Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

April/2000

Spalte:

387 f

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Gowan, Donald E.

Titel/Untertitel:

Theology of the Prophetic Books. The Death and Resurrection of Israel.

Verlag:

Louisville: Westminster John Knox Press 1998. XIII, 250 S. gr.8. ISBN 0-664-25689-9.

Rezensent:

Aaron Schart

Donald E. Gowan bietet eine Einführung in die Geschichte der Prophetie, wie sie ihren Niederschlag in den kanonischen Prophetenbüchern gefunden hat. Für eine Leserschaft mit geringen Vor- und Hebräischkenntnissen stellt er die Grundgedanken der einzelnen Propheten in historischer Folge dar. Zunächst wird jeweils die geschichtliche Epoche skizziert, sodann die Botschaft der Propheten dieser Epoche dargestellt und schließlich kurz über die Gründe und Zielrichtung der redaktionellen Bearbeitungen reflektiert, die die jeweiligen ältesten literarischen Schichten der Prophetenbücher erfahren haben. Es ergibt sich, dass alle Propheten und deren Redaktoren auf je verschiedene Weise eine Grundkonzeption variieren: Sie sehen den Untergang Israels kommen, der seit Amos (Am 5,1-2.16-17) oft metaphorisch als "Tod" beschrieben wird. Diese Zerstörung führen sie aber nicht auf Jahwes Willkür oder Machtlosigkeit, sondern auf die Schuld Israels zurück, der gegenüber Jahwe letztendlich nicht anders handeln konnte. Sie sind sich aber auch in der Hoffnung einig, dass Israel seinen Untergang mit Gottes Hilfe durchstehen und als erneuertes Volk wieder in seinem Land existieren wird - ein Vorgang, den Ez 37 als "Auferstehung Israels" imaginiert. Historisch lässt sich feststellen, dass vor dem Exil das Gewicht auf der Ankündigung des "Todes Israels" liegt, mit Deuterojesaja aber die Hoffnung auf eine herrliche Wiederherstellung Israels ins Zentrum tritt.

Die Darstellung der einzelnen Propheten folgt einer vielfach bewährten dreigliedrigen Epochenfolge: Die Propheten des 8. Jh.s stehen unter dem Eindruck der assyrischen Bedrohung, die des 7. und 6. Jh.s setzen die Vorherrschaft der Neubabylonier voraus, wohingegen in der nachexilischen Zeit, der auch Deuterojesaja zugerechnet wird, die Perser die bestimmende Macht sind. Voraus geht dem Ganzen ein Kapitel "The Prophets as Theologians" (1-21), in dem methodologische Fragen gestreift und einige Passagen aus nicht-prophetischen Büchern besprochen werden, die sich theologisch mit der Exilserfahrung als dem "Tod" Israels auseinandersetzen (z. B. Dtn 4; 28-30; Lev 26). Zum Abschluss behandelt ein Kapitel (188-200) die bleibende Bedeutung der alttestamentlichen Prophetie, sowohl für das Juden- als auch für das frühe Christentum.

Diese Einführung konzentriert sich ganz auf die großen theologischen Themen und bietet diese dar, ohne sich von Details der herangezogenen Textpassagen ablenken zu lassen. Zu Gunsten einer flüssigen, durchaus interessanten Darstellung wird auf ausführliche Argumentationen und die Auseinandersetzung mit anderen literarkritischen oder hermeneutischen Ansätzen weitgehend verzichtet. Inhaltlich steht G. ganz auf dem Boden der klassischen Darstellungen Duhms und von Rads. Neuere Entwicklungen in der Kanonkritik, der feministischen Hermeneutik, der Befreiungstheologie oder der Schöpfungslehre spielen kaum eine Rolle. Auch redaktionsgeschichtliche Probleme kommen nur am Rande vor, obwohl der im Titel enthaltene Ausdruck "prophetic book" einen Bezug auf aktuelle Forschungsbeiträge nahegelegt hätte (vgl. etwa Collins, Terence: The Mantle of Elijah. The Redaction Criticism of the Prophetical Books. The Biblical Seminar 20. Sheffield: JSOT Press, 1993; Steck, Odil Hannes: Die Prophetenbücher und ihr theologisches Zeugnis. Wege der Nachfrage und Fährten zur Antwort. Tübingen: Mohr, 1996): Nur die jeweils ältesten Schichten der Prophetenbücher sind organisch in den historisch angelegten Gesamtaufbau eingepasst. Die redaktionellen Bearbeitungsschichten werden, mit Ausnahme von Deutero- und Tritojesaja, die jeweils einen eigenen Abschnitt erhalten, nicht an ihrem historischen Ort, sondern jeweils anhangsweise unter der Überschrift "NN. as Part of the Whole Prophetic Message" interpretiert. Diese Anordnung lässt sich insofern rechtfertigen, als G. meist eine starke sachliche und zeitliche Nähe zwischen ältester Schicht und Bearbeitungen sieht. So befürwortet er etwa die These, Mi 4-7 gehörten noch in die assyrische Epoche (98). Der Titel suggeriert außerdem, die Redaktionen wären bestrebt gewesen, die einzelnen Bücher auf das theologische Gesamtthema "Tod und Auferstehung Israels" hin zu gestalten. Da alle Redaktionen, unabhängig davon, in welcher historischen Epoche sie zu verorten sind, das gleiche theologische Bestreben gehabt hätten, sei für eine theologische Interpretation die geschichtliche Einordnung der Bearbeitungsschichten von sekundärem Interesse. Wenn man in Kauf nimmt, dass insbesondere die neuere deutschsprachige Literatur nicht berücksichtigt wird, kann das Buch dazu anregen, in der Propheten-exegese die theologischen Leitlinien nicht aus dem Blick zu verlieren.