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Ausgabe:

Januar/2021

Spalte:

3–20

Kategorie:

Systematische Theologie: Ethik

Autor/Hrsg.:

Torsten Meireis

Titel/Untertitel:

Evangelische Orientierung im öffentlichen Raum

Überlegungen zum Stand der protestantischen Ethik im deutschsprachigen Kontext1




I Einleitung: Herausforderungen der Ethik

An Herausforderungen, die öffentlich nach ethischer Beratung rufen lassen, ist gegenwärtig kein Mangel. Schon eine oberflächliche Durchsicht medialer Angebote etwa im Kontext der CoVid19-Krise offenbart öffentliche normative Debatten und Konsultationen ethischer Fachleute, nicht wenige davon aus der Theologie, aus unterschiedlichen Disziplinen zu so unterschiedlichen Fragen wie dem Umgang mit medizinischen Versorgungsdilemmata und Triage,2 der medienethischen Problematik des Handytracking,3 der politik- und demokratieethischen Frage nach Führungsstilen in der Krise4 oder dem Umgang mit Ungewissheit,5 der gesundheitsethischen Thematik von Vorrangentscheidungen zwischen Wirtschafts- und Gesundheitsbelangen6 und anderes mehr. Und selbstverständlich bleiben auch die zu einem bestimmten Zeitpunkt dominanten De­batten eingebettet in weitere Problemzusammenhänge, auch wenn diese nach den Regeln medialer und politischer Aufmerksamkeitsökonomie wechselnd in den Hintergrund treten, wie das etwa hinsichtlich der Klima- und Nachhaltigkeitsproblematik, der neuen Nationalismen und Populismen, der friedensbedrohenden geopolitischen Multipolarität, des Um­gangs mit Migration im Kontext globaler Ungleichheit, der Veränderungen von Arbeit, Wirtschaft, Politik und Kultur im Kontext der Digitalisierung, der Unwägbarkeiten der Finanzmärkte und ihrer Auswirkungen auf die Erschwinglichkeit von städtischem Wohnraum oder Immobilien und anderem mehr der Fall ist.

Ethik ist – jedenfalls in ihrer angewandten Spielart – eine Disziplin, die in der Regel intensiv durch praktische Orientierungsanforderungen aus konkreten Anwendungskontexten sowie öffentlichen Debatten und damit durch die Reaktion auf jeweils aktuelle Problemlagen bestimmt wird,7 ganz gleich, ob sie im Kontext theologischer, medizinischer, philosophischer oder anderer Fakultäten angesiedelt ist. Auch wenn es für die Expertinnen und Experten ethischer Reflexion zuweilen unerfreulich ist, wenn ihnen eine moralische und möglichst auch noch autoritative Orientierung an­gesonnen wird, die sie schon dem reflexiven Selbstverständnis der Disziplin gemäß nicht leisten können und wollen, weil die autonome Urteilsbildung und moralische Entscheidung mündiger Akteurinnen und Akteure ge-rade in normativen Fragen unhintergehbar ist, müssen sie sich zu solchen transdisziplinären Anforderungen kritisch beratend verhalten. Entsprechend ist »Ethik« auch als Disziplin nicht ohne Weiteres auf die akademische Organisation zu reduzieren. Diesem Sachverhalt lässt sich auch durch die Konzentration auf – ohne Zweifel bedeut-same – religionsphilosophische Analysen im Vorfeld fundamental-ethischer Problemstellungen der Begründung und Situierung mo-ralischer Einstellungen nicht entgehen, auch wenn dieser Ausweg zuweilen gerade in einer theologischen Perspektive naheliegt, die ihre zentrale Herausforderung in der Kompatibilität mit einer Moderne versteht, die der religiösen Rahmung normativer Fragestellungen im Kontext der Säkularisierung entraten zu können und zu wollen scheint. Auch wenn im Kontext globaler Entwicklungen eine Gleichsetzung von Moderne und Säkularismus kaum haltbar er­scheint,8 hat diese Ausrichtung ihre particula veri doch in der – allerdings nicht sonderlich originellen – Einsicht, dass an dem Faktum einer Pluralität von Weltanschauungen und Religionen, die von einer Vielzahl akademischer, zivilgesellschaftlicher und politisch organisierter Akteurinnen und Akteure im Kontext einer global vernetzten Welt vertreten werden, unter Bedingungen hochdynamischen Wandels nicht mehr vorbeizusehen ist. Auch wenn bisher nur ca. sieben Prozent der Bevölkerung der Bundesrepublik muslimischen Glaubens sind und sich der Anteil der Mitglieder anderer Religionsgemeinschaften einschließlich der jüdischen Gemeinden bei unter einem Prozent der Einwohner Deutschlands bewegt, so darf doch angesichts der Verschiebungen in der Selbstwahrnehmung der Gesellschaft von religiöser und weltanschaulicher Pluralität – immerhin bezeichnen sich 26 Prozent der Bevölkerung als konfessionslos – als einem Faktum gesprochen werden.9 Dies gilt auch dann, wenn die lange gehegte Illusion von kulturell-religiösen Homogenitäten nur schwer aufgebbar erscheint, wie die Versuche der (Re-)Konstruktion eines ›christlichen Abendlands‹ durch politische Bewegungen wie PEGIDA zeigen.

Das Faktum der Pluralität hat auch die Ethik aus evangelischer Perspektive nicht unberührt gelassen. Während die Einsicht in die ethische Notwendigkeit normativer Akzeptanz der Pluralität und ihrer Rechtfertigung im Sinne eines kriteriengeleiteten Pluralismus bereits in den 70er Jahren des 20. Jh.s einen unhinterfragten und oft genug nicht einmal thematisierbaren Anspruch auf kul-turelle und politische Hegemonie der evangelischen Kirche und des Protestantismus allgemein ablöst,10 wird angesichts globaler öffentlicher und medialer Relevanz pluraler, auch religiöser Weltbeschreibungen11 für gesellschaftliche Entscheidungen die Notwendigkeit der Explikation der Wechselwirkung von Weltbeschreibung und normativen Erwägungen für eine interessierte Öffentlichkeit dringlicher, zumal die Pluralität oft mit wechselseitiger Unwissenheit über Grundlagen der jeweiligen Weltsicht einhergeht. Insofern ist auch die Ethik aus protestantischer Perspektive zur Erläuterung normativer Optionen im Rekurs auf evangelische theologische Perspektiven genötigt. Für die deutschsprachige evangelische akademische Ethik impliziert dies einen Zusammenhang von Herausforderungen, denen sie sich zu stellen hat: die je gegenwartssensible materialethische Reflexion unter Bedingungen der Inter- und Transdisziplinarität eingedenk der eigenen sozio-historischen wie kulturell-religiösen Partikularität und Kontextbedingtheit in kritischer Prüfung der Reichweite je­weiliger eigener Geltungsansprüche und Normalitätsunterstellungen in einem Kontext regionaler und globaler Pluralität. Weil der Adressatenkreis theologischer akademischer Ethik aber nicht nur die allgemeine zivilgesellschaftliche, politische und akademische Öffentlichkeit umfasst, sondern darin auch die kirchliche Öffentlichkeit sowie besonders die Studierenden, die ein Pfarr- oder Lehramt anstreben oder Fachleute für Religionsfragen in unterschiedlichen gesellschaftlichen Kontexten zu werden beabsichtigen, müssen sich die Lehrenden im Kontext protestantischer Ethik auch intensiv in den Belangen der Ausbildung engagieren, die sowohl die konkrete Gestaltung von Lernsituationen und Curri-cula wie die Ausbildungspolitiken von Universitäten und Kirchen umfassen.

In der protestantischen theologischen Ethik lassen sich nach meiner Auffassung gegenwärtig drei Tendenzen ausmachen, die als Umgang mit den benannten Herausforderungen verstehbar sind. Zum Ersten zeigt sich ein neues, schul- und denktraditionsübergreifendes Selbstbewusstsein der Ethik, das sachlich in der Bedeutung kritischer ethischer Reflexion nicht nur für die Kirche und den Protestantismus, sondern auch für die Wissenschaft und die plurale Gesellschaft begründet ist. Es lässt sich in der Entstehung einer Reihe neuer Handbücher und institutionalisierter Prozesse festmachen, auch wenn es noch keineswegs in allen Curri-cula und Examensordnungen Niederschlag gefunden hat.

Zweitens erweist sich die zunehmende Durchsetzung einer bereichsethischen Formatierung12 auch in der protestantischen Ethik.13 Sie geht mit der innerdisziplinären Bedeutungssteigerung einer interdisziplinär angelegten Materialethik und einer – wenn auch zögerlich – zunehmenden Internationalisierung einher. Waren in der Ethik der Nachkriegsphase materialethische Auseinandersetzungen oft von dogmatischen und in der Folge fundamentalethischen Kontroversen dominiert – man bedenke nur die Auseinandersetzung um die dogmatisch bestimmten Deutungsmodelle von Königsherrschaft Christi und Zwei-Reiche-Lehre in der Prädominanz eines bestimmten Typus politischer Ethik, der sich vor allem an Fragen des Verhältnisses von Kirche und Staat abarbeitete –, so scheint sich dieses Verhältnis gegenwärtig umzukehren: Auch wenn dogmatischen und fundamentalethischen Zu-griffen nach wie vor erhebliches Gewicht zukommt und Differenzen solcher Zugriffe keineswegs unerheblich werden, müssen sie doch ihre Relevanz im Kontext sehr unterschiedlicher material-ethischer Fragen immer neu erweisen, wobei sich zuweilen auch Verhältnisse der Komplementarität an die Stelle der – immer auch vorhandenen – Kontroverse14 schieben, wie eine ganze Reihe neuerer Publikationen zeigt.15 Und wurde die internationale und ökumenische Ausrichtung in der evangelischen Ethik deutscher Provenienz im Nachkriegskontext in der Regel eher als Impuls von außen denn als intrinsische Notwendigkeit wahrgenommen,16 so scheint sich auch hier eine Veränderung anzubahnen.

