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Ausgabe:

Dezember/1998

Spalte:

1195–1198

Kategorie:

Altertumswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Raban, Avner, and Kenneth G. Holum [Eds.]

Titel/Untertitel:

Caesarea Maritima. A Retrospective after two Millennia.

Verlag:

Leiden-New York-Köln: Brill 1996. XLIV, 694 S. m. zahlr. Abb., 3 Farbtaf., 3 Faltpläne 4 = Documenta et Monumenta Orientis Antiqui, 21. Lw. hfl 412.-. ISBN 90-04-10378-3.

Rezensent:

Peter Pilhofer

Der anzuzeigende Sammelband bringt Beiträge, die bei einem Symposion in Caesarea in der Zeit vom 3.-11. Januar 1995 vorgetragen worden sind. Er ist Baron Edmond de Rothschild gewidmet, dem Mäzen der Ausgrabungen von Caesarea. Solches Mäzenatentum wäre auch andern Städten der alten Welt dringend zu wünschen!

In ihrer Introduction (Caesarea and Recent Scholarship) führen die Herausgeber in die Geschichte der Stadt, ihre archäologische Erforschung sowie die Beiträge des vorliegenden Bandes ein.

Die erste Abteilung befaßt sich mit "Ancient Harbors: Geomorphological Challenge and Technological Response" und enthält drei Beiträge: Yossi Mart und Ilana Perecman befassen sich mit tektonischen Prozessen, die für den Hafen von Caesarea von Bedeutung sind (Caesarea: Unique Evidence for Faulting Patterns and Sea Level Fluctuations in the Late Holocene). Christopher Brandon (Cements, Concrete, and Setting Barges at Sebastos: Comparisons with Other Roman Harbor Examples and the Descriptions of Vitruvius) diskutiert den Spezialbeton, mit dessen Hilfe römische Ingenieure die Fundamente für die Molen des Hafens legten: Er war unter anderem mit vulkanischer Asche (pozzolana) angereichert, welche ein Abbinden des Betons unter Wasser ermöglichte. Die pozzolana, die in Caesarea verbaut wurde, ist eigens aus der Vesuvregion herangeschafft worden. Die verschiedenen (z. T. aus Vitruv bekannten) Verfahren zur Konstruktion von Fundamenten unter Wasser werden durch zahlreiche Abbildungen veranschaulicht. David J. Blackman: "Further Evidence for the Use of Concrete in Ancient Harbor Construction" schließt die erste Abteilung ab.

"Caesarea and Comparative Harbor Studies" ist die zweite Abteilung überschrieben. Elpida Hadjidaki vergleicht den vorherodianischen Hafen von Stratonsturm mit einem kretischen Pendant (The Hellenistic Harbor of Phalasarna in Western Crete: A Comparison with the Hellenistic Inner Harbor of Straton’s Tower), während Piero A. Gianfrotta die Häfen aus dem Golf von Misenum bespricht (Harbor Structures of the Augustan Age in Italy): Hier findet sich dieselbe hydraulische Betontechnik wie in Caesarea; die dort verbaute pozzolana war als Fracht für die ansonsten leer in den Osten zurückkehrenden Getreideschiffe ideal. Robert L. Hohlfelder (Caesarea’s Master Harbor Builders: Lessons Learned, Lessons Applied?) vertritt die These, daß nicht nur pozzolana und Holz importiert wurden, sondern auch Fachleute (die man nicht "engineers", sondern besser "master builders" nennen sollte) aus Italien angefordert wurden (vgl. die Anfrage des Plinius, Ep. X 37.39), die die in Caesarea gewonnene Erfahrung beim Bau des Hafens von Paphos auf Zypern gleich wieder anwandten.

Die dritte Abteilung befaßt sich mit "Caesarea’s City Plan and Urban Architecture". Yosef Porath (The Evolution of the Urban Plan of Caesarea’s Southwest Zone: New Evidence from the Current Excavations) unterscheidet drei Phasen für das römisch-byzantinische Caesarea: 1. Die herodianische (22 v. Chr.-6 n. Chr.); 2. die frühe römische (die Stadt als Sitz der Prokuratoren und - nach 70 n. Chr. - wichtigster Ort in Palästina); 3. die römisch-byzantinische (1. H. 2. Jh.-6. Jh.). Der Aufsatz von John H. Humphrey ("Amphitheatrical" Hippo-Stadia) nimmt leider keine Notiz von dem in Thessaloniki unlängst gefundenen "Theater-Stadion" (vgl. Giorgos Velenis/Polyxeni Adam-Veleni: To theatro-stadio ste Thessalonike, Archaiologia 46 (1993), 69-75, und die dort zitierte ältere Literatur). Lisa C. Kahn (King Herod’s Temple of Roma and Augustus at Caesarea Maritima) versucht aufgrund einiger weniger gefundenen Architekturglieder eine Rekonstruktion der "Temple elevation" (vgl. Abb. 8 auf 144); dabei erweisen sich Vergleiche mit den herodianischen Tempeln in Samaria-Sebaste und Jerusalem als hilfreich. Joseph Patrich stellt die vier Typen von horrea vor, die in Caesarea ausgegraben worden sind, und diskutiert die Frage ihres Managements; sie unterstanden wohl dem Provinzstatthalter und nicht munizipalen oder kirchlichen Autoritäten, obgleich Einzelfunde für die letztere Möglichkeit ins Feld geführt werden könnten (Warehouses and Granaries in Caesarea Maritima).

