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Ausgabe:

Mai/2000

Spalte:

687–490

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

De Silva, Lynn A.

Titel/Untertitel:

Mit Buddha und Christus auf dem Weg. Einleitung von P. Höhensteiger, Nachwort von A. Pieris.

Verlag:

Freiburg-Basel-Wien: Herder 1998. 220 S. 8 = Theologie der Dritten Welt, 24. Kart. DM 39,80. ISBN 3-451-26676-8.

Rezensent:

Perry Schmidt-Leukel

Zu den wirkungsvollsten Pionieren des christlich-buddhistischen Dialogs gehört zweifellos der singhalesische methodistische Theologe Lynn A. de Silva (1919-1982). John Hick würdigte in seinem Vorwort zur zweiten Auflage von de Silvas Hauptwerk "The Problem of the Self in Buddhism and Christianity" dessen Theologie als zukunftsweisendes Modell. Im ÖRK gehörte de Silva schon früh zu den engagiertesten Verfechtern indigenisierter und interreligiös ausgerichteter Theologie und nahm maßgeblichen Einfluss auf die Etablierung des Dialogprogramms des ÖRK. In seinem Heimatland Sri Lanka gründete er das "Ecumenical Institute for Study and Dialogue" sowie die Zeitschrift "Dialogue", die nach de Silvas Tod von seinem Mitarbeiter Aloysius Pieris weitergeführt wurde. Während die Arbeiten von Pieris hierzulande gut bekannt und zahlreiche seiner Beiträge inzwischen auch ins Deutsche übersetzt sind, waren mit dem Werk de Silvas - trotz dessen internationaler Resonanz - in Deutschland bisher nur wenige Experten vertraut. Umso begrüßenswerter ist es, dass nun in der verdienstvollen Reihe "Theologie der Dritten Welt" auch eine repräsentative Auswahl aus den Schriften de Silvas erstmals einem deutschen Leserkreis zugänglich gemacht wird.

Dialog mit dem Buddhismus als Grundvoraussetzung einer kontextualisierten asiatischen Theologie - dieses Programm blieb bei de Silva nicht ohne Folgen. Über drei Jahrzehnte hinweg hatte de Silva zunächst einen theologischen Ansatz entwickelt, der dem Muster frühchristlicher Apologetik und der Vorgabe von Tillichs Korrelationsmethode folgte: In einem buddhistisch geprägten Kontext sei die christliche Botschaft so zu formulieren, dass sie als Antwort auf die vom Buddhismus artikulierten Grundfragen menschlicher Existenz vernehmbar werde. Den Angelpunkt bildete für de Silva dabei die buddhistische Daseinsanalyse, wie sie in der "tilakkhana-Lehre", der Lehre von den drei Daseinsmerkmalen (anicca = Vergänglichkeit, dukkha = Leidhaftigkeit, anatta = Ichlosigkeit) zusammengefasst ist. De Silva war der Überzeugung, dass sich die Grundzüge dieser Lehre christlich ohne weiteres akzeptieren lassen. Die christliche Botschaft müsse daher keineswegs der buddhistischen Sicht des Menschen grundsätzlich widersprechen, sondern bringe vielmehr die Antwort auf die in der tilakkhana-Lehre ausgedrückte Erlösungsbedürftigkeit. Dabei bezog sich de Silva insbesondere auf die Trinitätslehre: Die Ewigkeit des Vaters ist die Antwort auf die Einsicht in die Vergänglichkeit der Welt, der Sohn ist der Erlöser von leidvoller Daseinsangst, und der Geist gibt dem Menschen jene personale Orientierung, die dieser von sich aus entbehrt.

Indem de Silva die Korrelation von buddhistischer tilakkhana- und christlicher Trinitätslehre immer weiter vertiefte und ausbaute, vollzog sich hierbei jedoch ein unerwarteter Lernprozess. De Silva wurde sich zunehmend der Einseitigkeit des Schemas "dort die Frage, hier die Antwort" bewusst und lernte, die Antworten des Buddhismus zu verstehen und als gültig zu werten. So gelangte de Silva gegen Lebensende zu einer neuen Sichtweise, derzufolge nicht mehr buddhistische Frage mit christlicher Antwort, sondern vielmehr buddhistische und christliche Antworten miteinander zu korrelieren seien und zwar als verschiedene, aber dennoch gleichermaßen solide Antworten. Den Schlüssel hierfür bildete seine schon früh vertretene, aber erst jetzt in ihren Konsequenzen voll erfasste Auffassung, wonach alle menschliche Rede von einer göttlichen bzw. transzendenten Wirklichkeit diese nur in der Brechung durch die jeweiligen Transzendenzerfahrungen zu beschreiben vermag. Die impersonalen Transzendenzvorstellungen des Buddhismus und die personale Gottesvorstellung des Christentum sind nach dem späten de Silva nicht als unversöhnlicher Gegensatz aufzufassen, sondern als Ausdruck zweier komplementärer Pole menschlicher Transzendezerfahrung: die Erfahrung von Unbedingtheit (ultimacy) und von Vertrautheit (intimicy).

Die hier nur grob skizzierte Entwicklung im Denken de Silvas wird durch die Auswahl der Texte dieses Bandes gut illustriert: Die drei Texte des ersten Teils entstammen den Jahren 1967, 1970 und 1979 und zeigen das ursprüngliche Projekt sowie die Vertiefung von de Silvas ursprünglichem Ansatz. Der zweite Teil enthält drei posthum publizierte Aufsätze, die den Umbruch in de Silvas Denken deutlich machen. Die von P. Höhensteiger verfasste, sehr kundige Einleitung vermittelt dem Leser einen systematischen Überblick zu Person und Werk de Silvas; das sehr persönliche Nachwort von A. Pieris lässt die Bedeutung erspüren, die de Silva für Pieris eigenen Weg gehabt hat.

De Silvas Arbeiten sind nicht nur hinsichtlich zahlreicher Einzelfragen des christlich-buddhistischen Dialogs ausgesprochen relevant. Vielmehr illustriert seine theologische Entwicklung einen Prozess, der für eine ganze Reihe von Theologen, die sich während der letzten Jahrzehnte in den interreligiösen Dialog vertieft haben, typisch und charakteristisch ist: Aus dem Wunsch, das Evangelium in einer dem Dialogpartner adäquaten Weise zu vermitteln, folgte eine intensive Bemühung um das Verständnis des anderen Glaubens, dessen Resultate schließlich zu einem veränderten Selbstverständnis führten. Für einen Teil der christlichen Beobachter mögen solche Vorgänge anzeigen, wie gefährlich es ist, sich überhaupt auf das Wagnis eines solchen Dialogs einzulassen. Für andere zeigen sie an, wie essentiell dieser Dialog für die Zukunft der Theologie ist.