Drittens erweist sich das international, interdisziplinär, ökumenisch und interreligiös anschlussfähige Konzept einer public theology zunehmend als positionsübergreifend tragfähiges, kritisches Diskursformat, das in unterschiedlichen Akzentuierungen in Programmen einer kritischen öffentlichen Theologie, eines öffentlichen Protestantismus, einer öffentlichen Kirche, eines öffentlichen Christentums und anderen aufgenommen wird. Es bietet auch der theologischen Ethik aus protestantischer Perspektive mit ihren unterschiedlichen Positionen einen theoretischen Rahmen, der in­terdisziplinär basierte Selbstreflexion und plausible theologische Selbstverortung in kritischer Weise verbindet.

II Ethische Selbstwahrnehmung im Wandel


Wenn hier von einem neuen Selbstbewusstsein der evangelischen Ethik gesprochen wird, ist damit nicht ein gesteigertes Geltungsbedürfnis der Fachvertretenden gemeint, sondern eine insgesamt erhöhte Einsicht in die Bedeutung der Disziplin im Zusammenhang öffentlicher und kirchlicher Urteilsbildungsprozesse, die mit Anforderungen an die Ausbildung der Studierenden in Theologie und Religious Studies einhergeht und angesichts der Einsicht in die Optionalität religiöser Perspektiven17 regelmäßig die Selbstvergewisserung und Sprachfähigkeit im pluralen und interdiszipli-nären Kontext impliziert und gleichzeitig die innerprotestantische Pluralität erhöht.

Das zeigt sich etwa in der Publikation einer Reihe von Überblicken, Handbüchern, Lehrwerken und soziokulturellen wie soziohistorischen Studien in der jüngeren Vergangenheit, die einerseits einer Vielzahl von fundamentalethischen Ansätzen innerhalb der evangelischen Theologie Raum geben, andererseits aber auch re­gelmäßig die partikular-kontextuelle Stellung und Wirkung evangelischer Ethik im Kontext moderner pluraler Gesellschaften kritisch und ausdrücklich reflektieren. So unternimmt es der von Reiner Anselm und Ulrich H. J. Körtner herausgegebene Band,18 der auf eine Artikelreihe der Zeitschrift für Evangelische Ethik zu­rückgeht, angesichts der gesellschaftlichen Pluralität Grundbegriffe der Ethik aus evangelischer Sicht zu beschreiben. Die von Michael Roth und Marcus Held besorgte Sammlung, die in gewisser Weise als Folgeveranstaltung zu der etwas früheren Zusammenstellung Friederike Nüssels19 gelten kann, gibt als Kontext des Unternehmens die Einsicht in die gesellschaftliche Diversifizierung der Ethik an20 und auch das von Huber, Meireis und Reuter edierte Handbuch Evangelische Ethik macht die gesellschaftliche Pluralität für die Notwendigkeit der Profilierung und Selbstreflexion evangelischer Ethik namhaft.21 Dass eine solche Profilierungs- und Selbstverortungsbewegung ökumenische Anstrengungen keineswegs ausschließt, zeigen etwa die von Traugott Jähnichen und Joachim Wiemeyer gemeinsam verantwortete Wirtschaftsethik im Kontext der Digitalisierung22 oder die von evangelischen und katholischen Autorinnen und Autoren gemeinsam herausgegebene und durch eine Buchreihe flankierte sozialethische Internetzeitschrift »ethik und gesellschaft«.23 Neben diese systematisch orientierten Vorhaben, die Initialisierung verschiedener netzbasierter Nachschlagewerke24 oder die Neuausgaben bewährter Lexika wie etwa das Evangelische Soziallexikon25 sind aber auch größere historische Untersuchungen getreten, die gerade auch aus ethischer Perspektive eine kontextuelle Verortung protestantischer Beiträge anstreben. Zu nennen ist hier vor allem die auf ein grö-ßeres interdisziplinäres Forschungsprojekt zurückgehende Reihe »Religion in der Bundesrepublik Deutschland«, die vor allem um die Vergegenwärtigung der politisch-sozialen Wirkungen des Nachkriegsprotestantismus bemüht ist,26 oder das in ökumenischer ethischer Zusammenarbeit entwickelte Projekt zu Religion und Wohlfahrtsstaatlichkeit, dem es um die konfessionell unterschiedlichen, aber gerade in und durch die entsprechenden Konstellationen verstehbaren Beiträge religiöser Akteure zur Wohlfahrtsstaatlichkeit in Deutschland und Europa geht.27

Ausdruck der Bemühung um eine neue Selbstverortung der akademischen protestantischen Ethik sind aber auch institutionelle Bildungen, die die klassischen Fachkongresse etwa der europäisch orientierten Societas Ethica oder der klassisch stärker dog-matisch-religionsphilosophisch ausgerichteten Sektion Systematische Theologie innerhalb der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Theologie,28 aber auch thematisch orientierte Arbeitsgemeinschaften wie den Arbeitskreis für Theologische Wirtschafts- und Technikethik komplementieren. So hat sich seit 2015 ein Fachgespräch Evangelische Ethik etabliert, das jährlich an der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft Heidelberg tagt und der inhaltlichen Selbstverständigung und Debattenkultur wie der formalen Ausbildungsverantwortung der universitären evangelischen Ethik im deutschen Sprachraum verpflichtet ist – zu den verhandelten Themen gehörten unter anderem die »Situation der Ethik in der deutschsprachigen Theologie« (2015), der »Sinn theologischer Ethik in öffentlichen Diskursen« (2016), das »Theologische an der Theologischen Ethik« (2017) oder »Ethische Kompetenz in der Theologie« (2019).

Schließlich gehören zur skizzierten Neuformatierung der akademischen Ethik auch Bemühungen im Kontext akademischer Ausbildungsverantwortung. Angesichts der Wahrnehmung, dass die Kompetenz der Kirche auch bei Konfessionslosen im Eintreten für Werte des Zusammenlebens (46 %) und diakonische Aktivitäten (60 %), bei Kirchenmitgliedern zudem auch in der politischen Orientierung (immerhin 47 %) und der Beschäftigung mit Arbeit und Berufsalltag (55 %) gesehen wird, und hier auch bei Evangelischen höhere Werte erreicht werden als in der Verkündigungsorientierung (Evangelische: diakonisches Engagement 83 %, Wertevermittlung 77 %, Verkündigung 74 %, Raum für Gebet, Stille und Besinnung 75 %),29 ist auch hinsichtlich des theologischen Ausbildungs- und Relevanzfelds der als Organisationen verstandenen Kirchen die Bedeutung der Ethik unhintergehbar. Allerdings haben diese Wahrnehmungen in den Professurdenominationen und den nach bisheriger Studienstruktur curricular entscheidenden Examensanforderungen kaum Widerhall gefunden. So verfügen keineswegs alle theologischen Ausbildungsstätten über eine Ethik-Professur, während etwa im römisch-katholischen Kontext Moraltheologie und Sozialethik oft noch als eigenständige Fächer vertreten werden. Die – prinzipiell in ihrer Entlastungswirkung durchaus plausiblen – Umstrukturierungen der Prüfungsanforderungen etwa im Ersten Theologischen Examen haben zu einer problematischen Reduktion der Ethik-Anforderungen geführt. So hat sich die in vielen Landeskirchen übliche Verringerung der Klausurfächer ge­meinsam mit der Zusammenlegung von Dogmatik und Ethik in der mündlichen Prüfung und den entsprechenden Wahlpflichtregelungen30 dahingehend ausgewirkt, dass die Ethik als Kompetenzbereich der Pfarramtsstudierenden durch geschicktes Prüfungsmanagement weitgehend umgangen werden kann, was an­gesichts einer durch veränderte biographische Situationen und Finanzierungsdruck zunehmend verdichteten Studiensituation eine selbstverständlich menschlich nachvollziehbare, aber inhaltlich hochproblematische Option darstellt.

Auch wenn die ethische Reflexion vor allem an den universitären Standorten, an denen sie durch eine eigene Professur vertreten wird, in die Curricula eingeschrieben und durch Studienangebote plausibilisiert wird, bleibt die weitergehende institutionelle Verankerung durch Professuren und in Prüfungsordnungen angesichts der Bedeutung ethischer Reflexion im pluralen Kontext doch zentrales Desiderat, dem freilich nicht sinnvoll durch die additive Erhöhung der – ohnehin schon hohen – Prüfungsbelastung zu entsprechen ist, sondern das neue Prüfungsformen wie beispielsweise multidisziplinäre Präsentationsprüfungen erfordert, in denen ein Problem im Lichte der Einsichten unterschiedlicher theologischer Disziplinen bearbeitet wird.

III Interdisziplinär orientierte Bereichsethik


Zum Wandel der Selbstwahrnehmung der Ethik gehört auch eine Tendenz zu veränderter Schwerpunktsetzung in der Theoriebildung. Während ethische Entwürfe der Nachkriegszeit ihren Entdeckungszusammenhang in der Regel vorrangig in dogmatisch-fundamentalethischen31 Debatten finden, von denen aus die (be­reichs-)ethischen Konkretionen entwickelt werden, sofern sie sich nicht gleichsam von selbst ergeben, ist dieses Modell, das dann meist Fundamental- und Materialethik in einem Werk verbindet und epistemisch von den Problemzusammenhängen der Dogmatik her gedacht wird, annähernd zum Ausnahmefall geworden – neben Lehrbüchern, die oft noch diesem Verfahren folgen,32 und der älteren, durch eine Neuedition in den gleichsam historischen Klassikerstatus versetzten »Ethik« Trutz Rendtorffs, die als ›ethische Theologie‹ einen Gesamtzugang Systematischer Theologie re­klamiert, der unter dem Titel der Lebensführung dogmatisch die Anthropologie privilegiert,33 der weniger wirkmächtigen »Ethik in evangelischer Perspektive« Dietz Langes34 und der politischen Ethik Wolfgang Hubers35 sowie der Wirtschaftsethik Arthur Richs,36 die den fundamentalethischen Entwurf bereits in eine materialethische Untersuchung einzupassen suchen,37 lässt sich an neueren Werken vor allem der Entwurf Eilert Herms’ nennen, der die Ethik in einem pragmatistischen Zugriff auf das Gesamt der Systematischen Theologie entschlossen der Fundamentaltheologie und Dogmatik nachordnet, noch einmal als Implikat der christlichen Weltsicht im Ganzen zu behandeln sucht und dabei der Gü­terethik besondere Aufmerksamkeit widmet, die als Realisierung des christlich erkannten Guten rekonstruiert wird38 und damit auch gesellschaftstheoretische Geltungsansprüche impliziert, über deren Anschlussfähigkeit freilich gestritten werden kann.39 Im Kontrast zu solchen Vorgehensweisen hatte Johannes Fischer zwar schon kurz nach der Jahrtausendwende konstatiert, dass theologische Ethik zunehmend als Teilnehmerin in material- bzw. be­reichsethischen Debatten gefragt sei,40 dies jedoch seinerseits mit einem hermeneutischen Zugriff verbunden, der theologische Ethik durch Thematisierung des Verstehens und Bezeugens der Ausrichtung durch das christliche Ethos von einer Prinzipienethik mit

allgemeingültigen Geltungsansprüchen abzuheben sucht, die sich be­haupten und begründen lassen,41 und insofern die be­nannte Er­wartung in gewisser Weise systematisch enttäuscht, weil das Richtige vom Guten letztlich weitgehend ge­schieden bleibt.42

