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Ausgabe:

Mai/2000

Spalte:

513 f

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Darr, John A.

Titel/Untertitel:

Herod the Fox. Audience Criticism and Lukan Characterization.

Verlag:

Sheffield: Sheffield Academic Press 1998. 241 S. 8 = Journal for the Study of the New Testament, Suppl.Series 163. Lw. £ 37.50. ISBN 1-85075-883-2.

Rezensent:

Roman Heiligenthal

Die Untersuchung wurde 1987 unter dem Titel "Glorified in the Presence of Kings" als Dissertation an der Vanderbilt University angenommen. Zur Drucklegung wurde sie vom Autor nur leicht überarbeitet und unter dem neuen Titel "Herod the Fox" veröffentlicht. Der Autor geht von der Beobachtung aus, dass Herodes Antipas in den Hauptteilen des lukanischen Doppelwerks mit Ausnahme der Geburtsgeschichten und den Schlusspassagen der Apg eine durchgehende Rolle spielt. An diesem Punkt unterscheidet sich Lukas charakteristisch von seinen Seitenreferenten. Es geht dem Autor also nicht um eine historische Untersuchung zur Rolle des Herodes im frühen Christentum, sondern um die literarische Rolle des Königs innerhalb der lukanischen Schriften.

In den ersten vier Kapiteln legt der Vf. Rechenschaft über die von ihm gewählte Methode zur Erschließung der Bedeutung des Herodes innerhalb der lukanischen Gesamterzählung ab. Darr wählt einen eklektischen Ansatz, der auch textpragmatische Aspekte wie den historischen, sozialen und literarischen Kontext, sowie die Beziehungen zwischen Text und Autor und Rezipienten berücksichtigt. Ausdrücklich grenzt er sich damit von der rein textimmanenten Betrachtungsweise des "New Critizism", aber auch von dem vormals in Deutschland bestimmenden redaktionskritischen Ansatz ab. Auf diesem Hintergrund interpretiert er auf der einen Seite Lukas holistisch, da angenommene Quellen oder redaktionelle Stoffe den erzählerischen Duktus nicht berühren. Andererseits versucht er die Gestalt des Herodes auch kontextuell zu begreifen, da Lukas auch soziale, historische, geographische und kulturelle Sachverhalte zur erzählerischen Gestaltung seines geschichtstheologischen Entwurfs verwendet.

Innerhalb des lukanischen geschichtstheologischen Entwurfs ist die Gestalt des Herodes ein durchgehendes Kontinuum; er nimmt eine verbindende Funktion zwischen den unterschiedlichen Stufen der lukanischen Erzählung ein. Der Tetrarch tritt hierbei den Protagonisten des Heilsdramas als der typische politische Opponent gegenüber. Auf diese Weise kann Lukas die Figur "Herodes" zur Darstellung seiner Sicht der Rolle des frühen Christentums in seiner politischen Umwelt verwenden. Gleichzeitig benutzt Lukas Herodes auch dazu, die Rolle Johannes des Täufer und diejenige Jesu in aktueller Transparenz auf dem Hintergrund des traditionellen alttestamentlichen (LXX) Gegensatzes zwischen Propheten und (bösem) König zu akzentuieren. In anderen Passagen (Lk 13,31-35; 23,6-12) ist Herodes Repräsentant des konventionellen hellenistischen Gegensatzes von Philosoph und Tyrann. Mit Hilfe dieses Gegensatzes werden die charismatischen Tugenden Jesu in einer besonderen Weise hervorgehoben. Nach D. zeigt sich hierin eine lukanische Tendenz, Jesus zu idealisieren. Daneben spiegelt sich in Herodes Antipas auch die Reaktion vieler Außenstehender, die die Botschaft hören, aber nicht verstehen. Herodes ist Typus derjenigen, die vieles über Jesus wissen, seine Bedeutung aber nicht erkennen (Apg 9,7.9; 23,8).

Der Vf. hat mit seiner präzisen und mit methodischen Reflexionen ausführlich unterfütterten Studie einen wichtigen, bisher ausstehenden Beitrag zum Verständnis der lukanischen Erzähltechnik geleistet und bietet zugleich einen hilfreichen Beitrag über die Möglichkeiten und Grenzen prosopographischer Studien im Neuen Testament.