Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

März/2000

Spalte:

317 f

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Schmidt-Leukel, Perry

Titel/Untertitel:

Grundkurs Fundamentaltheologie. Eine Einführung in die Grundfragen des christlichen Glaubens.

Verlag:

München: Don Bosco 1999. 292 S. m. Abb. gr.8. Kart. DM 36,-. ISBN 3-7698-1146-1.

Rezensent:

Wolfgang Pfüller

Das vorliegende Buch von P. Schmidt-Leukel, der vor allem durch seine Beiträge zur Theologie der Religionen hervorgetreten ist, aber u. a. auch eine unkonventionelle "Demonstratio christiana" zum gemeinsam mit H. Döring und A. Kreiner verfassten Band "Den Glauben denken. Neue Wege der Fundamentaltheologie" (1993) beigesteuert hat, ist aus der Lehrpraxis an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Münchener Universität hervorgegangen. Von daher ist es über die gewöhnliche Lektüre hinaus auch als Arbeits- und Studienbuch gedacht, wofür besonders die beigefügten Arbeitsblätter zu den einzelnen Kapiteln (273-291) nutzbar sind.

S.-L.s "Grundkurs" verfolgt vier Anliegen (vgl. 8 f.). 1. Er will in die Fundamentaltheologie einführen und daher die einschlägigen Sachverhalte möglichst einfach und klar darstellen. Dem dient nicht nur der Verzicht auf einen gelehrten Anmerkungsapparat; dem dienen auch zahlreiche erhellende Schemata und Schaubilder. 2. Er will den Zusammenhang der fundamentaltheologischen Themen verdeutlichen. Dem dienen nicht nur Querverweise und kurze Resümees am Ende eines jeden Kapitels, sondern auch die Einordnung der jeweiligen Thematik in einen weiteren fundamentaltheologischen Horizont. Sicher würde dem nicht zuletzt auch ein Stichwortverzeichnis dienen, das ich jedenfalls vermisst habe. 3. Er will unterschiedliche methodische Ansätze innerhalb der Fundamentaltheologie anfangsweise vorstellen. Dabei geht es zum einen um den "neuscholastisch geprägten Ansatz der älteren Apologetik", zum anderen um den "von der hermeneutischen Philosophie geprägten Ansatz, wie er derzeit in der kontinentaleuropäischen Theologie vorherrscht", und schließlich um den "gegenwärtig vor allem in der angelsächsischen Theologie und Religionsphilosophie dominierenden, analytisch geprägten Ansatz". Unverkennbar bevorzugt S.-L. den analytischen Ansatz, was nicht nur an der außerordentlich breiten Berücksichtigung der angelsächsischen Diskussion erhellt, sondern mehr noch am vierten Anliegen seines "Grundkurses". 4. Dies besteht in seiner Problem-orientierung. Eine solche Problemorientierung hält S.-L. zwar auch in Bezug auf eine Einführung für besonders geeignet. Zuerst aber entspricht sie seinem Verständnis von Wissenschaft als einem methodisch kontrollierten Problemlösungsverfahren. "Eine Theologie, die sich nicht an Problemen orientiert, wäre keine wissenschaftliche Theologie" (9).

S.-L. verfolgt seine Anliegen außer in einem einleitenden Kapitel zu "Aufgabe, Geschichte und Methode" der Fundamentaltheologie in 14 Kapiteln, in denen er folgende Probleme diskutiert: den Religionsbegriff (2. Kap.); Sinn und Unsinn religiöser Rede in Auseinandersetzung mit der Religionskritik analytischer Provenienz (3. und 4. Kap.); das Glaubens- und das Vernunftsverständnis (5. Kap.); die Gottesbeweise (6. Kap.); die Theodizee (7. Kap.); die funktionalistische Religionskritik Feuerbachs, Marx’, Nietzsches und Freuds (8. Kap.), das Offenbarungsverständnis und seine Bedeutung für die Gotteserkenntnis (9. Kap.); die Frage nach der Glaubensgewissheit und der Zuverlässigkeit der Glaubens- bzw. der religiösen Erfahrung (10. Kap.); die religionstheologische Fragestellung (11. Kap.); die Christologie in ihrer Offenbarungsrelevanz (12. Kap.) sowie schließlich die Frage nach der Legitimation, Einheit und Katholizität der Kirche (13.-15. Kap.).

Es kann hier nicht darum gehen, die meistenteils vorzüglichen Problemerörterungen weitergehend darzustellen. Besonders im 5., 7. und erwartungsgemäß im 11. Kapitel kann man hervorragende einführende Erörterungen lesen. Weniger überzeugend erscheinen mir die Überlegungen zum Religionsbegriff. Hier werden die Probleme allzu schnell auf einen "christlich rezipierbaren Religionsbegriff" hin enggeführt. Dabei könnte gerade ein fundierter Religionsbegriff eine entscheidende kriteriologische Funktion im Blick auf die Beurteilung christlicher und anderweitiger religiöser Positionen erfüllen; ein Problem, das vor allem für eine pluralistische Religionstheologie eminent wichtig ist. Freilich hat S.-L. zweifellos recht, wenn er auf die beträchtlichen Schwierigkeiten einer präzisen Definition von "Religion" hinweist.

Was den Aufbau seines "Grundkurses" angeht, so lehnt sich S.-L. zwar an die klassischen "demonstrationes" der katholischen Fundamentaltheologie an, revidiert sie jedoch einschneidend (vgl. 1. Kap.). Grundsätzlich tritt an die Stelle des Anspruchs auf ausschließliche Alleingeltung das anerkennende Gelten Lassen der anderen. Weder die Religion noch das Christentum noch auch die römisch-katholische Kirche können Wahrheit für sich allein beanspruchen; der Atheismus, die nichtchristlichen Religionen sowie die anderen christlichen Kirchen sind grundsätzlich rational gleichrangig, was wohlgemerkt nicht heißt, dass sie in jedem Fall bzw. in all ihren Erscheinungsweisen rational gleichrangig sind. Diese Sichtweise bringt natürlich eine einschneidende Revision im Rationalitätsverständnis mit sich (vgl. 5. Kap.). S.-L. verabschiedet den "klassisch-neuzeitlichen Rationalitätsbegriff", wonach die Glaubensüberzeugungen mittels zwingender Beweise (z. B. Gottesbeweise) durch sicheres Wissen fundiert werden sollten. Auch ein probabilistisches Rationalitätsmodell, demzufolge für die Glaubensüberzeugungen objektive Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden soll, hält er für zu anspruchsvoll. Demgegenüber bevorzugt er ein kritizistisch orientiertes Rationalitätsverständnis, dem es um den Nachweis einer möglichen Wahrheit der Glaubensüberzeugungen und um deren Bewährung durch kritische Überprüfung geht.

Die Bewährung religiöser bzw. christlicher Glaubensüberzeugungen durch ihre kritische Prüfung in einer problemorientierten, umsichtigen Diskussion ist S.-L. m. E., soweit das in einer Einführung möglich ist, in hervorragendem Maße gelungen. Zudem bleibt er den genannten Anliegen seines Buches nichts schuldig. Daher möchte ich besonders denen, die Theologie als methodisch kontrolliertes Problemlösungsverfahren studieren wollen, S.-L.s "Grundkurs" nachdrücklich empfehlen.