Auch wenn das Anregungspotential solcher Ansätze keineswegs bestritten werden soll43 und dogmatisch-fundamentalethische Un­tersuchungen selbstverständlich ihren festen Platz im Gefüge der Ethik behalten,44 ist doch die Tendenz zu materialethischen Konkretionen in bereichsethischem Zugriff kaum zu übersehen, wobei sich das Verhältnis von material- und fundamentalethischen bzw. dogmatischen Überlegungen im Gegensatz zu den früheren Entwürfen eher umgekehrt hat, weil die theologischen Grundierungen epistemisch als Implikat konkreter Urteilsbildungen in den Blick kommen, in denen regelmäßig die Relationierungsaufgabe unterschiedlicher disziplinärer Zugriffe gelöst und die Bedeutung theologischer Einsicht bestimmt werden muss.

Das Konzept der Bereichsethik45 – der Begriff der »angewandten Ethik« bleibt missverständlich, weil er an die bloße Applikation vorgefertigter Muster auf konkrete Stoffe denken lässt und unterschlägt, dass die Beschäftigung mit Grundlegungsfragen stets ein Implikat der Bearbeitung konkreter normativer Orientierungskonflikte darstellt – verdankt sich der Ausdifferenzierung der Fachwissenschaften und Praxisfelder, deren spezialisierte Theorieentwicklungen und Erfahrungshintergründe die Ausdifferenzierung auch im Feld der Ethik plausibilisieren, weil nur so angemessene normative Theoriebildung möglich wird und weil nur in dieser Weise die zunehmend diversifizierten Erfahrungshintergründe der in diesen Feldern Praktizierenden plausibel aufgenommen werden können. Aus diesem Grund ist in diesem Feld auch die problemorientierte kohärentistische ethische Theoriebildung verbreitet, die zwischen den soziokulturell-normativ und durch konkrete Erfahrungen im Feld geprägten Intuitionen und allgemeineren moralischen Prinzipien ein Überlegungsgleichgewicht herzustellen sucht.46 Hermeneutische Analyse normativ wirksamer Intuitionen des Guten und Begründung moralischer Prinzipien des Richtigen wirken dabei in der Regel zusammen, die genaue Rela-tion ist aber jeweils strittig. Theologische Einsichten können dabei sowohl in den Intuitionen des Guten als auch im Sinne transpartikularisierter Prinzipien des Richtigen als relevant erwiesen werden.47 Die material- und bereichsethische Formierung theologischer Ethik sucht insofern zwei problematischen Wissenschaftspraxen in pluralen Weltanschauungs- und Religionskontexten zu entgehen: der des Rückzugs in exklusive Gemeinschaften geteilter theologischer und religiöser Sprachspiele einerseits oder des Verzichts auf Versuche des Relevanzerweises theologischer und religiöser Auffassungen andererseits.

In diesem Feld lässt sich innerhalb der evangelischen Ethik der letzten Dekade eine erhebliche Produktivität feststellen. Sie korreliert mit der Konjunktur öffentlicher Debatten in Reaktion auf die beschleunigte Entwicklung biomedizinischer Verfahren, die Probleme geopolitischer Multipolarität, die Krisen der globalisierten Finanzmärkte in der Folge der US-amerikanischen subprime-crisis, die internationalen Migrationsbewegungen im Kontext unterschiedlicher bewaffneter Konflikte, die anthropogenen Verschiebungen im globalen Klima oder die Veränderungen im Zuge der Erfolge im Ausbau digitaler Informations- und Kommunika-tionstechnologien und ihrer Auswirkungen auf die soziale und politische Kommunikation, auf Arbeit, Wirtschaft und natürlich die Rolle zivilgesellschaftlicher religiöser Organisationen wie der Kirchen und der Religion überhaupt in diesen Entwicklungen. An­strengungen haben sich entsprechend auf die medizinische Bio- und Pflegeethik,48 die Wirtschafts- und Finanzethik,49 die Rechtsethik,50 die politische Ethik,51 die Friedensethik,52 die Bioethik nichtmenschlicher Lebensformen, Nachhaltigkeits- und Umweltethik,53 die Ethik des Sozialen54 oder die Ethik der Lebensformen55 gerichtet.

Jeweils werden im Kontext der materialethischen Ausführung auch fundamentalethische Erwägungen deutlich – an einem Beispiel aus der politischen Ethik: Baut Arnulf von Scheliha seine Darstellung in der Abfolge von historischer Rekonstruktion und systematischer Darstellung auf, wird schnell deutlich, dass auch der historische Teil systematische Funktion hat, weil hier diejenige Genese des massiv protestantisch geprägten »modernen Freiheits-lebens«56 erläutert wird, das die gegenwärtige politische Ethik von Scheliha zufolge voraussetzen muss, weil aus ihm diejenigen gültigen Normen und normativen Güter folgen, die den verantwortlichen Umgang des Individuums, dessen Gewissen durch die christliche Freiheit be­stimmt wird, mit dem Politischen konturieren. Vorfindliche Normen und Güter können dann im Licht christlicher Tradition kritisch angeeignet und die christliche Freiheit wiederum in ihrem Kontext verwirklicht werden.57 Im Hintergrund stehen hier unter anderem christentumstheoretische Vorstellungen einer historischen Realisierung christlicher Freiheit, in deren Licht die Individuen sich verantwortlich am politischen Leben beteiligen sollen. Ein völlig anderer – und wenn man will: stärker offenbarungstheologisch geprägter – Zugriff zeigt sich in Rebekka Kleins Untersuchung zur Bedeutung der Souveränitätskategorie,58 die sie im Rekurs auf die neuere politische Theorie des poststrukturalistisch geprägten frankophonen Sprachraums und ihre Wirkungsvektoren als Element des sozial konstituierten politischen Imaginären entwickelt, um zu erweisen, inwiefern be­stimmte Ausprägungen von Religion im Bereich des Politischen nicht als Gegenteil der Vernunft zu verstehen sind, sondern Beiträge zur Konstitution des Imaginären erbringen, die jedenfalls stete ideologiekritische Prüfung im Kontext dieses Imaginären ermöglichen und erzwingen.

Selbstverständlich spielen in allen diesen Zusammenhängen die verschiedenen Denktraditionen, die sich theologisch im Zusammenspiel der kontextuell bestimmten Auseinandersetzung mit dogma-tischen, philosophischen, humanwissenschaftlichen, exegetischen, konfessionell geprägten oder historiographischen Strömungen herausgebildet haben und wissenschaftspolitisch Wirkung entfalten, nach wie vor eine Rolle. So ließe sich typologisch simplifizierend et­wa eine Tradition liberaler Kulturhermeneutik ausmachen, die sich unter anderem von der Theologie Schleiermachers und der Chris­-tentumstheorie Trutz Rendtorffs inspirieren lässt und im Rückgriff auf Hegel und Rothe von einer historischen Diffundierung vor allem freiheitsbezogener christlich-reformatorischer Auffassungen in die moderne Gesellschaft ausgeht, auf die Beschreibung religiöser Di­mensionen gesellschaftlicher Problemzusammenhänge zielt, die vor allem als kulturelle Ressourcen thematisiert werden, und in der Orientierung ein individuell tugendethischer Zugriff von besonderem Interesse ist. Eine andere Tradition setzt vorrangig auf pragmatistische Zu­griffe. Ausgehend von Einsichten der Philosophie William James’ und John Deweys sind in dieser Perspektive besonders die lebensweltlichen Auffassungen und Narrative je eigener Identität von Interesse, die das Handeln der Menschen im Handlungsfluss be­einflussen, der seinerseits durch die Notwendigkeit der Reaktion auf Herausforderungen der Umwelt bestimmt wird. Entsprechend wird Ethik dann als Thematisierung von handlungsleitenden Ur­teilen im Ausgang von einer christlichen Weltsicht aus verstanden, die unterschiedlich rekonstruiert werden kann, wirksam aber etwa im Rekurs auf Luther und Schleiermacher formuliert wurde. Eine Tradition liberaler lutherischer Ethik geht von einer modernisierten Zwei-Reiche-Lehre aus, die den usus civilis legis im Sinne einer theologischen Akzeptanz säkularer Vernunft versteht. Hier kommen theologische Themen vorrangig in der Bestimmung christlicher Motivlagen in den Blick, während gesellschaftliche und moralische Problemzusammenhänge als Sachfragen mit nur indirektem Rekurs auf theologische Elemente behandelt werden. Eine weitere Linie ließe sich als Ethik aus der Perspektive hermeneutischer Theologie beschreiben – hier werden theologische Motive im Rückgriff auf gerne auch offenb arungstheologisch verfasste Traditionszusammenhänge eingespielt, die als konstitutiv für das christliche Bewusstsein gelten. Dabei zielt der Zugriff auf die Rekonstruktion etwa durch christliche »Schlüsselszenarien« be­stimmter Urteilsperspektiven. Ein stärker kommunitaristisch-konfessionalistisch bestimmter Strang betont die konfessionelle Prägung, die vor allem an gemeinschaftsorientierenden und gemeinschaftsspezifischen Dokumenten – Einsichten der reformatorischen »Väter«, Bekenntnisformulierungen und in-stitutionell sedimentierten Traditionszusammenhängen – festgemacht wird. Schließlich ließe sich davon eine normative Ethik in ökumenischer Ausrichtung abheben, die im Rückgriff auf Barth und Bonhoeffer ein vor allem auf doktrinale Präskription angeleg-tes materialethisches und herrschaftskritisches Interesse mit einer Ausrichtung auf den ökumenischen (und interreligiösen) Horizont verbindet. Selbstverständlich ist diese Liste in fast jeder Hinsicht un­vollständig, sei’s, weil eine Reihe weiterer theologischer, philoso-phischer, sozialwissenschaftlicher oder kulturwissenschaftlicher De­terminanten – von Tillich bis Niebuhr, von Husserl bis Luhmann– angegeben werden könnte, sei’s, weil die Typologie als dringend er­gänzungsbedürftig oder unpräzise erscheint oder weil die Passung fast immer verbesserlich bleibt – und natürlich Kombinationen in beliebiger Vielzahl möglich und üblich sind.

