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Ausgabe:

April/2000

Spalte:

397–399

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Surmar, Bohumil

Titel/Untertitel:

Die Unterscheidung zwischen den wahren und falschen Propheten. Eine Untersuchung aufgrund der Lehre des Rabbi Moses Maimonides auf dem Hintergrund der rabbinischen Lehren, der griechischen und arabischen Philosophie und der Prophetologie des Islam.

Verlag:

Bern-Berlin-Frankfurt /M.-New York-Paris-Wien: Peter Lang 1997. 272 S., 8 = Europäische Hochschulschriften, Reihe XXIII: Theologie, 615. Kart. DM 74,-. ISBN 3-906759-25-3.

Rezensent:

Stefan Schreiner

Zu den Themen, die in der vorab mittelalterlichen Auseinandersetzung zwischen Judentum, Christentum und Islam - und in der Auseinandersetzung zwischen Juden und Muslimen noch weit stärker, als dies in der Auseinandersetzung mit den Christen je der Fall war - aus naheliegenden Gründen eine herausragende Rolle spielten, ja im Brennpunkt standen und entsprechend oft und gleichermaßen intensiv diskutiert worden sind, gehört die Lehre von der Prophetie. Reklamierte die islamische Tradition mit ihrem Bekenntnis zum Prophetentum Muhammads und seiner Vermittlung der in Gestalt des Koran Schrift gewordenen göttlichen Offenbarung für sich doch nicht weniger prophetischen Ursprung, als dies die jüdische Überlieferung mit ihrem Insistieren auf der Unvergleichlichkeit des Prophetentums des Mose und der durch ihn vermittelten unveränderlichen göttlichen Tora für sich in Anspruch nahm. Eine Beschäftigung mit der jüdischen und/oder islamischen Prophetologie bedeutet daher immer auch, nicht nur ins Zentrum der Auseinandersetzung zwischen den Religionen vorzustoßen, sondern das jeweilige Selbstverständnis der beiden Religionen zu berühren.

Für das mittelalterliche Judentum war es ohne Zweifel Mose ben Maimon (Maimonides) (1135/8-1204), für den die Prophetologie die entscheidende Differenz zwischen den Religionen zu begründen ermöglichte; und wie kein anderer war er daher um die Konzipierung einer Prophetologie bemüht, die nicht nur Auseinandersetzung mit, sondern vor allem Abgrenzung von den beiden anderen monotheistischen Religionen implizierte und es zwischen den Zeilen zumindest an entsprechender Polemik nicht fehlen ließ. Dass in seinen populären "dreizehn Glaubenslehren" die die Prophetie betreffenden Lehren Nummer 6 und 7 nicht nur die ausführlichsten sind, sondern formal in deren Mittelpunkt stehen, ist denn auch ganz gewiss kein Zufall. Diese im Wesentlichen auf den einschlägigen Aussagen des Deuteronomiums basierende und diese mit den Mitteln mittelalterlicher (aristotelischer) Philosophie erklärende Prophetologie des Maimonides nachzuzeichnen und dabei zugleich die in ihr enthaltene, allem voran antiislamische Polemik zur Sprache zu bringen, ist das Anliegen des hier anzuzeigenden Buches, der Münchner theologisch-philosophischen Dissertation Bohumil Surmars aus dem Jahre 1996.

Von einer Einführung, in der der Reihe nach die wichtigsten griechischen, arabischen und jüdischen Quellen der Philosophie und Prophetologie des Maimonides in aller Kürze benannt werden (11-25), und einem die Ergebnisse zusammenfassenden Schlusswort (228-235) eingerahmt, behandelt der Vf. dazu im ersten Hauptteil die in der mittelalterlichen jüdisch-arabischen Seelenlehre fußenden Anschauungen von den generellen seelisch-körperlichen Voraussetzungen der Prophetie; denn damit ein Prophet ein Prophet sein kann, bedarf es einer bestimmten persönlichen Disposition, zumal dann, wenn seine Prophetie wahre Prophetie sein soll (27-72).

Im zweiten Hauptteil geht es um die wesentlich ethischen Kriterien (z. B. die Lebensführung), die zur Beurteilung der Propheten im Allgemeinen und des Mose im Besonderen heranzuziehen sind. Die entscheidenden Anhaltspunkte für die dabei entwickelte Vorstellung von der Superiorität des Mose, für die Idee, dass er der schlechterdings unvergleichliche Prophet ist, entnahm Maimonides dem Mosebild des Deuteronomiums. Um diese biblisch überlieferte Sonderstellung des Mose nicht nur gebührend hervorzuheben, sondern philosophisch zu begründen, war es ihm in seiner Prophetologie daher vor allem zu tun (73-128).

Zwei weitere Kriterien schließlich erörtert der Vf. im dritten Hauptteil; zum einen das Problem der Erfüllung des Prophetenwortes als Kriterium der Wahrhaftigkeit eines Propheten, bei dem Maimonides wiederum Dtn 18 folgt (129-168), und zum anderen das Problem des prophetischen Beglaubigungswunders (169-227). Gerade dem zuletzt genannten Problem kommt eine besondere Bedeutung zu, insofern nämlich, als Maimonides im Unterschied, ja Gegensatz zur (jüdischen) Tradition (Saadja, Jehuda ha-Lewi u. a.) die Notwendigkeit eines prophetischen Beglaubigungswunders zwar bestreitet, die Möglichkeit eines Wunders an sich damit aber nicht leugnen will und die Möglichkeit eines gottgewirkten Wunders, wie es beispielsweise die Wiederbelebung der Toten darstellt, durchaus anzunehmen bereit ist.

Ist all das, was der Vf. dazu in seiner Arbeit vorgetragen hat, im Grunde auch nicht neu - ein nicht unerheblicher Teil seiner Arbeit besteht wohl auch nicht zufällig aus Zitaten aus der reichlich herangezogenen Sekundärliteratur (Bibliographie: 243-269); auch bei den von ihm beleuchteten Quellen ist er weithin von vorhandenen, oft noch aus dem 19. Jh. stammenden Übersetzungen der entsprechenden Texte abhängig -, so ist ihm gleichwohl zu bescheinigen, die maimonideische Lehre von der Prophetie sachlich zutreffend zusammengefasst und in allgemein verständlicher Form dargestellt zu haben. Das gilt hinsichtlich der Darlegung ihrer wesentlichen Elemente und ihrer Bedeutung für die Auseinandersetzung zwischen den Religionen ebenso wie hinsichtlich derjenigen Probleme, die - wie die Frage nach den Wundern - zu innerjüdischen Konflikten geführt haben.