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Ausgabe:

April/2000

Spalte:

444 f

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Adam, Gottfried, Kollmann, Roland, u. Annebelle Pithan [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Mit Leid umgehen. Dokumentationsband des sechsten Würzburger Religionspädagogischen Symposiums.

Verlag:

Münster: Comenius-Institut 1998. 300 S. m. Abb. gr.8.

Rezensent:

Christian Grethlein

Das Würzburger Religionspädagogische Symposium, 1986 vor allem von Gottfried Adam und Roland Kollmann als ein Forum zum Dialog zwischen Religions- und Sonderpädagogik initiiert, fand 1998 zum sechsten und letzten Mal statt. Der vorliegende Band dokumentiert die dabei gehaltenen Vorträge.

Inhaltlich spannen seine 23 Beiträge einen weiten Bogen von meditativen Betrachtungen über informative Berichte bis hin zu didaktischen Abhandlungen. Leider ist es unmöglich, in einer Rezension der hier präsentierten Fülle und den dabei aufgeworfenen Fragen auch nur annähernd gerecht zu werden. Dies ist um so bedauernswerter, weil das Sachproblem des Dialogs zwischen Religions- und Sonderpädagogik, hier auf die Frage des Umgangs mit dem Leid fokussiert, weit über die beiden Fächer (und den Bereich der Seelsorge) hinausreicht und Fragen nach dem Menschenbild impliziert, die die Grundlagen von Pädagogik und Theologie betreffen (und erhebliche Lücken in deren jeweiligem Begründungszusammenhang aufdecken). Es kann hier nur auf einige wenige Beiträge hingewiesen werden, die für die religionspädagogische Arbeit besondere Beachtung verdienen, ohne deshalb die Bedeutung der nicht explizit erwähnten schmälern zu wollen:

Für die wohl noch zum Teil erst vor uns liegende Ost-West-Diskussion gibt Dorothea Dubiel ("Wie mit Leid umgehen? Beobachtungen zum Thema in der ehemaligen DDR", 47-61) wichtige Informationen. Beachtung verdienen im Sinne des unverzichtbaren Subjektbezugs religionspädagogischer Reflexion die Berichte von Menschen, die selbst behindert bzw. Angehörige von Behinderten sind, und tastend Überlegungen zum Sinn ihres Leidens anstellen (z. B. Herwig Sander "Schlaganfall - und dann?", 81-83; Carsten Rensinghoff "Leben mit einem schweren Schädel-Hirntrauma. Persönliche Anmerkungen zu einer gesellschaftlichen Situation", 85-95). Dabei werden die dunklen Seiten nicht verborgen (s. z. B. Ingrid König/Jürgen Danielowski "Am Leben verzweifeln? Arbeit mit schwerstmehrfachbehinderten Menschen zwischen Hinwendung und Verzweiflung", 129-141), aber auch die erstaunlichen Kräfte von Kindern dargestellt, sich mit schwerer Krankheit und Sterben-Müssen abzufinden (s. Ulrike Puyn "Bildnerisches Gestalten in der ärztlichen Sterbebegleitung von Kindern und Jugendlichen", 161-175, mit ergreifendem Bildmaterial). Bei den Hinweisen zur religionspädagogischen Arbeit im engeren Sinn finden erfreulicherweise sowohl Schule und Gemeinde (hier der Konfirmandenunterricht) Berücksichtigung (z. B. Jens Boenisch "Hiobsbotschaft oder Hiobs Botschaft? Religionspädagogische Aspekte zur Lebensbewältigung kranker und körperbehinderter Kinder", 177-188; Astrid Curtius "Erfahrungen aus der integrativen Konfirmandenarbeit", 217-229). Schließlich erweitern Artikel zur Situation behinderter Menschen in Schweden (Lena Petersson "Konfirmandenarbeit mit behinderten Jugendlichen in Schweden", 231-238, und "Die Situation von Menschen mit Behinderungen in der Gesellschaft und in der Kirche Schwedens", 277-281) und der Sonderpädagogik in Jordanien sowie ein Ausblick auf die kontroverse Diskussion zur Integration auf europäischer Ebene den Blickwinkel und geben für die deutsche Diskussion wichtige Anregungen.

Insgesamt kann angesichts der nach wie vor bestehenden weitgehenden Verdrängung von Behinderung auch aus der theologischen Reflexion und manchem erschreckenden "philosophischen" Beitrag in den Massenmedien zu Fragen der genetischen Medizin den Initiatoren des Würzburger Religionspädagogischen Symposiums nur nachdrücklich gedankt werden. Sie haben durch die vorliegenden sechs Dokumentationsbände in unterschiedlicher Weise auf die Würde behinderter Menschen hingewiesen und eine wichtige Grundlage für den weiteren Dialog zwischen Religions- und Sonderpädagogik geschaffen. Das dem hier zu besprechenden Band beigegebene Sachregister für alle vorliegenden Bände erleichtert - trotz gewisser Lücken - die vor uns liegende Arbeit, von der Impulse für Theologie und Pädagogik zu erhoffen sind und für die man im Interesse einer menschlichen Gesellschaft nachhaltige Unterstützung wünscht.