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Ausgabe:

April/2000

Spalte:

365–368

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Heiligenthal, Roman, Lemke, Friedrich, Schieder, Rolf, u. Thomas Martin Schneider

Titel/Untertitel:

Einführung in das Studium der Evangelischen Theologie.

Verlag:

Stuttgart-Berlin-Köln: Kohlhammer 1999. 302 S. gr.8. Kart. DM 35,-. ISBN 3-17-015154-1.

Rezensent:

Axel von Dobbeler

Die vier an der Universität Koblenz-Landau lehrenden Theologen richten die vorliegende Einführung ausdrücklich an Studierende des Lehramts (11), obgleich das Buch ebenso geeignet erscheint, Pfarramtsstudierende gründlich in Gegenstand und Methoden der Hauptdisziplinen der Theologie einzuführen. Lediglich die Homiletik/Seelsorge und die Religions- bzw. Missionswissenschaften werden nicht behandelt. Die Gliederung orientiert sich am klassischen Fächerkanon: Altes Testament (R. Heiligenthal); Neues Testament (R. Heiligenthal), Kirchengeschichte (Th. Schneider); Systematische Theologie (F. Lemke) und Religionspädagogik/Fachdidaktik (R. Schieder). Vorangestellt sind eine allgemeine Einführung in das Wesen des Faches Evangelische Theologie und Hinweise für das wissenschaftliche Arbeiten in der Theologie (Th. Schneider).

Das Buch erfüllt inhaltlich und methodisch/didaktisch die Erwartungen, die man an eine Einführung in das Studium der Evangelischen Theologie stellen kann. Es ist so angelegt, dass es die Studierenden problembewusst in die Fragestellungen der einzelnen Disziplinen einführt, ihnen notwendiges Grundwissen vermittelt und sie mit Hilfe zahlreicher Beispiele methodisch schult. Schaubilder und Übersichten verhelfen zu einem schnellen Erfassen grundlegender Sachverhalte, Zusammenstellungen der wichtigsten Fachliteratur ermöglichen ebenso das eigenständige Weiterstudium wie zahlreiche "Lesetips" und "Tips zum Weiterarbeiten". Damit entgehen die Verfasser der Versuchung, theologisches Wissen lediglich in mundgerechten "Häppchen" zu servieren. Das Buch nimmt die Eigenverantwortlichkeit in einem wissenschaftlichen Studium ernst, ohne jedoch die Studierenden in dem Dickicht der übergroßen Stofffülle allein zu lassen.

Besonderen Wert legen die Autoren darauf, neuere und neueste Entwicklungen und Fragestellungen in den einzelnen Disziplinen zu vermitteln, ohne jedoch die klassischen Positionen Evangelischer Theologie zu vernachlässigen. Am Beispiel der Kapitel über das "Neue Testament" (75-177) und die "Religionspädagogik/Fachdidaktik" (249-302) lässt sich dies zeigen:

Die aktuelle wissenschaftliche Diskussion im Fachgebiet Neues Testament hat sich besonders an Methodenfragen, der neuesten Fragerunde zum historischen Jesus ("the third quest") und an theologiegeschichtlichen Fragen entzündet. Die neuere Entwicklung im Bereich der Methoden spiegelt sich in der kleinen Methodenlehre zum Neuen Testament (84-114): Neben den erprobten und bewährten Methodenschritten werden auch neue Fragestellungen und Gewichtungen berücksichtigt, beispielsweise in einer ausführlichen Darstellung der sozialgeschichtlichen Zugangsweise und in der Aufnahme der neuesten Diskussion um die Interpretation neutestamentlicher Wundergeschichten und Gleichniserzählungen. Eine ausführliche Musterexegese des Gleichnisses vom barmherzigen Samaritaner (Lk 10,25-37) setzt die einzelnen methodischen Schritte für die Studierenden anschaulich in die exegetische Praxis um (107-114). Ausgehend von der klassischen These Rudolf Bultmanns zum "historischen Jesus" werden die Studierenden an die aktuellen Fragestellungen der "third quest" herangeführt und auf Grund des dargebotenen Materials befähigt, zu einer eigenen Urteilsbildung zu kommen (79 ff.). In zweifacher Weise innovativ ist der Überblick über die neutestamentlichen Schriften, die im Rahmen eines theologiegeschichtlichen Ansatzes vorgestellt werden. Mit Hilfe einer Darstellung, die sich geographisch an den Entstehungsorten der einzelnen Schriften orientiert, gelingt es, die Vielfalt und die Entwicklung theologischen Denkens in der Frühzeit des Christentums in die Geschichte seiner Ausbreitung einzubetten. Beschreibungen der für das frühe Christentum wichtigen Städte lenken den Blick verstärkt auf die biblischen Realien, ohne die ein Verständnis der Texte kaum möglich ist. Daneben werden immer wieder prosopographische Skizzen zentraler Gestalten des Urchristentums wie beispielsweise Paulus, Petrus, Maria Magdalena und Philippus eingefügt, die es den Studierenden ermöglichen, in einer weniger abstrakten Form die Lebendigkeit und Vielschichtigkeit des frühen Christentums kennenzulernen. Didaktisch hilfreich sind auch die häufig eingefügten "zentralen Texte", mit deren Hilfe wichtige Aussagen neutestamentlicher Schriften an den Originaltexten verifiziert werden können.