Allerdings besteht die Pointe der hier behaupteten material- und bereichsethischen Fokussierung evangelischer – und vielleicht auch: römisch-katholischer59 – Ethik gerade darin, dass alle diese Typisierungen, die ohnehin so bestreitbar wie als Zuschreibungen volatil sind, an Gewicht verlieren, weil sich der Zugriff auf theologische und theoretische Motive kohärentistisch an der Erschließungskraft für die jeweiligen ethischen Problemzusammenhänge und Themen bewähren muss und deswegen auch für den material-bezogenen Diskurs zwischen den unterschiedlichen Strömungen offen ist.60 Dieses Verschwimmen der schulbezogenen, denktraditionellen und wissenschaftspolitischen Abgrenzungen, der sich auch intradisziplinär etwa im Austausch einer als Systematische Theologie in praktischer Absicht verfassten Ethik mit einer ethisch interessierten Praktischen Theologie61 oder einer normativ sen-siblen Exegese62 zeigt,63 lässt sich natürlich verfallstheoretisch als Verlust an Erkennbarkeit64 deuten. Aber dazu besteht auch angesichts der zunehmenden Internationalisierung der Ethik65 wenig Anlass. Denn mit der wachsenden Einsicht in die Kontext- und Konstellationsabhängigkeit der Orientierungsrichtung theologischer Interpretation und Reflexion gelebter Glaubensperspektiven – man vergleiche etwa das durch den social gospel Walter Rauschenbuschs und die amerikanische Demokratie geprägte Luthertum Reinhold Niebuhrs mit dem ordnungstheologisch verfassten und national orientierten Luthertum Paul Althaus’, beides durchaus um Modernität und gesellschaftliche Relevanz bemühte Zeitgenossen – wird die Bemühung um die differenzsensible Orientierungsleistung gerade im Dialog der unterschiedlichen internationalen theologisch-religiösen Perspektiven dringlicher, zumal die Orientierung und Teilnahme an internationalen und ökumenischen Debatten stärker als intrinsische Notwendigkeit wahrgenommen wird. Das muss gerade in protestantischer Perspektive die dialogische Berücksichtigung der Theologie der global wachsenden sekundärreformatorischen Strömungen jenseits der Theologie der mainline churches einschließen. Die Dekolonisierung und Dezentrierung eurozentrischer Perspektiven erlaubt es dann, auch jenseits der Fixierung auf das Säkularismusproblem, das na­türlich nicht kleingeredet werden soll, drängende Aufgaben theologischer Reflexion in Kritik und Konstruktion anzugehen.66

IV Öffentliche Theologie


Eine dritte Reaktion auf die benannten Herausforderungen der Disziplin lässt sich mit der Herausbildung einer als Diskursparadigma67 zu bezeichnenden public theology68 verbinden, die in jüngerer Zeit vor allem in der Ethik ein starkes Echo gefunden hat, auch wenn sie keineswegs auf diese beschränkt bleibt, formal auf die theologische Reflexion der öffentlichen Dimension religiöser Debatten und der religiösen Dimension öffentlicher Debatten zielt und gerade darin starke Berührungspunkte mit den stets öffentlich diskutierten bereichsethischen Themenkomplexen hat.

Von einem theologischen Diskursparadigma – im Unterschied zu einer theologischen Position oder einem religiösen Phänomen – lässt sich sprechen, weil public theology unterschiedliche Kontexte und theologische Positionen umfasst und verbindet, weil hier eine theo-logische Reflexion auf öffentlich sichtbare religiöse Phänomene bezeichnet wird und der gesamte Diskurs insgesamt als Reaktion auf eine Veränderung der Öffentlichkeit und die zunehmende religiös-weltanschauliche Pluralität verstanden werden kann.69

Die Entstehung von Phänomen und Semantik ist dabei kontextuell unterschiedlich. In den USA ist der Begriff im Zusammenhang der Diskussion um Robert N. Bellahs Konzept der civil religion geprägt worden; der evangelische Kirchenhistoriker Martin E. Marty hat ihn verwendet, um die Wirkung des public intellectual Reinhold Niebuhr zu kennzeichnen. Allerdings ist er dann schnell auch in römisch-katholische Diskurszusammenhänge diffundiert, in denen etwa David Tracy das Konzept nutzte, um die unterschiedlichen Öffentlichkeiten zu beschreiben, die theologische Reflexion adressiert,70 auch im angelsächsischen Kontext unterscheiden sich die ethischen Positionalitäten im Kontext des Konzepts teils erheblich. Im südafrikanischen Kontext diente der Begriff zum modifizierenden Anschluss an befreiungstheologische Ansätze unter demokratischen Bedingungen nach dem Ende des Apartheid-Regimes,71 hat sich aber zwischenzeitlich zu einer umfassenden christlich-theologischen Auseinandersetzung etwa mit den politischen Zielen der Afrikanischen Union erweitert.72 Im asiatisch-pazifischen Kontext ist die normative Frage nach der Bedeutung christlicher Minoritätskulturen in – keineswegs stets demokratisch verfassten – Ge­sellschaften bedeutsam.73 Im deutschsprachigen Zusammenhang geht die Begriffsprägung auf die Aufnahme der Anliegen der Theologie Johann Baptist Metz’ und Dorothee Sölles zurück und ist als Alternative zur an Carl Schmitt erinnernden Semantik einer po-litischen Theologie in Analogie zur französischen Semantik einer histoire publique gebildet worden.

Verband sich das Konzept zunächst mit einer theologischen Position, die vor allem von Wolfgang Huber und Heinrich Bedford-Strohm vertreten wurde, lässt sich heute eine breite Differenzierung in theologischer Deutung, Aufgabenbestimmung, Situationsanalyse und Semantik feststellen, die sich besonders im Feld der Ethik zeigt, auch wenn sie darauf nicht begrenzt bleibt: Neben »öffentlicher Theologie« ist die Rede von »öffentlichem Protestantismus«, »öffentlicher Kirche«, »öffentlichem Christentum« oder »öffentlicher Diakonie«.74

Der Sachverhalt der Herausbildung und steigenden Attraktivität dieses Diskursparadigmas dürfte mit zwei ihrerseits verbundenen Phänomenen zusammenhängen. Zum einen ist hier der global zu beobachtende Vorgang einer – kontextuell jeweils unterschiedlich ausgeprägten – Pluralisierung der Gesellschaften bedeutsam: Während im europäischen Kontext der säkulare Trend zum Mitgliederschwund der Großkirchen und die zunehmende öffentliche Präsenz anderer Religionen wahrnehmbar sind, ist es in Asien, Afrika und Lateinamerika das exponentielle Wachstum bestimmter Gestaltungen des Christentums und in Nordamerika die zunehmende Bedeutung nicht religiös gebundener Akteure, die insgesamt mit einer steigenden öffentlichen Wahrnehmung von Religion einhergehen.75 Im bundesdeutschen Kontext impliziert dies die Notwendigkeit einer Revision theologischer und kirchlicher Normalitätsunterstellungen und – fachbezogen – die Frage nach den Performanzbedingungen und nach der spezifischen Rolle protestantischer Ethik, protestantischer Bürgerinnen und protestantischer zivilgesellschaftlicher Organisationen in einer zunehmend pluralen Gesellschaft, in der etwa eine Kenntnis von bereichsethisch relevanten christlichen Traditionen und Narrativen des guten Lebens sowie christlich motivierten Begründungswegen mo­ralischer Prinzipien des Richtigen genauso wenig vorausgesetzt werden kann wie das Wissen um die Mitgliedschaftsstruktur der Kirche.

Zum anderen lässt sich die public theology aber auch als Reaktion auf eine seit mindestens 50 Jahren vorgehende Veränderung der Öffentlichkeit verstehen, die als Erweiterung und Intensivierung in der Folge von wirtschaftlicher, kultureller und politischer Globalisierung im Kontext der Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologien beschreibbar ist. Von Erweiterung lässt sich sprechen, sofern überregionale und internationale Kontakte und Wahrnehmungen nicht nur in den Eliten, sondern auch in der Breite der Bevölkerungen üblich geworden sind, von Intensivierung, sofern Ausbau und breite Zugänglichkeit des Internets und der sozialen Medien erhöhte Wechselseitigkeit ermöglichen, da im Unterschied zu den klassischen Massenmedien jeder Mensch mit einem Netzzugang und der entsprechenden, relativ günstigen Technologie auch zur Sendeinstanz werden kann.76

Neben der im bereichsethischen Kontext immer schon zentralen Interdisziplinarität, die sich im Kontext der public theology auch theologisch intradisziplinär darstellt, ermöglicht das Diskursformat der öffentlichen Theologie auch transdisziplinäre Be­züge, also die wechselseitige kritische Reflexion der unterschied-lichen Methodologien und den subjektorientierten Dialog mit Akteurinnen und Akteuren etwa der Zivilgesellschaft,77 sofern schon die in das Theoriedesign gleichsam eingebaute These eines Öffentlichkeitsanspruchs des Evangeliums oder eines Öffentlichkeitsauftrags der christlichen Kirchen einerseits methodologische Rückfragen aus der Perspektive der nichttheologischen Disziplinen provoziert und andererseits die Theologie die in anderen Disziplinen zuweilen gepflegte Auffassung der weltanschaulichen Neutralität ihrer Akteurinnen und Akteure hinterfragen kann und der dialogische, nicht nur beforschende Kontakt zu Agenturen und Handelnden außerhalb des akademischen Kontexts regelmäßig gegeben ist.78

