert; wenn der Autor indes bereits in seinem Vorwort im Blick gerade auf diesen Traktat von einer "immer neue(n) Herausforderung an die Bemühungen um eine adäquate Übersetzung als Voraussetzung für das sachgemäße Verstehen jener Schrift" spricht (V) und in diesem Sinn "die eigentliche Aufgabe des Bandes in der sprachlichen Erschließung des Textes liegt" (ebd.), so ist damit ohnehin deutlich, dass die primär sprachliche Bemühung ihrerseits den entsprechenden Sachverstand im Blick auf die im Traktat erörterte Sache keineswegs aus-, sondern eher einschließt.

In seiner "Einführung" (1-20) begründet der Autor eingehend die Notwendigkeit seines Vorgehens angesichts der bisher bereits vorliegenden Editionen und Übersetzungen, so vor allem im Blick auf die Edition von H. W. Attridge/E. H. Pagels vom Jahr 1985 sowie auf die "völlige Neubearbeitung des Textes" durch E. Thomassen vom Jahr 1989 (5 ff.). Die entsprechenden kritischen Bemerkungen, insbesondere im Abschnitt 1.2. (8-16), zeigen dabei, in welchem Maß und Sinn die eigenen Überlegungen in der Kontinuität der bisherigen Forschung stehen, andererseits aber zugleich "einen neuen und eigenen Zugang zum Text suchen" (9). Dieser besteht vor allem darin, dass der Autor davon ausgeht, dass die überaus häufigen, im Einzelnen nur schwer oder auch gar nicht zu verstehenden "Korruptelen" des in der Handschrift vorliegenden Textes nicht, wie bisher angenommen, durch fehlerhafte Abschrift der Vorlage verursacht worden sind, sondern - Schreibfehler selbstverständlich nicht ausgeschlossen - durch eine Niederschrift des Textes nach Diktat (9 f.: "Völlig außer Betracht blieb die Erwägung, daß auf einer nicht verifizierbaren Zwischenstufe - oder gar in der Endfassung des Codex I,5 - der Text nach Diktat niedergeschrieben sein könnte"). Für den Einzelnachweis in dieser Hinsicht - so z. B. angesichts der "artikulatorisch verwandten Laute f und v in der Position nach Vokal" - sei besonders auf S. 10ff. verwiesen - mit dem Ergebnis: "Nicht die sporadischen Schreibfehler, die jedem Kopisten unterlaufen können, sondern die für Cod. I,5 typischen Fehler, für die eine graphische Verwechslung (Abschreibfehler) als Fehlerquelle schwerlich in Betracht kommt, weisen stärker auf irrtümliche Realisierung des Gehörten denn auf Abschreibfehler" (13).

Von solchen (und ähnlichen) grundsätzlichen Erwägungen her ist es dem Autor gelungen, eine in sich schlüssige und konsistente und damit auch gut lesbare Neuübersetzung des Traktats vorzulegen, zu deren Verstehbarkeit nicht zuletzt auch (über die vom Text her vorgegebene Dreiteilung hinaus) die hier vorgenommene "Binnengliederung" in Gestalt einer Paragraphenzählung beiträgt (15). Die auf die Übersetzung (21-88) folgenden sprachlichen "Bemerkungen zur Übersetzung" (89-96) und die abschließenden Indizes der im Traktat enthaltenden griechischen Wörter, der Eigennamen wie auch ein Stellenregister runden das Werk ab (97-113), mit dem der Autor sich zugleich den Anspruch erworben hat, in einem abschließenden "Addendum" (114-120) durchaus kritisch zu der von G. Lüdemann und M. Janssen verantworteten Gesamtübersetzung der gnostischen Schriften von Nag Hammadi als "Bibel der Häretiker" vom Jahr 1987 Stellung zu nehmen.

Bei alledem berührt es durchaus sympathisch (und offenbart zugleich ein gewisses Maß an Selbstironie), wenn der seit langem schon durch eine stattliche Reihe fundierter sprachlicher und historischer Studien auf dem Gebiet der Koptologie bzw. überhaupt des "Christlichen Orients" ausgewiesene Autor am Ende des Vorwortes zu eigenen Übersetzung vermerkt: "Im übrigen erscheint mir der Traktat noch immer rätselhaft und resistent genug, auch weitere Übersetzungen auszuhalten" (VI). Dies mag wohl zutreffen - nur: Keiner Frage bedarf es dabei, dass jene "weiteren Übersetzungen" sich allesamt an der hier vorliegenden Übersetzung zu bemessen haben werden.