An einigen Stellen seiner theologiegeschichtlichen Darstellung vertritt der Vf. Positionen, die nicht der wissenschaftlichen Mehrheitsmeinung entsprechen. So wird die johanneische Tradition früher als allgemein angenommen datiert und in ihren Ursprüngen in Damaskus lokalisiert und der Jakobusbrief als ein frühes Zeugnis antiochenischer Normaltheologie behandelt. Wichtig ist an solchen Stellen, dass die Studierenden auch mit der gängigen Mehrheitsmeinung bekannt gemacht werden, so dass Einseitigkeiten vermieden werden.

Das religionspädagogische Kapitel zeichnet sich durch einen hohen Grad an Systematisierung des religionspädagogischen Feldes aus. Auf die beliebt-beliebige Darstellung sogenannter religionspädagogischer Konzeptionen im 20. Jh. wurde ganz verzichtet. Stattdessen werden die Bedingungen religionspädagogischen Handelns auf fünf verschiedenen Ebenen analysiert.

1.Auf der gesellschaftstheoretischen Ebene wird danach gefragt, welches Schicksal die Religion und die Schule in der Moderne erleiden; 2. auf der religions- und bildungstheoretischen Ebene wird der Religionsbegriff diskutiert und danach gefragt, ob Bildung eine religiöse Dimension und Religion eine Bildungsdimension haben; 3. auf der institutionellen Ebene geht es um rechtliche Fragen ebenso wie um die Frage, welches Kirchenverständnis die gegenwärtige religionsunterrichtliche Praxis voraussetzt; 4. auf der wissenschafttheoretischen Ebene wird nach den Bezugswissenschaften der Religionspädagogik gefragt, wobei der Autor dezidiert die Theologie und erst in zweiter Linie die Religionswissenschaft zur wichtigsten Bezugswissenschaft erklärt, zugleich aber unter Berufung auf Schleiermacher die Theologie nicht als normative, sondern als positive Wissenschaft auffasst, deren Einheit durch das gemeinsame Interesse am Christentum erhalten wird; 5. auf der praxistheoretischen Ebene, dem umfangreichsten Teil, geht es neben der Aufbereitung von religionspsychologischem und religionssoziologischem Grundlagenwissen und einschlägigen Modellen der Unterrichtsvorbereitung vor allem um die Darstellung gegenwärtiger Trends in der Religionsdidaktik. Ausgehend von der These, dass eine erfahrungsorientierte Religionsdidaktik zur Zeit herrschend ist, macht der Autor seine Leser mit wichtigen Ansätzen der Liturgiedidaktik, der biblischen Didaktik und dem interreligiösen Lernen bekannt. Ein kleiner Abschnitt über Disziplinschwierigkeiten im Unterricht schließt den religionspädagogischen Teil ab.

Allen Kapiteln dieses Buches spürt man die Last der räumlichen Begrenzung ab. Sprache und Stil müssen kompakt sein. Der Gewinn für die Studierenden besteht bei der Nutzung als Arbeitsbuch aber darin, sich einen Schatz an Grundwissen aneignen zu können, mit dessen Hilfe sie sich wohl orientiert auch auf selbständige Formen des Studiums einlassen können. Schleiermachers Forderung, dass jeder Studierende die Prinzipien seiner theologischen Denkungsart selbst produzieren müsse, ist eben nur erfüllbar, wenn die Lehrenden den Studierenden vorher ausreichend Orientierungshilfen gegeben haben. Dieses Buch ist jedenfalls Lehramtsstudierenden dringend zu empfehlen, aber auch Pfarramtsstudierende können davon beispielsweise bei der Vorbereitung auf Zwischenprüfungen profitieren. Ein Register - wenn auch für ein Abeitsbuch vielleicht nicht zwingend geboten - hätte gleichwohl den Nutzwert dieser "Einführung" noch vergrößert. Wünschenswert wäre in jedem Fall ein größeres Druckbild gewesen. Den insgesamt positiven Eindruck kann diese Äußerlichkeit aber nicht schmälern.