Selbstverständlich ermöglicht das Diskursparadigma auch im Kontext der Ethik sehr unterschiedliche Positionen, die sich schon an den erwähnten Semantiken – von »öffentlichem Protestantismus« bis zu »öffentlichem Christentum« ablesen lassen und Einflüsse sämtlicher der im zweiten Abschnitt skizzierten Denktraditionen erkennen lassen. Gerade in ethischer Perspektive ergibt die Überschneidung mit dem Öffentlichkeitsbezug der Bereichsethiken die Offenheit für das gesamte dort verhandelte Themenspektrum, und wie in einem kohärentistisch bestimmten Kontext nicht anders zu erwarten, werden diese Themen in sehr unterschiedlicher Weise erschlossen. Neben der Frage nach dem Verhältnis von gesellschaftlichem Zusammenhalt und der Aufgabe protestan-tischer Individuen und Institutionen, der politischen Neutralität des Staates in theologischer Perspektive, der Medizinethik, der Ethik der Diakonie, der Friedensethik oder der Tierethik kommen auch Fragen der sozialen Kohäsion oder der Digitalität in den Blick.79

V Fazit


Der hier gebotene Versuch einer Standortbestimmung deutschsprachiger evangelischer Ethik zielt zunächst auf die Identifikation der Herausforderungen, denen sich die Disziplin zu stellen hat. Hier ist vor allem der inter- und transdisziplinäre Umgang mit den öffentlichen Herausforderungen zu gegenwartssensibler material-ethischer theologischer Reflexion sowie die Ausbildung zu solchem Umgang zu nennen. Sie muss im Bewusstsein der je eigenen sozio-historischen wie kulturell-religiösen Partikularität und Kontextbedingtheit geschehen, das eine kritische Prüfung der Reichweite jeweiliger eigener Geltungsansprüche und Normalitätsunterstellungen in einem Kontext regionaler und globaler Pluralität – auch und gerade in der Ausbildungsverantwortung – regelmäßig einschließt. Diesen Herausforderungen wird im Rahmen der evangelischen Ethik in drei Weisen begegnet: Erstens zeigt sich ein neues Selbstbewusstsein in der Einsicht in die Bedeutung der Disziplin im Zusammenhang öffentlicher und kirchlicher Urteilsbildungsprozesse und ihrer daraus folgenden Ausbildungsverantwortung, zweitens hat sich die seit geraumer Zeit feststellbare bereichsethische Orientierung verfestigt, in der theologische Einsichten und dogmatische Grundsatzentscheidungen als Implikate ethischer Orientierungen erscheinen, die im Entdeckungszusammenhang von wirtschaftlichen, politischen, umweltbezogenen oder ande-ren Sachfragen von öffentlicher Relevanz entwickelt werden, und schließlich lässt sich die zunehmende Attraktivität einer als Diskursparadigma zu verstehenden public theology im Bereich der Ethik konstatieren, die sowohl die öffentliche Anforderung zu ethischer Orientierung wie die im pluralen Kontext zunehmende Ex­plikationsbedürftigkeit theologisch reflektierter religiöser Normativität in unterschiedlichen positionellen Ausprägungen und im interdisziplinären, ökumenischen und internationalen Kontext thematisiert.

Abstract


Protestant Ethics in the German speaking world faces a number of challenges, which include inter- and transdisciplinary response to public demand for reflection and orientation regarding concrete moral questions in society – including the church. This entails awareness for socio-historical, cultural and religious particularity and contextuality in an international setting as well as theological explication in a plural environment. Those challenges are met in three ways: Firstly, a new awareness of the discipline’s responsi-bility in research and teaching shows in a number of new comprehensive publications and the establishment of a new forum for protestant theological ethical discourse. Secondly, the trend to­wards interdisciplinary applied ethics in which fundamental ethical and dogmatic problems appear as implications of material ethics – rather than the other way round – has solidified. Thirdly, the international discourse paradigm of public theology reflecting on and contributing to the religious dimension of public discourse and the public dimension of religious discourse while allowing for a wide range of theological positions is drawing growing attention in the field of Protestant Ethics.

Fussnoten:

1) Der Text verdankt sich einer Anfrage der Theologischen Literaturzeitung durch Nils Ole Oermann, für die – in Verbindung mit einem unerschöpflichen Verständnis für die Zwangslagen der akademischen Aufgaben in Zeiten von CoVid19 – hiermit gedankt sei. Für allfällige Anregungen und hilfreiche Kommentare danke ich weiterhin Wolfgang Huber, Florian Höhne und Clemens Wustmans.
2) Wolfgang Huber, Das Leben ist nicht das einzige Grundrecht. Ist eine Pandemie ein Notstand, in dem das Lebensrecht Einzelner zurücktreten muss?, NZZ online v. 10.05.2020, https://www.nzz.ch/meinung/wolfgang-huber-das-leben-ist-nicht-das-einzige-grundrecht-ld.1555310 (Zugriff v. 08.06.2020); Markus Tiedemann, Entscheidung über Leben und Tod: Wie ethisch ist die Triage in der Corona-Pandemie?, FR online v. 21.04.2020, https://www.fr.de/kultur/gesellschaft/corona-pandemie-triage-ethik-entscheidung-leben-tod-13668836.html (Zugriff v. 10.05.2020).
3) Simone Wermelskirchen/Hannah Steinharter, Philosophieprofessor zu Corona-Maßnahmen: »Wir sind nicht im Krieg«, Handelsblatt online vom 08.04. 2020, Interview mit Marcus Gabriel (www.handelsblatt.com/arts_und_style/literatur/wirtschaft-und-gesellschaft-philosophieprofessor-zu-corona-massnahmen-wir-sind-nicht-im-krieg/25724140.html?ticket=ST-1994795-GycDp5loacFK3ZUCgYxD-ap1 (Zugriff v. 10.05.2020).
4) Corinna Buschow, Theologe Peter Dabrock über ethische Fragen zur Corona-Krise: »Die Politik hat zu lange paternalistisch agiert«, epd/Domradio.de, 28.05.2020, https://www.domradio.de/themen/corona/2020-05-28/die-politik-hat-zu-lange-paternalistisch-agiert-theologe-peter-dabrock-ueber-ethische-fragen-zur (Zugriff v. 10.06.2020).
5) Petra Bahr/Maja Ellmenreich, Ethik in der Coronakrise. »Es gibt eine Lust an der Eskalation«, Petra Bahr im Gespräch mit Maja Ellmenreich, Deutschlandfunk online v. 30.04.2020, https://www.deutschlandfunk.de/ethik-in-der-coronakrise-es-gibt-eine-lust-an-der-eskalation.886.de.html?dram:article_id=475820 (Zugriff v. 10.05.2020).
6) Bossart, Yves, Was ist ein Menschenleben wert, Interview mit Nikola Biller-Andorno, SRF kultur online vom 13.05.2020, https://www.srf.ch/kultur/gesellschaft-religion/corona-und-ethik-was-ist-ein-menschenleben-wert (Zugriff v. 08.06.2020).
7) Vgl. Hans Richard Reuter, Grundlagen und Methoden der Ethik, in: Ders./Wolfgang Huber/Torsten Meireis (Hgg.), Handbuch der Evangelischen Ethik, München 2015, 18–19; Johannes Fischer, Theologische Ethik. Grundwissen und Orientierung, Stuttgart u. a. 2002, 234–237.
8) Das zeigt sich nicht nur an bekannten Revisionen der Gleichsetzung des Modernisierungsnarrativs mit der Säkularisierungserzählung (Jürgen Habermas, Glauben und Wissen. Friedenspreisrede 2001, in: Ders., Zeitdiagnosen. Zwölf Essays, Frankfurt a. M. 2003, 249–262), sondern auch an den höchst ambivalenten Auswirkungen säkularer politischer Regimes und Regierungsweisen (Saba Mahmood, Religious Difference in a Secular Age: A Minority Report, Princeton 2015), oder der Bedeutung religiöser Einstellungen und Affiliationen weltweit (Asaf Moghadam, A Global Resurgence of Religion? Paper 03-03, Weatherhead Center for International Affairs, Harvard 2003) oder der Frage nach der Anwendbarkeit europäisch geprägter, säkular bestimmter Kategorien auf Kontexte des globalen Südens – und den europäischen Kontext selbst (Dipesh Chakrabarty, Provincializ- ing Europe. Postcolonial Thought and Historical Difference. Princeton [Neuauflage] 2008), 11–14.
9) Die Zahlen gehen auf eine Studie des PEW Forum zurück, vgl. Statista, Dossier Religion in Deutschland und weltweit, Art. did-6521-1, study_id6521_religion-statista-dossier.pdf, www.statista.de, 2 (Zugriff v. 18.10.2020). Weil die Zahl der Konfessionslosen in der Regel aus der Differenz von religiös Gebundenen und der Gesamtbevölkerung errechnet wird, kommt es hier teilweise zu erheblichen Abweichungen, so schätzt die kirchenkritische Forschungsgruppe Weltanschauungen die Gruppe der Konfessionslosen deutlich höher ein (https://fowid.de/ meldung/religionszugehoerigkeiten-2019, Zugriff v. 18.10.2020).
10) Wolfgang Huber, Kirche und Öffentlichkeit, 2. unv. Aufl. München 1991, 25–48 (Erstauflage 1973); vgl. auch: Ders., Kirche in der Zeitenwende. Gesellschaftlicher Wandel und Erneuerung der Kirche, Gütersloh 1998.
11) José Casanova, Public Religions in the Modern World. Chicago u. a. 1994.
12) Vgl. Julian Nida-Rümelin (Hg.), Angewandte Ethik: Die Bereichsethiken und ihre theoretische Fundierung, Stuttgart 1996.
13) Diese Diagnose ist alles andere als neu – wie hier argumentiert wird, hat sich die Entwicklung seit der Konstatierung durch Johannes Fischer (Theologische Ethik [s. Anm. 7], 8–9), oder Martin Honecker (Themen und Probleme der Ethik und Sozialethik II. Bereichsethik, Sammelbände und Sonstiges, Theologische Rundschau Bd. 75 [2010], 131–162) aber verschärft. Man kann den Rückgang der Lagerbildung im Sinne eines Verlusts an theologischer Erkennbarkeit und eines zurückgehenden öffentlichen Interesses an Theologie verfallstheoretisch deuten (Fischer, ebd.), das ist aber keineswegs zwingend, vgl. Peter Dabrock, »Nicht mit Wort und Zunge, sondern in Tat und Wahrheit« (1Joh 3,18). Gerechtigkeitsansprüche Öffentlicher Theologie, in: Ulrich H. J. Körtner/Reiner Anselm/Christian Albrecht (Hgg.), Konzepte und Räume öffentlicher Theologie. Wissenschaft – Kirche – Diakonie, Leipzig 2020, 187–204.
14) Vgl. etwa Reiner Anselm/Ulrich H. J. Körtner, Streitfall Biomedizin. Urteilsfindung in christlicher Verantwortung, Göttingen 2003; Wolfgang Huber, Der gemachte Mensch. Christlicher Glaube und Bioethik, Berlin 2002; ders., Wissenschaft verantworten. Überlegungen zur Ethik der Forschung, Göttingen 2006.
15) Vgl. etwa Wolfgang Huber/Torsten Meireis/Hans-Richard Reuter (Hgg.), Handbuch (s. Anm. 7); Ulrich H. J. Körtner/Reiner Anselm/Christian Albrecht (Hgg.), Konzepte, (s. Anm. 13); Torsten Meireis/Rolf Schieder (Hgg.), Religion and Democracy. Studies in Public Theology, Baden-Baden 2017; Ines-Jacqueline Werkner/Sarah Jäger (Hgg.), Gerechter Frieden (Buchreihe), Wiesbaden 2018–2020. In einer Besprechung war sogar von einer »neuen protestantisch-theologischen Homogenitätstendenz« die Rede (Georg Pfleiderer, Rez. zu Huber/Meireis/Reuter [Hgg.], Handbuch der Evangelischen Ethik, in: ThLZ 142 [2017], 679–681).
16) Was natürlich nicht bedeutet, dass sie keine Wirkung gehabt hätte, wie etwa die Rezeptionsgeschichte des ökumenisch entwickelten Konzepts der »responsible society« in der deutschsprachigen Ethik zeigt – vgl. etwa Heinz-Dietrich Wendland, Der Begriff der »verantwortlichen Gesellschaft« in seiner Bedeutung für die Sozialethik der Ökumene, in: Ders., Die Kirche in der revolutionären Gesellschaft. Sozialethische Aufsätze und Reden, Gütersloh 1967, 99–116; Theodor Strohm; »Verantwortliche Gesellschaft« – eine Zukunftsvision ökumenischer Sozialethik?, in: ZEE 44 (2000), 203–213; Lukas Vischer, Verantwortliche Gesellschaft? Über Zukunftsfähigkeit, Solidarität und Menschenrechte, Neukirchen-Vluyn 2001.
17) Charles Taylor, A Secular Age, Cambridge, MA 2007.
18) Anselm, Reiner, u. Ulrich H. J. Körtner [Hgg.]: Evangelische Ethik kompakt. Basiswissen in Grundbegriffen. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2015. 237 S. Kart. EUR 19,99. ISBN 9783579082219.
19) Friederike Nüssel (Hg.), Theologische Ethik der Gegenwart. Ein Überblick über zentrale Ansätze und Themen, Tübingen 2009.
20) Michael Roth/Marcus Held (Hgg.), Was ist theologische Ethik? Grundbestimmungen und Grundvorstellungen, Berlin 2018, 1.
21) Wolfgang Huber/Torsten Meireis/Hans-Richard Reuter (Hgg.), Handbuch (s. Anm. 7), 7.
22) Traugott Jähnichen/Joachim Wiemeyer, Wirtschaftsethik 4.0. Der digitale Wandel als wirtschaftsethische Herausforderung, Stuttgart 2020.
23) Vgl. Michelle Becka/Bernhard Emunds/Johannes Eurich/Gisela Kubon-Gilke/Torsten Meireis/Matthias Möhring-Hesse, Sozialethik als Kritik (ethik und gesellschaft 1), Baden-Baden 2020 (erster Band einer inzwischen siebenbändigen Reihe); vgl. www.ethik-und-gesellschaft.de.
24) Zu nennen sind etwa das vom Sozialwissenschaftlichen Institut der EKD verantwortete »Sozialethik online‹«(https://www.sozialethik-online.de) (Zugriff v. 10.05.20) oder das vom Netzwerk Ethik in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern und von den Lehrstühlen für Evangelische Ethik an den bayerischen Universitäten betreute Ethik-Lexikon (https://www.ethik-lexikon.de) (Zugriff v. 10.10.2020).
25) Jörg Hübner/Johannes Eurich/Martin Honecker/Traugott Jähnichen/ Margareta Kulessa/Günter Renz (Hgg.), Evangelisches Soziallexikon, 9. Aufl., Stuttgart u. a. 2016.
26) Vgl. etwa Christian Albrecht/Reiner Anselm (Hgg.), Teilnehmende Zeitgenossenschaft. Studien zum Protestantismus in den ethischen Debatten

