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Ausgabe:

Dezember/1998

Spalte:

1199 f

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Barstad, Hans M.

Titel/Untertitel:

The Babylonian Captivity of the Book of Isaiah. "Exilic" Judah and the Provenance of Isaiah 40-55.

Verlag:

Oslo: Novus 1997. 120 S. 8 = Instituttet for sammenlignende kulturforskning. Serie B: Skrifter. Lw. NOK 149.-. ISBN 82-7099-289-5.

Rezensent:

Peter Höffken

Der Versuch Barstads, die babylonische Entstehung des Deuterojesaja (Dtrjes) zu problematisieren, bezieht sich vorzüglich in dieser Arbeit (seine weiteren Arbeiten zum Thema nennt B. in seiner "Introduction" 13-16 in den Anmerkungen) auf forschungsgeschichtliche Perspektiven des letzten Jahrhunderts. Daran ist richtig, daß es gilt, auch die Genesis eines zum Lehrbuchwissen geronnenen Phänomens (a. Dtrjes als Prophet oder Prophetengruppe in exilischer Zeit; b. sein/ihr Auftreten in Babylonien) kritisch zu reflektieren. Geht man vom Ergebnis aus, bleibt B.s Analyse gleichwohl ambivalent: Er sagt, die Frage der Lokalisierung des Autors (oder Textes) von Jes 40-55 sei kaum mit Gründen entscheidbar (92 f.); gleichwohl zieht er einen palästinischen Ursprung vor (93). Ich würde eher sagen: Die Frage der Verschriftlichung von Jes 40-55 weist relativ eindeutig in den palästinischen Raum. Aber das schließt nicht aus, daß die Ursprünge dieser Botschaft im babylonischen Raum liegen.

Mit Recht analysiert B. die verschiedenen Optionen für eine Lokalisierung des Dtrjes in Phönizien (B. Duhm); Ägypten; Palästina und endlich Babylonien auf ihre argumentativen Grundlagen. Eines der Ergebnisse ist, daß die meisten der damals anzutreffenden Argumente heute wohl kaum mehr heranzuziehen wären (etwa Argumente mit Hilfe der Fauna ..., z. B. zu 41,19). Als den Hauptgrund für die allgemeinere Akzeptanz wie schon für die Genesis der babylonischen Option macht B. das aus, was er als den "Mythos des leeren Landes" ("The Myth of the Empty Land", vor allem 77-88) bezeichnet und in einer fast zeitgleich erschienenen Monographie ausführlicher beschrieben hatte (B., The Myth of the Empty Land. A Study in the History and Archaeology of Judah During the "Exilic" Period. Oslo 1996). Diese vor allem durch das chron. Werk, aber auch durch Jeremia und Ezechiel vorgegebene Sicht, Juda sei während des Exils zugunsten Babylons tendenziell entvölkert gewesen, sei der (mehr oder weniger bewußt reflektierte) Hauptgrund für die babylonische Beheimatung des Propheten Dtrjes. Meines Erachtens minimiert der Autor nun doch gravierend die Folgen der Katastrophe von 587/6 (bes. 85 f.) für Juda oder ins Exil nach Babel geführte bzw. "freiwillig" anderswohin gehende Teile der Bevölkerung. Auch muß dann doch die Frage bedacht werden, warum es in der späteren Zeit immer wieder zu Interventionen in Juda von jüdischen Gruppen aus dem babylonisch (-persisch)en Raum kommt (Rückkehrer nach Kyrus-Erlaß; Nehemia; Esra), die eine deutliche Führungsrolle der babylonischen Exulanten anzeigen dürften. Und: Auch Dtrjes arbeitet schon an diesem Mythus mit (vgl. 44,24-28). Verrät das nicht doch (für bestimmte Teile von Jes 40-55!) ein Interesse und eine Sichtweise, die nicht palästinischer Provenienz ist? Dagegen sind die Proportionen im Zion-Teil (Kap. 49-55) andere: Die "Kinder" Zions sind im Exil, aber die Frau=Stadt Zion/Jerusalem ist vorhanden, wenngleich in einem kläglichen, insuffizienten Zustand. Hier dürfte weiter zu denken und damit auch die von B. zugrundegelegte Einheitlichkeit der Kap. 40-55 zu problematisieren sein.

Etwas selbstwidersprüchlich empfinde ich noch B.s Überlegungen zu Jes 52,11 ("Zieht aus von dort!"), wobei er "dort" auf das zuvor genannte Jerusalem bezieht (vgl. 66-70, mit der Annahme, es liege hier Heilige-Kriegs-Terminologie vor). Liegt es nicht doch näher, hier an eine Aufnahme von 48,20 zu denken und "dort" doch, wie es üblicherweise gemacht wird, auf Babylon zu beziehen? Daß damit eine doch wohl palästinische Perspektive gewählt ist (was bei B.s Auffassung wieder problematisierbar wäre), scheint mir kaum bezweifelbar zu sein.

Liest man B.s Buch freilich als Warnung vor einer vorschnellen Dogmatisierung der babylonischen Verortung von Kap. 40-55 insgesamt, erweist es seine elementare Berechtigung.