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Ausgabe:

Mai/2021

Spalte:

470–472

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Fricke, Michael, Langenhorst, Georg, u. Thomas Schlag [Hgg.]

Titel/Untertitel:

Jugendbibeln. Konzepte, Konkretionen, religionspädagogische Chancen.

Verlag:

Freiburg i. Br.: Verlag Herder 2020. 264 S. Kart. EUR 35,00. ISBN 9783451386329.

Rezensent:

Anne Polster

Kinderbibeln gibt es in Hülle und Fülle. Doch für die spezifische Altersgruppe Jugend liegen weit weniger Bibelausgaben vor. Zudem ist es bislang kaum geklärt, was in besonderer Weise Bibelausgaben für Jugendliche bis hinein ins junge Erwachsenenalter auszeichnet. Praktisch-theologisch ist die Thematik der Jugendbibeln als ein Teilbereich des Themenkomplexes »Kinderbibeln« zu verorten, der als Oberbegriff für verschiedene Bibelgattungen wie Kinderbibeln im engeren Sinne oder Schulbibeln zu verstehen ist. Als Sondierungs- und Diskussionsforum für das Forschungsfeld »Jugendbibeln« verstand sich das IX. Internationale Forschungskolloquium »Kinderbibeln«, das im September 2019 an der Universität Regensburg stattfand. Die Tagungsvorträge, ergänzt durch einzelne zusätzliche Beiträge, wurden herausgegeben von Michael Fricke (Professor für Evangelische Theologie mit Schwerpunkt Religionspädagogik und Didaktik des Religionsunterrichts), Georg Langenhorst (Professor für Didaktik des katholischen Religionsunterrichts) und Thomas Schlag (Professor für Praktische Theologie mit den Schwerpunkten Religionspädagogik, Kirchentheorie und Pastoraltheologie).
Der Band gliedert sich in drei Themenkreise: Konzeptionen, Konkretionen und religionspädagogische Chancen. Da eine selbständige Bibellektüre unter Jugendlichen, wenn den entsprechenden Umfragen zu trauen ist, die Ausnahme bildet (Schlag, 256), ist die Anlage des Bandes konsequent durchgeführt, indem die Thematik der Jugendbibeln in den Horizont der Bibeldidaktik eingezeichnet wird und darüber hinaus an den weiteren Kontext der Kinder- und Jugendtheologieforschung zurückgebunden wird. Für eine exemplarische Lektüre des Bandes eignet sich der zusammenfassende und weiterführende Beitrag von Thomas Schlag, auf den noch detaillierter eingegangen wird. Von dort aus sind geeignete Vertiefungen zu wählen. Wer als Bildungsakteur in Schule und Gemeinde auf der Suche nach einer geeigneten Bibel für die Hand der Jugendlichen ist, dem sei der Beitrag von Nadja Boeck empfohlen, der Kriterien an die Hand gibt, die eine reflektierte Auswahl einer Bibelausgabe erleichtern.
Im ersten Teil »Konzeptionen« spiegelt sich in besonderer Weise der sondierende Charakter des Forschungskolloquiums. Auf der Suche nach Definitionen und Kategorisierungen der Gattung »Jugendbibel« werden in den Beiträgen verschiedene Aspekte und typische Merkmale von Jugendbibeln fokussiert, wie etwa jugendgemäße Bildprogramme oder zusätzliche Texte und Beigaben. Bei aller Freude über exegetisch solide, ästhetisch ansprechende und entwicklungspsychologisch fundierte Jugendbibelausgaben, die in diesem Abschnitt vorgestellt werden, ist mit Bruno Landthaler ein wunder Punkt zu markieren: Die schönste Jugendbibel wird kaum ihren Zweck erfüllen, wenn die Ziele der Bildungsprozesse, in denen sie verwendet wird, nicht ausreichend präzise gefasst werden (119). Die kontinuierliche Lektüre dieses ersten Teils wird durch die wiederholten, sich tendenziell ähnlichen Annäherungen gelegentlich mühsam. Übergeordnete Linien zu ziehen bleibt an dieser Stelle den Lesern und Leserinnen selbst überlassen.