der Bundesrepublik Deutschland 1949–1989 (Religion in der Bundesrepublik Deutschland 1), Tübingen 2015 (erster Band einer inzwischen neunbändigen Reihe).
27) Karl Gabriel/Hans-Richard Reuter (Hgg.), Religion und Wohlfahrtsstaatlichkeit in Deutschland. Konfessionen – Semantiken – Diskurse, Tübingen 2017; Karl Gabriel/Andreas Kurschat/Stefan Leibold/Hans-Richard Reuter (Hgg.), Religion und Wohlfahrtsstaatlichkeit in Europa. Konstellationen – Kulturen – Konflikte, Tübingen 2013.
28) Allerdings sind in jüngerer Zeit auch im Kontext der WGTH wieder stärker ethische Themen bearbeitet worden, vgl. etwa Anne Käfer/Henning Theißen (Hgg.), In verantwortlichen Händen. Unmündigkeit als Herausforderung für Gerechtigkeitsethik, Leipzig 2018.
29) Vgl. EKD, Engagement und Indifferenz. Kirchenmitgliedschaft als soziale Praxis. V. EKD-Erhebung über Kirchenmitgliedschaft, Hannover 2014, 93.
30) Auf die Situation der Lehramtsstudierenden und derjenigen aus dem Bereich Religious Studies kann im Rahmen dieses Überblicks nicht genauer eingegangen werden. Ein Beispiel: Während Ethik in der Landeskirche der Pfalz bis 2014 ein eigenes fünftes Klausurfach darstellte, haben die meisten Landeskirchen die Ethik in die Systematische Theologie integriert, wobei jeweils ein Klausurfach im Kontext der Wissenschaftlichen Hausarbeit abgewählt werden kann (so etwa in den Prüfungsordnungen Württembergs [2012], Westfalens [2012], des Rheinlands [2012], der Lippischen Landeskirche [2014], Kurhessens [2014], Hessen-Nassaus [2014], der EKBO [2014], Badens [2011]). In mündlichen Prüfungen wird die Ethik im Regelfall gemeinsam mit der Dogmatik in einem Zeitrahmen von 25–30 Minuten geprüft, wobei eine klare Bestimmung, dass Ethik gleichberechtigt mit der Dogmatik geprüft werden muss, in der Regel fehlt. Die Zusammenstellung der Prüfungsregelungen hat Martin Leiner im Zusammenhang des Fachgesprächs Evangelische Ethik vorgenommen, dem ich dafür zu Dank verpflichtet bin.
31) Vgl. zur Begrifflichkeit und zum Themenbestand Hans-Richard Reuter, 2015 (s. Anm. 7), 18–69. Weil es in fundamentalethischer Sicht in der Regel um den Entdeckungs- und Begründungszusammenhang moralischer Perspektiven, Prinzipien, Vorstellungen und Narrative geht, ist die Nähe zur Dogmatik an dieser Stelle evident.
32) Vgl. etwa Wilfried Härle, Ethik, Berlin u. a. 2011; Rochus Leonhardt, Ethik, Leipzig 2019.
33) Trutz Rendtorff, Ethik. Grundelemente, Methodologie und Konkretionen einer ethischen Theologie. Hgg. v. Reiner Anselm u. Stephan Schleissing, 3. Aufl., Tübingen 2011. So gesehen ist es also keineswegs allein oder auch nur vorrangig Karl Barth, der die Dogmatik der Ethik vorordnet, zumal Barths Vorordnung vorrangig als geltungstheoretische Zurückstellung der Anthropologie hinter die Theologie intendiert ist und mir insofern prinzipiell mit einer epistemischen Nachordnung, die sich von konkreten bereichsethischen Problemzusammenhängen in Prozesse einer reflexiven Gleichgewichtsbestimmung zwischen den theologisch motivierten Intuitionen und Moralprinzipien leiten lässt, nicht unvereinbar erscheint, vgl. Torsten Meireis, Karl Barth, Arbeiten zur Ethik, in: M. Beintker (Hg.), Barth-Handbuch, Tübingen 2016, 251–257.
34) Dietz Lange, Ethik in evangelischer Perspektive. Grundfragen christlicher Lebenspraxis, Göttingen 1992.
35) Wolfgang Huber, Folgen christlicher Freiheit. Ethik und Theorie der Kirche im Horizont der Barmer Theologischen Erklärung, Neukirchen-Vluyn 1983; vgl. auch: Ders./Hans-Richard Reuter, Friedensethik, Stuttgart u. a. 1990.
36) Arthur Rich, Wirtschaftsethik Bd. l: Grundlagen in theologischer Perspektive, Gütersloh 1984; ders., Wirtschaftsethik Bd. 2: Marktwirtschaft, Planwirtschaft, Weltwirtschaft aus sozialethischer Sicht, Gütersloh 1992.
37) Demgegenüber können natürlich auch bereichsethisch anmutende Untersuchungen eine epistemische Vorordnung gleichsam dogmatisch anmutender Überlegungen implizieren, wie das etwa in der wertethisch verfassten »Evangelischen Wirtschaftsethik« Georg Wünschs (Tübingen 1927) oder der politischen Ethik Walter Künneths (Politik zwischen Dämon und Gott. Eine christliche Ethik des Politischen, Berlin 1954) der Fall ist.
38) Eilert Herms, Systematische Theologie. Das Wesen des Christentums: In Wahrheit und aus Gnade leben. Bd. 2, Tübingen 2017, 1172.
39) Eilert Herms, Systematische Theologie(s. Anm. 38), 1718–1786; vgl. Johannes Fischer, Theologische Ethik (s. Anm. 7), 65–68.
40) Vgl. Johannes Fischer, Theologische Ethik (s. Anm. 7), 9.232–239.
41) Vgl. Johannes Fischer, Theologische Ethik (s. Anm. 7), 45–49.64.78–83.
42) Vgl. Johannes Fischer, Theologische Ethik (s. Anm. 7), 313, sowie ders., Bioethik in theologischer Perspektive, in: Ders., Medizin- und bioethische Perspektiven. Beiträge zur Urteilsbildung im Bereich von Medizin und Biologie, Zürich 2002, 77–104, hier: 84.
43) Vgl. etwa Ruben Zimmermann, Metaphorische Ethik. Ein Beitrag zur Wiederentdeckung der Bibel für den Ethik-Diskurs, in: ThLZ 141 (2016), 295–308.
44) Vgl. beispielsweise Elisabeth Gräb-Schmidt/Ferdinando G. Menga (Hgg.), Grenzgänge der Gemeinschaft. Eine interdisziplinäre Begegnung zwischen sozial-politischer und theologisch-religiöser Perspektive, Tübingen 2016; oder Stephan Schaede/Thorsten Moos (Hgg.), Das Gewissen, Tübingen 2015. Ein Beispiel für einen fundamentalethischen Zugriff, der keinen Gesamtentwurf intendiert, sondern von einer theoretischen Einsicht aus die Bereichsethiken auf die Konsequenzen aus dieser Einsicht befragt, bildet Klaas Huizings im besten Sinne essayistische ›Schamethik‹ (Scham und Ehre. Eine theologische Ethik, Gütersloh 2016, 15). Huizing expliziert die im Entdeckungszusammenhang calvinistischer Sozialisation lozierte These, dass die Vermeidung passivierender Scham in die Gewalt und so in die Schuld führe, mit vorrangig philosophischen Mitteln theoretisch und entwirft unter Rekurs auf die Möglichkeiten narrativer Ethik eine Umgangsstrategie, indem die poetische oder erzählende »Weisheit als gesamt-biblisches Angebot einer wohlwollenden Lebensführungsschulung und als Kulpationsverhinderungsmanagement« entwickelt wird ( a. a. O., 88–133, hier: 90) – die sich daraus ergebenden Einsichten dienen dann als Lichtquellen, in denen die Bereiche der materialen Ethik neue Facetten zeigen.
45) Julian Nida-Rümelin, Theoretische und angewandte Ethik: Paradigmen, Begründungen, Bereiche, in: Ders. (Hg.), Angewandte Ethik (s. Anm. 12), 2–85.
46) Vgl. zum Begriff des Überlegungsgleichgewichts, der in der Regel auf John Rawls zurückgeführt wird, Hans-Richard Reuter, Grundlagen (s. Anm. 7), 98–101; Johannes Fischer, Theologische Ethik (s. Anm. 7), 239–250; Norman Daniels, Reflective Equilibrium, The Stanford Encyclopedia of Philosophy (Summer 2020 Edition), Edward N. Zalta (ed.), URL = https://plato.stanford.edu/archives/sum2020/ entries/reflective-equilibrium/.
47) Vgl. Peter Dabrock, Zugehörigkeit und Öffnung. Zum Verhältnis von kultureller Praxis und transpartikularer Geltung, in: Glaube und Lernen 16 [2001], 53–65; Torsten Meireis, »Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes …«. Güterethik als Moment einer dreigliedrigen Ethik des Guten in christlicher Perspektive, in: Ders./Hans-Richard Reuter, Das Gute und die Güter, Münster 2007, 42–71.
48) Selbstverständlich kann hier nur ein Ausschnitt der Forschung geboten werden: Peter Dabrock (unter Mitarbeit von Ruth Denkhaus), Befähigungsgerechtigkeit. Ein Grundkonzept konkreter Ethik in fundamentaltheologischer Perspektive, Gütersloh 2012; Hans-Ulrich Dallmann/Andrea Schiff, Ethische Orientierung in der Pflege, Marburg 2016; Nancy L. Eiesland, Der behinderte Gott. Anstöße zu einer Befreiungstheologie der Behinderung, Würzburg 2018; Marco Hofheinz, Gezeugt, nicht gemacht. In-vitro-Fertilisation in theologischer Perspektive, Münster 2008; Ulrich H. J. Körtner, Ethik im Krankenhaus. Diakonie – Seelsorge – Medizin, Göttingen 2007; Hartmut Kreß, Medizinische Ethik, Stuttgart 2009; Thorsten Moos, Krankheitserfahrung und Religion, Tübingen 2018; Melanie Werren, Würde und Demenz. Grundlegung einer Pflegeethik, Baden-Baden 2019.
49) Jörg Hübner, »Macht euch Freunde mit dem ungerechten Mammon!« Grundsatzüberlegungen zu einer Ethik der Finanzmärkte, Stuttgart u. a. 2006; Traugott Jähnichen, Wirtschaftsethik. Konstellationen – Verantwortungsebe-nen – Handlungsfelder, Stuttgart u. a. 2008; ders./Joachim Wiemeyer, Wirtschaftsethik (s. Anm. 22); Arne Manzeschke (Hg.), Evangelische Wirtschaftsethik– wohin? Berlin 2019; Nils Ole Oermann, Anständig Geld verdienen? Eine Protes-tantische Wirtschaftsethik, Freiburg i. Br. 2014; Andrea Roth, Option Menschlichkeit. Wirtschaftsethische Perspektiven im Kontext Öffentlicher Theologie und religiöser Bildung, Leipzig 2017; Gotlind Ulshöfer, Soziale Verantwortung aus protestantischer Perspektive. Kriterien für eine Ethik der Handlungsräume angesichts der Corporate Social Responsibility-Debatte, Stuttgart 2015.
50) Wolfgang Huber, Gerechtigkeit und Recht. Grundlinien christlicher Rechtsethik, 3. Aufl. Gütersloh 2006; Hartmut Kreß, Ethik der Rechtsordnung. Staat, Grundrechte und Religionen im Licht der Rechtsethik, Stuttgart u. a. 2012.
51) Reiner Anselm, Politische Ethik, in: Wolfgang Huber/Torsten Meireis/ Hans-Richard Reuter (Hgg.), Handbuch (s. Anm. 7), 195–264; Stefan Grotefeld, Religiöse Überzeugungen im liberalen Staat. Protestantische Ethik und die Anforderungen öffentlicher Vernunft, Stuttgart)2006; Florian Höhne/Torsten Meireis (Hgg.), Religion and Neonationalism in Europe, Baden-Baden 2020; Rebekka Klein, Depotenzierung der Souveränität. Religion und politische Ideologie bei Claude Lefort, Slavoj Zizek und Karl Barth, Tübingen 2016; Hartmut Kreß, Staat und Person. Politische Ethik im Umbruch des modernen Staates, Stuttgart 2018; Martin Leiner/Christine Schließer (Hgg.), Alternative Approaches in Conflict Resolution, London 2018; Christian Polke, Öffentliche Religion in der Demokratie. Eine Untersuchung zur weltanschaulichen Neutralität des Staates, Leipzig 2009; Arnulf von Scheliha, Protestantische Ethik des Politischen, Tübingen 2013; ders., Religionspolitik. Beiträge zur politischen Ethik und zur politischen Dimension des religiösen Pluralismus, Tübingen 2018.
52) Vgl. hierzu die von Ines-Jacqueline Werkner und Sarah Jäger zwischen 2018 und 2020 herausgegebene, bisher 25 Bände umfassende Buchreihe »Gerechter Frieden« (Wiesbaden 2018–2020), die ein Ergebnis des im Rahmen der EKD

