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Ausgabe:

März/2000

Spalte:

304 f

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Halverson, James L.

Titel/Untertitel:

Peter Aureol on Predestination. A Challenge to late medieval Thought.

Verlag:

Leiden-Boston-Köln: Brill 1998. VII, 188 S. gr.8 = Studies in the History of Christian Thought, 83. Lw. hfl 145,-. ISBN 90-04-10945-5.

Rezensent:

Karl-Hermann Kandler

Petrus Aureoli (=PA) gehört ganz gewiss nicht zu den bekannteren Denkern des 14. Jh.s. Er, der "Doctor facundus", gehört zu den englischen Franziskanertheologen, die unter dem Einfluss von Johannes Duns Scotus standen, dessen Schüler er wahrscheinlich war. Am bekanntesten ist sein Sentenzenkommentar. Dazu hat er eine Auslegung des Johannesevangeliums verfasst, ein Compendium litteralis sacrae scripturae und etliche Quaestionen (Quodlibeta). Mit zahlreichen seiner Zeitgenossen hat er über das Thema Sein und Wesen diskutiert, wozu Thomas von Aquin den Anstoß gegeben hatte. Für ihn geht es weniger um das "esse" als um die "existentia". Er will, dabei Aristoteles kritisierend, deutlich machen, dass auf Grund von "experientia" ein "esse apparens" oder "esse obiective" anzunehmen sei. Die Sache, sofern sie erkannt und vom realen Sein unterschieden sei, sei ein intentionales Sein, ein "conceptus obiectivus". PA gilt demnach als Konzeptionalist und hat, vor allem auch in dieser Hinsicht, Wilhelm von Ockham beeinflusst. Mit Duns Scotus sagt er, nur Gott selber habe klare und sichere Erkenntnis aller Dinge in ihrer jeweiligen Besonderheit. Die Frage, wie dann der menschliche Geist die Dinge in ihrem Sein angemessen (wenn auch nicht erschöpfend) erfassen könne, beantwortet er dahingehend, dass auch ein undeutliches Erkennen Erkenntnis sei, wenn auch nur nach Art und Gattung, nicht aber in Bezug auf die jeweilige Besonderheit. PA ist ein Denker, der sowohl Aristoteles als auch Plato oder Thomas kritisierte. Er gehört zur "new English theology", der der Vf. bescheinigt, sie stelle eine "methodologische Revolution" dar, basierend auf der neuen analytischen Logik und einer Naturphilosophie. Hinsichtlich der Offenbarungstheologie geht er vom "senus litteralis" aus.

Dies zu sagen scheint nötig, um PA hinsichtlich seiner Prädestinationslehre zu verstehen, die er vor allem in seinem Sentenzenkommentar dargelegt hat. Nach einer Einleitung (1-10) stellt H. in einem ersten Teil seine Lehre über den göttlichen Willen und die Prädestination dar (13-108), im zweiten Teil seine Wirkung auf die spätmittelalterliche Soteriologie (111-171); eine Conclusion (172 f.) beschließt die Arbeit, die der Vf. als Dissertation an der Iowa-Universität verfasst hat.

Der Vf. stellt seine Untersuchung in einen großen Zusammenhang. Er verweist darauf, dass die Frage nach dem freien Willen des Menschen und der Prädestination immer wieder die Theologie beschäftigt hat, vor allem im Streit zwischen Pelagius und Augustin und in der Reformationszeit. Hier habe sie zur Uneinigkeit zwischen den reformatorischen Konfessionen geführt. Den Grund für diesen zuletzt genannten Tatbestand sieht er in der Weise, wie PA und seine Zeitgenossen über das Thema diskutiert haben. Den Streitpunkt sieht er zwischen einer "double-particular election" und einer "general election", zugleich in der Dichotomie zwischen Gnade und Verdienst. Die präzise Darlegung der Rolle, die das göttliche und das menschliche Handeln im "ordo salutis" einnehme, habe dann in der Reformationszeit zu dem Versuch geführt zu klären, ob der Mensch mit seinem Willen fähig ist, seine Rettung letzlich selbst herbeizuführen oder ob Gott allein dies tun könne. Im Gegensatz zu den Theologen des 13. Jh.s, die eine "single-particular election" lehrten, lehrt PA eine allgemeine Erwählung. Er kritisiert an der "single-particular election", sie sei deterministisch. Demgegenüber lehrt PA, Gott biete seine Gnade allen an; dementsprechend sei dann die Rettung oder Verdammung des Einzelnen Antwort auf Gottes Gnadenangebot. Gregor von Rimini reagiert darauf mit der Verteidigung der "double-particular election". So kommt es dazu, dass im Spätmittelalter alle drei Lehren vertreten werden. PA jedenfalls bricht mit seiner Lehre mit der Auffassung sogar seiner franziskanischen Ordensbrüder, letztlich aber mit der scholastischen Theologie allgemein. Der Konsens, der im 13. Jh. bestand, war zerbrochen. PA gewann beiderseits des Kanals Anhänger, so bei Wilhelm von Ockham, bei Robert Holcot und bei Thomas von Straßburg, also bei Vertretern verschiedener Ordenstheologien. Durch Gabriel Biel sieht der Vf. das Problem dann an die Reformatoren weitergegeben.

Der Vf. hat eine gründliche Arbeit vorgelegt und vor allem die Bedeutung hervorgehoben, die PA für das Problem der Prädestination insgesamt hat. Es fällt jedoch auf, dass er bei der Sekundärliteratur wichtige Arbeiten, vor allem aus dem deutschsprachigen Raum, nicht heranzieht, so die Arbeiten von Maria Burger: Personalität im Horizont absoluter Prädestination, 1994; von D. Perler: Prädestination, Zeit und Kontingenz, 1988; und von H. Schwamm: Das göttliche Vorherwissen bei Duns Scotus und seinen ersten Anhängern, Innsbruck 1934. Auch fallen zahlreiche Fehler bei der Wiedergabe von Buchtiteln auf.