Fred L. Horton (A Sixth-Century Bath in Caesarea’s Suburbs and the Transformation of Bathing Culture in Late Antiquity) kommt zu dem Ergebnis, daß das Bad außerhalb der Stadtmauer trotz seiner bescheidenen Dimensionen - das caldarium konnte nur von zwei Personen gleichzeitig genutzt werden - ein kommerzielles und kein privates gewesen ist.

Die vierte Abteilung steht unter der Überschrift: "The Promontory Palace: Architecture and Power". Sie wird von Ehud Netzer (The Promontory Palace) eröffnet, der insbesondere andere Paläste des Herodes zur Interpretation der archäologischen Befunde heranzieht. Den Einfluß der beiden Rom-Besuche Herodes des Großen (40 und 17 v. Chr.) auf die Planung Caesareas erörtert Kathryn Louise Gleason (Ruler and Spectacle: The Promontory Palace); insbesondere der von Herodes intendierte Zusammenhang des Palastes mit dem Theater und dem Amphitheater ist auf diesem Hintergrund zu interpretieren. Die weitere Geschichte des Palastes - er diente den römischen Statthaltern als praetorium - behandelt Barbara Burrell (Palace to Praetorium: The Romanization of Caesarea); im Neuen Testament wird dieses praetorium in Apg 23,35 als Gefängnis des Paulus erwähnt (keleusas en to praitorio tu Hrodu phylasseothai anton).

Die Skulptur ist das Thema der fünften Abteilung: "Sculpture from Caesarea, Public and Private". Moshe Fischer gibt einen Überblick über die wichtigsten Stücke (Marble, Urbanism, and Ideology in Roman Palestine: The Caesarea Example). Yehudit Turnheim und Asher Ovadiah befassen sich mit "Miscellaneous Ornamented Architectural Elements in Roman Caesarea". Die meisten dieser Marmorblöcke stammen aus dem Theater und "have never been systematically published." Die Götterdarstellungen aus Caesarea sind das Thema von Rivka Gersht (Representations of Deities and the Cults of Caesarea).

Die sechste Abteilung wendet sich der Wirtschaft und der Gesellschaft zu: "Caesarea’s Economy and Society: The Evidence of Objects". Zur Methode der Auswertung von Keramik äußert sich Jeffrey A. Blakely (Toward the Study of Economics at Caesarea Maritima). Allein von den Ausgrabungen in den 70er und 80er Jahren harren mehr als 20 Tonnen der Analyse! Lampen aus römischer, byzantinischer und frühislamischer Zeit präsentiert Varda Sussman (Caesarea Illuminated by its Lamps). Funde aus den Ausgrabungen zwischen 1980 und 1985-591 keramische und 303 nichtkeramische Stücke - diskutiert John Peter Oleson (Artifactual Evidence for the History of the Harbors of Caesarea); sie erlauben s. E. Rückschlüsse auf die Intensität des Hafenverkehrs, die im 1. Jh. v. Chr./1. Jh. n. Chr. einen Höhepunkt erreichte.

Die Lektüre der siebten Abteilung (Caesarea and its People in the Light of Inscriptions) wird durch das Fehlen eines Corpus Inscriptionum Caesareae Maritimae erschwert (das passim als "forthcoming" in Aussicht gestellte Werk von Clayton M. Lehmann/Kenneth G. Holum: The Greek and Latin Inscriptions of Caesarea Maritima ist bisher noch nicht erschienen). Clayton M. Lehmann (The City and the Text) bietet die behandelten Inschriften in der Regel lediglich in englischer Übersetzung - ein wenig erfreulicher Notbehelf, wie ich finde. Einer besonders interessanten Klasse von Inschriften - den Synagogeninschriften - widmet sich Lee I. Levine (Synagogue Officials: The Evidence from Caesarea and its Implications for Palestine and the Diaspora). Einen Katalog der arabischen Inschriften bringt abschließend Moshe Sharon (Arabic Inscriptions from Caesarea Maritima: A Publication of the Corpus Inscriptionum Arabicarum Palaestinae).