initiierten dreijährigen interdisziplinären Konsultationsprozesses zur Friedensethik darstellt; Jean Daniel Strub/Stefan Grotefeld (Hgg.), Der gerechte Friede zwischen Pazifismus und gerechtem Krieg. Paradigmen der Friedensethik im Diskurs, Stuttgart 2007; Marco Hofheinz, »Er ist unser Friede«: Karl Barths chris-tologische Grundlegung der Friedensethik im Gespräch mit John Howard Yoder, Göttingen 2014; Hartwig von Schubert, Pflugscharen und Schwerter. Plädoyer für eine realistische Friedensethik, Leipzig 2018.
53) Celia Deane-Drummond/Sigurd Bergmann/Markus Vogt (Eds.), Religion in the Anthropocene. Foreword by H. Bedford-Strohm, Eugene 2017; Elisabeth Gräb-Schmidt, Umweltethik in: Wolfgang Huber/Torsten Meireis/Hans-Richard Reuter (Hgg.), Handbuch (s. Anm. 7), 649–709; Ulrich H. J. Körtner, Bioethik der nichtmenschlichen Lebensformen, in: Wolfgang Huber/Torsten Meireis/Hans-Richard Reuter (Hgg.), Handbuch (s. Anm. 7), 585–648; Torsten Meireis/Gabriele Rippl (Hgg.), Cultural Sustainability, London u. a. 2019; Clemens Wustmans, Tierethik als Ethik des Artenschutzes. Chancen und Grenzen, Stuttgart 2015.
54) Heinrich Bedford-Strohm, Gemeinschaft aus kommunikativer Freiheit. Sozialer Zusammenhalt in der modernen Gesellschaft. Ein theologischer Beitrag, 2. Aufl., Leipzig 2018; Johannes Eurich, Gerechtigkeit für Menschen mit Behinderung. Sozialethische Reflexionen und sozialpolitische Perspektiven, Frankfurt a. M. 2008; Torsten Meireis, Tätigkeit und Erfüllung. Protestantische Ethik im Umbruch der Arbeitsgesellschaft, Tübingen 2008; ders., Ethik des Sozialen, in: Wolfgang Huber/Torsten Meireis/Hans-Richard Reuter (Hgg.), 2015 (s. Anm. 7), 265–330.
55) Frank Martin Brunn, Sportethik. Theologische Grundlegung und exemplarische Ausführung, Berlin u. a. 2014; Michael Coors, Altern und Lebenszeit. Phänomenologische und theologische Studien zu Anthropologie und Ethik des Alterns, Tübingen 2020; Peter Dabrock/Renate Augstein/Cornelia Helfferich/Stefanie Schardien, Unverschämt – schön. Sexualethik: evangelisch und lebensnah, Gütersloh 2015; Sabine Plonz, Wirklichkeit der Familie und protestantischer Diskurs. Ethik im Kontext von Re-Produktionsverhältnissen, Geschlechterkultur und Moralregime, Baden-Baden 2018.
56) Vgl. Arnulf von Scheliha, Protestantische Ethik (s. Anm. 51), 221.
57) Vgl. Arnulf von Scheliha, Protestantische Ethik (s. Anm. 51), 221–227.
58) Vgl. Rebekka Klein, Depotenzierung (s. Anm. 51).
59) Vgl. etwa Bernhard Emunds, Politische Wirtschaftsethik globaler Finanzmärkte, Wiesbaden 2014; Matthias Möhring-Hesse, Die demokratische Ordnung der Verteilung. Eine Theorie der sozialen Gerechtigkeit, Frankfurt a. M. 2004; Joachim Wiemeyer, Keine Freiheit ohne Gerechtigkeit. Christliche Sozialethik angesichts globaler Herausforderungen, Freiburg i. Br. 2015; Marianne Heimbach-Steins, Grenzverläufe gesellschaftlicher Gerechtigkeit: Migration – Zugehörigkeit – Beteiligung, Paderborn 2016.
60) Beispielhaft zeigt das etwa der bereits erwähnte Konsultationsprozess zur Friedensethik in der schon benannten Reihe (s. Anm. 52), vgl. etwa Ines-Jacqueline Werkner/Torsten Meireis (Hgg.), Rechtserhaltende Gewalt. Eine ethische Verortung, Fragen zur Gewalt Bd. 2 (Gerechter Frieden II.2), Wiesbaden 2019.
61) Überschneidungen lassen sich etwa in Zusammenhängen der Kommunikations- und Medienethik (vgl. Jonas Bedford Strohm/Florian Höhne/Julian Zeyher-Quattlender [Hgg.], Digitaler Strukturwandel der Öffentlichkeit. Interdisziplinäre Perspektiven auf politische Partizipation im Wandel, Baden-Baden 2019), der politischen Ethik (Torsten Meireis/Rolf Schieder, Religion [s. Anm. 15], der Ethik der Lebensformen (Isolde Karle, Liebe in der Moderne. Körperlichkeit, Sexualität und Ehe, Gütersloh 2014), der Bioethik nichtmenschlicher Lebewesen (Clemens Wustmans/Niklas Peuckmann [Hgg.], Räume der Mensch-Tier-Beziehung(en). Öffentliche Theologie im interdisziplinären Gespräch, Leipzig 2020) und anderen leicht zeigen.
62) Vgl. etwa Markus Witte (Hg.), Gerechtigkeit, Tübingen 2012; Ruben Zimmermann, Metaphorische Ethik (s. Anm. 43); Moisés Mayordomo, Der revolutionäre Jesus – Ein Experiment im Zeichen der Moderne, in: Berliner Theologische Zeitschrift 26 (2019), 180–192.
63) Die Aufzählung der Disziplinen ist natürlich offen und ergänzungsbedürftig.
64) Vgl. Johannes Fischer, Theologische Ethik (s. Anm. 7), 8–9.
65) Auch wenn eine gewisse Abgeschlossenheit des angelsächsischen wie des deutschsprachigen Diskurses nicht zu leugnen ist und eine Beschleunigung der Internationalisierungstendenz wünschenswert wäre, ist diese Tendenz doch vor allem in interdisziplinären Arbeiten deutlich sichtbar (vgl. z. B. Matthias Braun/Hannah Schickl/Peter Dabrock [Eds.], Between Moral Hazard and Legal Uncertainty. Ethical, Legal and Societal Challenges of Human Genome Editing, Wiesbaden 2018; Florian Höhne/Torsten Meireis (Hgg.), Religion and Neonationalism in Europe (Anm. 51); Bernhard Koch [Ed.], Chivalrous Combatants? The Meaning of Military Virtue Past and Present, Nomos 2019; Ulrich Schmiedel/ Graeme Smith [Eds.], Religion in the European Refugee Crisis, London 2018; Matthew Ryan Robinson/Inja Inderst [Eds.], What Does Theology Do, Actually? Observing Theology and the Transcultural, Leipzig 2020).
66) Vgl. etwa die interdisziplinäre Forschung zum Verhältnis von Religion und Entwicklungsdiskursen: Philipp Öhlmann/Luise Frost/Wilhelm Gräb, African Initiated Churches’ Potential as Development Actors (HTS Theological Studies, vol. 72, n. 4), Pretoria 2016.
67) Torsten Meireis, Die Rückkehr des »prophetischen Wächteramts‹«der Kirche? Öffentliche als kritische Theologie, in: Ulrich H. J. Körtner/Reiner Anselm/ Christian Albrecht (Hgg.), Konzepte (s. Anm. 13), 27–42; Florian Höhne, Öffentliche Theologie. Begriffsgeschichte und Grundfragen, Leipzig 2015; Florian Höhne/ Friederike van Oorschot (Hgg.), Grundtexte Öffentliche Theologie, Leipzig 2015; Sebastian Kim/Katie Day (Eds.), A Companion to Public Theology, Leiden 2017.
68) Der englische Begriff wird hier verwendet, um zu signalisieren, dass hier nicht nur die mit der deutschen Wendung oft gemeinte Position Wolfgang Hubers und Heinrich Bedford-Strohms bezeichnet werden soll.
69) Das macht auch die Differenz zum immer schon feststellbaren Öffentlichkeitsbezug namentlich der reformatorischen Theologie aus, wie er sich etwa in CA XIV ausdrückt – der Diskurs zielt auf die theologische Reflexion angesichts bestimmter gesellschaftlicher Verhältnisse.
70) Vgl. David Tracy, Eine Verteidigung des öffentlichen Charakters der Theologie, in: Florian Höhne/Friederike van Oorschot (Hgg.), 2015 (s. Anm. 67), 37–49.
71) Vgl. etwa John W. de Gruchy, Von Politischer zu Öffentlicher Theologie. Die Rolle der Theologie im öffentlichen Leben in Südafrika, in: Florian Höhne/Frederike Oorschot (Hgg.), Grundtexte (s. Anm. 67), 107–126; anders etwa Sam Tinyiko Maluleke, Reflections and Resources. The Elusive Public of Public Theology: A Response to William Storrar, in: International Journal of Public Theology 5 [2011], 79–89.
72) Sunday B. Agang/Hendrik Jurgens/Dion A. Forster (Eds.), African Public Theology, Bukuru u. a. 2020.
73) Vgl. etwa Adrianus Sunarko, Religion in a Democratic and Pluralistic