Im zweiten Teil »Konkretionen« kommen Herausgeber von drei Jugendbibeln und einer App selbst zu Wort und legen jeweils konzeptionelle Entscheidungen offen. Jugendtheologisch ist an dieser Stelle vor allem von Interesse, wie und an welchen Stellen des Entstehungsprozesses Jugendliche beteiligt waren. Die Jugendbibel der katholischen Kirche ist beispielsweise nicht nur eine Bibel für Jugendliche, sondern durch die frühe Einbindung von jungen Menschen in die Entstehung eine Bibel mit Jugendlichen. Die Volxbibel geht hier noch einen Schritt weiter: Prinzipiell alle Interessierten können an der Übertragung der Bibel in einen heutigen Sprachgebrauch mitwirken und dazu beitragen, dass diese Ausgabe eine Bibel von jungen Menschen wird.
Der dritte Teil des Bandes, »Religionspädagogische Chancen«, widmet sich schließlich dem bibeldidaktischen Horizont der Thematik und enthält unter anderem eine Analyse der gegenwärtigen Interessenslagen Jugendlicher und didaktische Vorschläge. Bedenkenswert ist Martina Steinkühlers nachdrückliche Forderung einer konsequenten bibeldidaktischen Subjektorientierung, in der sich der Wunsch spiegelt, »Jugendlichen durch wertvolle Texte wertvolle Anstöße geben zu können« (201). Den Schluss- und Höhepunkt des Bandes bildet zweifelsohne der abschließende Beitrag von Thomas Schlag. Er leistet nicht nur eine Zusammenschau der bisherigen Beiträge, sondern vertieft diese, indem er sie in den weiteren Kontext jugendtheologischer Erkenntnisse stellt. Hier finden sich außerdem die im ersten Teil vermissten übergeordneten Linien und grundlegenden Reflexionen. Auf der Basis der Beiträge des Ta­gungsbandes charakterisiert Schlag Jugendbibeln als Kinder ihrer Zeit. In ihnen spiegelt sich ein gewisses Bild der Jugendgeneration – wie treffend es jeweils auch immer sein mag – und damit verbunden gesellschaftliche, kirchliche und schulische Erwartungen. Die komplexen Wahrnehmungs- und Erwartungslagen, die sich in Jugendbibeln reflektieren, stehen »in einer durchaus unabgeglichenen Spannung zwischen Deskription und Normativität, welche Fähigkeiten Jugendliche für die Annäherung an biblische Texte schon aufweisen, welche eben nicht und welche sie demzufolge durch den Bibelgebrauch im Einzelnen erwerben sollten« (246). Schlag macht infolgedessen darauf aufmerksam, dass Jugendbibeln nicht zweckfrei, »sondern von einer oder mehreren der oben ge­nannten Interessenslagen – notabene der Erwachsenenwelt – getragen und motiviert« sind (246). Als ein zentrales Kriterium einer Jugendbibel, die nicht hinter das Prinzip der Subjektorientierung zurückgeht und Jugendliche nicht vereinnahmt, benennt Schlag ihre Deutungs- und Interaktionsoffenheit (250). An dieser und nicht an Umfang und Machart entscheidet sich letztlich, ob eine Jugendbibel Resonanz zwischen Text und Rezipienten erzeugen kann. Schließlich zeichnet Schlag die Thematik der Jugendbibel und der Bibeldidaktik in die jugendtheologische Trias (von/mit/für Jugendliche) ein. Dies bietet einen geeigneten Rahmen, um »Indoktrinations- und Überwältigungsversuche zu vermeiden und die Zielsetzung gelingender Kommunikation über Glaubens- und Lebensfragen sensibel zu formulieren« (255). Mit Schlag bleibt zu wünschen, dass die offene Frage nach der Rezeption von und der jugendtheologischen Praxis mit Jugendbibeln in der weiteren Forschung verstärkt Aufmerksamkeit erfahren möge (258).