Abteilung 8 befaßt sich mit den jüdischen und christlichen Bewohnern Caesareas (The Jewish and Christian Communities: Society and Thought). Ze’ev Weiss diskutiert rabbinische Materialien, um die Haltung der jüdischen Bevölkerung in bezug auf "Brot und Spiele" zu erhellen (The Jews and the Games in Roman Caesarea). Die Untersuchung des halachischen Status der Stadt Caesarea wird durch den Befund erschwert, daß die einschlägigen Quellen sich auf Stratonsturm und Caesarea sowie auf den Hafen Sebastos (Portus Augusti) beziehen, und das Verhältnis dieser Lokalitäten zueinander schwer zu bestimmen ist (Ephrat Habas: The Halachic Status of Caesarea as Reflected in the Talmudic Literature). Haggadischen Traditionen aus dem Umkreis Caesareas wendet sich Marc Hirshman zu (Reflections on the Aggada of Caesarea). David T. Runia versucht zu zeigen, daß die Überlieferung der erhaltenen Werke des Philon in erster Linie der Bibliothek in Caesarea verdankt wird; aber auch viele Vorgänger des Philon waren einzig in dieser Bibliothek gesammelt - Origenes habe das gesamte Material aus Alexandria mitgebracht (Caesarea Maritima and the Survival of Hellenistic-Jewish Literature). Den Abschluß bildet Hayim Lapin: "Jewish and Christian Academies in Roman Palestine: Some Preliminary Observations".

War auch bisher schon des öfteren von Origenes und Euseb die Rede, so wendet sich Abteilung 9 ihnen nun ausdrücklich zu: "Origen, Eusebius, and their Influence". Mit Euseb befaßt sich zunächst Lorenzo Perrone (Eusebius of Caesarea as a Christian Writer), ohne daß jedoch ein Bezug auf Caesarea erkennbar würde. Dies ist nicht im Sinne eines Vorwurfs gemeint: "For the historian of Caesarea in the Late Roman period ... the literary heritage of Origen and Eusebius must be considered a disappointment in certain respects. One pours over their voluminous writings in the vain hope of catching even the slightest glimpse of the immediate urban setting in which they lived and worked", wie David Satran zutreffend bemerkt (The Idea of the City in Early Christian Thought: Caesarean Perspectives; 531). Einer Spezialfrage wendet sich Hélène Ahrweiler (Eusebius of Caesarea and the Imperial Christian Idea) zu.

"Caesarea and Palaestina" ist Abteilung 10 überschrieben. Das römische Straßennetz untersucht Israel Roll (Roman Roads to Caesarea Maritima): Nicht weniger als sieben viae publicae führten nach Caesarea. Die Rivalität der Bischöfe von Caesarea und Jerusalem behandelt Ze’ev Rubin (The See of Caesarea in Conflict with Jerusalem from Nicaea ... to Chalcedon ...). Leah Di Segni beschließt diesen Abschnitt mit Erwägungen zum Thema "Metropolis and Provincia in Byzantine Palestine."

"Issues in the Archaelogy and History of Caesarea" - Abteilung 11 - ist ein mixtum compositum. Robert R. Stieglitz behandelt Probleme, die die Vorgängersiedlung von Caesarea betreffen (Stratonos Pyrgos - Migdal Sar - Sebastos: History and Archaeology). Dan Barag geht der Frage nach, warum Caesarea als bei seinem Hafen liegend beschrieben wird: Kaisaria he pros Sebasto Limeni heißt es auf den Münzen (The Legal and Administrative Status of the Port of Sebastos during the Early Roman Period). Kenneth G. Holum zeigt, daß die buleutaí in Caesarea bis zur muslimischen Eroberung der Stadt im Jahr 641 "funktionierten" (The Survival of the Bouleutic Class at Caesarea in Late Antiquity). Die Entwicklung der Hafenanlage beschreibt Avner Raban (The Inner Harbor Basin of Caesarea: Archaeological Evidence for its Gradual Demise).

Die abschließende 12. Abteilung steht unter der Überschrift "Archaeological Research and Public Response" und umfaßt zwei Beiträge: Die entscheidende Rolle, die archäologischen Laien bei Unterwasserarchäologieprojekten zukommt, beschreibt Alexander Flinder (The Roles of the Amateur and the Professional in Maritime Archaeological Research). Eine Skizze der Geschichte der Unterwasserarchäologie in Israel beschließt den Band (Elisha Linder: The Genesis of Scientific Underwater Exploration in Israel Centered at Caesarea, under the Patronage of Baron Edmond de Rothschild). Am Schluß stehen eine Bibliographie und ein Index; dieser ist leider nicht von der gleichen hervorragenden Qualität wie der restliche Band (von rund 40 Vorkommen von Skythopolis/Beth Schean finden sich ganze drei verzeichnet). - Der vorbildlich ausgestattete Band ist wegen der Fülle der gebotenen Informationen ein unentbehrlicher Begleiter für alle an Caesarea Maritima Interessierten und darf in keiner einschlägigen Bibliothek fehlen.