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Ausgabe:

März/2000

Spalte:

318–320

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Zehner, Joachim

Titel/Untertitel:

Arbeitsbuch Systematische Theologie. Eine Methodenhilfe für Studium und Praxis.

Verlag:

Gütersloh: Kaiser/Gütersloher Verlagshaus 1998. 192 S. 8. Kart. DM 29,80. ISBN 3-579-00400-X.

Rezensent:

Rochus Leonhardt

In den Bibelwissenschaften gehören Methodenbücher zu den üblichen Hilfsmitteln, die für den Einstieg in die wissenschaftliche Arbeit bereitstehen. In den anderen theologischen Fachgebieten sind solche Einstiegshilfen bislang eher selten entstanden. Das Arbeitsbuch Systematische Theologie von Joachim Zehner stellt den Versuch dar, dieses Missverhältnis für den Bereich der Dogmatik zu korrigieren. Dabei geht es Z. ausdrücklich nicht um eine "materiale Überblicksdarstellung" (9), sondern um eine Entfaltung der "Grundschritte dogmatischer Klärung" (10), also um die Beschreibung des Weges von der Konfrontation mit einem dogmatischen Problem bis zur Formulierung einer klaren und nachvollziehbar begründeten Lösung. Auf diesem Weg gibt es nach Z. "ein de facto, bewußt oder unbewußt praktiziertes, variabel gehandhabtes, aber in seiner Grundstruktur gemeinsames dogmatisches Verfahren" (10): Die dogmatische Methode, die im Einführungskapitel vorgestellt wird als "ein im systematisch-theologischen Studienbetrieb zu erlernendes und praktikables Verfahren systematischer Reflexion" (20). Der größte Teil des Buches (27-134) ist der Erläuterung der vier Einzelschritte dieser Methode gewidmet, die zweckmäßigerweise schon 24 f. in einer Übersicht zusammengestellt sind (vgl. auch 117). Die Darstellung erfolgt durchgängig am Beispiel des Problems der umstrittenen Taufe von Kleinkindern: "Wie ist heute angesichts neuzeitlicher Betonung der Mündigkeit des Menschen die Säuglingstaufe theologisch noch zu begründen und gesellschaftlich zu verantworten?" (39.118). Bei der Verdeutlichung der Methodenschritte kommen aber auch andere Themen der christlichen Dogmatik zur Sprache, so dass sich für den Leser die Perspektive auch in materialer Hinsicht ständig erweitert.

Schon die Erläuterung des 1. Schrittes (Bestimmung und Präzisierung des Problems) macht deutlich, dass es für Z. bei der dogmatischen Methode stets um mehr geht als um die wissenschaftliche Bearbeitung eines theoretischen Problems; die Rechenschaft des Glaubens, zu der die Methode helfen will, dient vielmehr immer auch einer "Entscheidung ... über schriftgemäßes und zeitgemäßes, authentisches und verbindliches Christsein" (28). Deshalb spielen im 1. Schritt der aktuelle Frageanlass und das eigene Vorverständnis eine wichtige Rolle; insgesamt geht es darum, "aus der Verbindung von kirchlich-gesellschaftlicher Praxis und bedeutsamen dogmatischen und (human-)wissenschaftlichen Gesichtspunkten" (38) eine erkenntnisleitende Frage zu formulieren, die zur Orientierung im wissenschaftlichen Diskurs dienen kann. Der 2. Schritt (Problembearbeitung) ist der Auseinandersetzung mit der Schrift, der theologischen Tradition, der gegenwärtigen theologischen Fachdiskussion sowie den Erkenntnissen nichttheologischer Wissenschaften gewidmet. Im 3. Schritt (Gewichten der Ergebnisse) sind die "bisher gewonnenen Erkenntnisse in einen theologisch angemessenen Begründungszusammenhang zu bringen" (119), so dass schließlich im 4. Schritt (Eigene Stellungnahme) "eine klare Antwort auf die erkenntnisleitende Frage" möglich wird, die "knapp, eindeutig und situationsbezogen" (132) formuliert ist.

Bereits im Einleitungskapitel hatte Z. mit Recht betont, dass die vier Arbeitsschritte auch das Gliederungsprinzip einer Klausur und einer Seminararbeit darstellen können (24); im Anschluss an die Erläuterung des 4. Schrittes werden noch weitere Anwendungsgebiete vorgestellt: Disputation, Predigt- und Unterrichtsvorbereitung, Fallstudie und Planspiel (134-153). Fallstudie und Planspiel werden besonders eingehend behandelt (vgl. auch schon 9 f.40-48); sie stellen nach Z. deshalb eine wichtige Ergänzung der traditionellen Lehrmethoden dar, weil sie einen "Wissenstransfer auch von der Praxis in die Hochschule" (143) ermöglichen und insofern für jene Verbindung von Theorie und Praxis wichtig sind, die seine dogmatische Methode prägt. Ein Kapitel über das Verhältnis von dogmatischer Methode und Wahrheit (154-163) sowie verschiedene äußerst nützliche praktische Hinweise zur Gestaltung des Studiums, zum Schreiben von Seminararbeiten und Klausuren, zur Nutzung des Internet und zu weiterführender theologischer Fachliteratur schließen das Arbeitsbuch ab.

