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Ausgabe:

April/2000

Spalte:

404 f

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Head, Peter M.

Titel/Untertitel:

Christology and the Synoptic Problem. An Argument for Marcan Priority.

Verlag:

Cambridge: Cambridge University Press 1997. XVIII, 337 S. 8 = Society for New Testament Studies. Monograph Series, 94. Lw. £ 37.50. ISBN 0-521-58488-4.

Rezensent:

Dietrich-Alex Koch

Die 1994 in Cambridge bei Morna D. Hooker fertiggestellte Dissertation hat ihren Ort in der im angelsächsischen Raum in jüngster Zeit z. T. sehr intensiv geführten Debatte über die Zwei-Quellen-Theorie. Der Vf. konzentriert sich auf einen wichtigen, auch theologisch interessanten Einzelaspekt der Debatte, das sog. ’christological argument’. Gemeint ist damit die Annahme, die (in Richtung auf eine Hoheitschristologie) weiterentwickelte Christologie des Mt sei im Umkehrschluss ein positives Argument für die Mk-Priorität. Der Vf. bezeichnet diese Argumentation (bei der u. a. auf die Auslassung der Gefühlsregungen Jesu durch Mt hingewiesen wird) als den "primarily British support for Marcan priority" (18) und bezieht sich dabei auf die Beiträge von E. Abott, A. B. Bruce, W. Sanday, J. C. Hawkins, W. C. Allen und B. H. Streeter (in der Zeit zwischen 1879 und 1924).

Die Wiederbelebung der Griesbach-Hypothese (Mk als verkürzte Wiedergabe von Mt und Lk) durch W. R. Farmer und die (die Mk-Priorität voraussetzende) redaktionsgeschichtliche Synoptikerauslegung machen in der Tat eine kritische Überprüfung und Neubewertung der ,christologischen Argumentation’ erforderlich. Der Vf. fragt daher nach der Tragfähigkeit der traditionellen ,christologischen Argumente’ und bringt zusätzlich neue Themenfelder in die Diskussion ein. Kriterium ist jeweils, ob sich für die christologisch relevanten Differenzen zwischen Mk und Mt eine überzeugende Erklärung im Rahmen einer umfassenden Redaktionsarbeit eines der beiden Evangelisten aufzeigen lässt - sei es im Rahmen einer Gesamtredaktion des MtEv (auf der Basis der Mk-Priorität), sei es im Rahmen einer Gesamtredaktion des MkEv als Bearbeitung des Mt (auf der Basis der Mt-Priorität).

Die Untersuchung fällt für die traditionellen christologischen Argumente weitgehend negativ aus (49-125): Die vermeintlichen Auslassungen der Gefühlsregungen Jesu sowie die Korrekturen seines (vermeintlichen) Unwissens bei Mt sind keineswegs eindeutig christologisch bedingt und zudem auch unter der Voraussetzung der Mt-Prorität erklärbar. Dies gilt auch für den häufig in diesem Zusammenhang herangezogenen Text Mt 19,16-22 (im Verhältnis zu Mk 10,17-22). Ein positives Ergebnis zugunsten der Mk-Priorität ist in diesen Fällen vor allem auch deshalb nicht zu erreichen, weil die Argumentation primär negativ orientiert ist (an den vermeintlichen Schwierigkeiten, die Mt mit dem Mk-Text gehabt haben soll); sie gewinnt daher auch dann erst an Überzeugungskraft, wenn die Mk-Priorität bereits feststeht. Umgekehrt gilt aber auch, dass sich aus den hier beobachteten Differenzen keine positiven Argumente für die Griesbach-Hypothese ergeben.

Eindeutiger wird das Bild dagegen in den Bereichen, die der Vf. auf dem Hintergrund der neueren redaktionskritischen Analysen neu in die Diskussion über die Mk- oder Mt-Priorität mit einbezieht, nämlich die Frage nach der christologischen Gesamtkonzeption der beiden Evangelisten. Hier diskutiert der Vf. die Verwendung der verschiedenen Hoheitstitel (Jesus als ,Lehrer’, als ,Herr’, als Messias, Sohn Gottes und Menschensohn), die jeweilige Darstellung der Passion Jesu und das ,Messiasgeheimnis’. Wiederum diskutiert der Vf. den jeweiligen Befund doppelt - den Befund bei Mt auf dem Hintergrund des MkEv (Mk-Priorität) und den Befund im MkEv als mögliche Änderung einer Mt-Vorlage (Griesbach-Hypothese). Hier, wo die Testfrage die ist, ob sich jeweils ein plausibles und kohärentes Bild für eine Mehrzahl von Differenzbeobachtungen ergibt, ist das Resultat eindeutig: Ein kohärentes und plausibles Gesamtergebnis lässt sich allein für das MtEv auf der Basis der Mk-Priorität gewinnen, nicht jedoch für ein MkEv als Bearbeitung des MtE. (vgl. die übersichtliche Zusammenfassung der Arbeitsergebnisse im Schlusskapitel, 256-262). Damit bestätigt sich ein Eindruck, der in der vom Vf. zu Beginn referierten Diskussion bereits angeklungen ist (36 f.): die grundsätzliche redaktionsgeschichtliche Schwäche der Griesbach-Hypothese.

Gleichwohl liegt in der ruhig vorgetragenen und methodisch sehr bewusst durchgeführten Einzelanalyse der Gewinn der Arbeit, und dem Rez. bleibt die erfreuliche Feststellung, zu einem an sich altbekannten Thema doch etwas Neues gelesen zu haben.