Society (The Experience of Indonesia), in: The International Journal of Public Theology 12 (2018), 440–454.
74) Vgl. neben den Beiträgen in Ulrich H. J. Körtner/Reiner Anselm/Christian Albrecht (Hgg.), Konzepte ( s. Anm. 13), etwa Christian Albrecht/Reiner Anselm, Öffentlicher Protestantismus. Zur aktuellen Debatte um gesellschaftliche Präsenz und politische Aufgaben des evangelischen Christentums, Zürich 2017; dies., Differenzierung und Integration. Fallstudien zu Präsenzen und Praktiken eines Öffentlichen Protestantismus, Tübingen 2020; Heinrich Bedford-Strohm, Öffentliche Theologie in der Zivilgesellschaft, in: Florian Höhne/Friederike van Oorschot (Hgg.), Grundtexte (s. Anm. 67), 211–226; Wolfgang Huber, Kirche (s. Anm. 10); Traugott Jähnichen, »Öffentliches Christentum«. Eine unterschätzte Dimension christlicher Präsenz im Kontext der Kirchenmitgliedschaftsuntersuchungen, in: EvTh 75 (2015), 166–178; Torsten Meireis/Rolf Schieder (Hgg.), Religion (s. Anm. 15); Thomas Schlag, Öffentliche Kirche. Grunddimensionen einer praktisch-theologischen Kirchentheorie, Zürich 2012; Christine Schliesser, Theologie im öffentlichen Ethikdiskurs. Studien zur Rolle der Theologie in den nationalen Ethikgremien Deutschlands und der Schweiz, Leipzig 2019.
75) Vgl. Anm. 8 und 11.
76) Vgl. Torsten Meireis, »O daß ich tausend Zungen hätte«. Chancen und Gefahren der digitalen Transformation politischer Öffentlichkeit – die Perspektive evangelischer Theologie, in: Jonas Bedford-Strohm/Florian Höhne/Julian Zeyher-Quattlender, Strukturwandel (s. Anm. 61), 47–62.
77) Vgl. zum Begriff der Transdisziplinarität Harald Voelker, Von der Interdisziplinarität zur Transdisziplinarität?, in: Frank Brand/Franz Schaller/Harald Völker (Hgg.), Transdisziplinarität: Bestandsaufnahme und Perspektiven. Beiträge zur THESIS-Arbeitstagung im Oktober 2003 in Göttingen, Göttingen 2004, 9–28.
78) Dass zum Beispiel die Kammern und Ämter der Evangelischen Kirche in Deutschland Orte sind, an denen sich auch gegenwärtig Fachvertreter und Fachvertreterinnen der Ethik in erheblicher Zahl tummeln, ist gewiss kein neues Phänomen, wird aber im Diskursparadigma der public theology gerade auch in Be- zug auf den öffentlichen Charakter der Bereichsethiken in Verbindung mit den neuen öffentlichen Explikationsnotwendigkeiten der zivilgesellschaftlichen Organisation Kirche verständlich.
79) Vgl. Christian Albrecht/Reiner Anselm, Öffentlicher Protestantismus (s. Anm. 74); Jonas Bedford-Strohm/Florian Höhne/Julian Zeyher-Quattlender (Hgg.), 2019 (s. Anm. 61); Torsten Meireis, Öffentlichkeit – eine kritische Revision. Zur Grundlegung öffentlicher als kritischer Theologie, in: Michelle Becka/Bernhard Emunds/Johannes Eurich/Gisela Kubon-Gilke/Torsten Meireis/Matthias Möhring-Hesse, Sozialethik (s. Anm. 23); Stefanie Schardien, Sterbehilfe als Herausforderung für die Kirchen. Eine ökumenisch-ethische Untersuchung konfessioneller Positionen, Gütersloh 2007; sowie insgesamt die Beiträge der von Heinrich Bedford-Strohm, Wolfgang Huber und Torsten Meireis herausgegebenen Reihe »Öffentliche Theologie« (bisher 39 Bde.).