Z.s Buch kann im Studium der Dogmatik zweifellos eine große Hilfe sein. Der Rez. gesteht, dass er selbst sich in seinem Studium eine Methodenhilfe dieser Art gewünscht hätte. Die immer wieder eingestreuten Hinweise auf Lexika, Zeitschriften, Quellensammlungen und Sekundärliteratur, die instruktiven Schaubilder zu verschiedenen theologischen Themen und die Fragen bzw. Aufgaben am Ende der einzelnen Abschnitte geben Orientierung und ermuntern zu eigenständiger Weiterarbeit.

Den unbezweifelbaren Nutzen seines Buches für das Studium der Dogmatik hätte Z. vielleicht noch vergrößert, wenn er das Verhältnis seiner dogmatischen zur historischen Methode in der Theologie auch explizit thematisiert hätte. Dann wäre noch deutlicher geworden, dass authentische dogmatische Urteilsbildung nicht einfach ,verlängerte’ historisch-kritische Exegese biblischer und theologiegeschichtlicher Quellen sein kann, sondern darin zum Ziel kommt, dass der historische Befund im Licht der gegenwärtigen Erfahrungswirklichkeit auf einen ,Wahrheit’ genannten Horizont hin transzendiert wird. Dieser Gedanke lässt sich zwar einigen Abschnitten durchaus entnehmen (vgl. etwa 121-125.154 ff.), aber ein systematisch-theologisches Methodenbuch sollte die gerade von vielen Studierenden als höchst brisant empfundene Problematik des Methodendualismus in der Theologie auch direkt behandeln. Ein Hinweis auf Troeltschs einschlägigen Beitrag von 1898 sowie auf neuere Überlegungen zum Problem der theologischen Enzyklopädie (Ebeling, Mildenberger, Pannenberg) hätte sich nach Meinung des Rez. gerade angesichts der Gesamtkonzeption des Arbeitsbuches von Z. nahegelegt.

Für leichte Irritation sorgen die zahlreichen Doppel- und Mehrfachhinweise vor allem bei Quellensammlungen: Denzinger (19.84.111), lutherische Bekenntnisschriften (77 f.128. 149), H. Schmid/H. G. Pöhlmann (14. 71.79.80.). Sinnvoller wäre die einmalige Nennung an geeigneter Stelle und die Beschränkung auf Vor- bzw. Rückverweise an den anderen Stellen. Eine Information zu Ausgaben der Werke Luthers oder wenigstens zum Hilfsbuch zum Lutherstudium fehlt leider völlig.

Mehrfachhinweise auf Internetadressen begegnen ebenfalls (53-55.178f.), die Adresse der UB Tübingen wird gleich dreimal genannt (51.173.178). Die Adresse der ZEE ist veraltet (jetzt: "http://www. zee.de/"), der Hinweis auf die Jahrgänge 1988-1995 der ThRv wäre zu ergänzen um den Zugang zu den neueren Jahrgängen und die aktuelle Ausgabe ("http://wwwfb02.uni-muenster.de/fb02/kathrevu/index.html"). Düpiert wird der Leser, wenn er der Adresse "http://www.atla.library. vanderbilt.edu/atla/home.html" nachzugehen versucht (54.178); der Rez. empfiehlt daher, die NZSTh unter "http://www. degruyter.de/journals/nzsth/index.html" aufzusuchen.

Die Bemerkungen zur Theologiegeschichte im 20. Jh. (88 ff.) wären zu differenzieren durch den Hinweis, dass über der Betonung des Neuanfangs der evangelischen Theologie mit Barth im Jahre 1914 nicht die Kontinuität der Theologie des 19. und 20. Jh.s vergessen werden sollte, die zuletzt J. Rohls hervorgehoben hat.

Die 4. Auflage der RGG heißt nicht mehr "Die Religion in Geschichte und Gegenwart" (so aber 33), sondern hat bewusst auf den missverständlichen Artikel verzichtet (vgl. Vorwort zu Bd. 1); bei der Aufzählung der ,freien Künste’ (105 f.) fehlt die Grammatik; das ,homoousios’ ist mit "wesensgleich" (166) nicht ganz unmissverständlich wiedergegeben, wesenseins wäre präziser.