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Ausgabe:

März/2000

Spalte:

271–273

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Sæbø, Magne

Titel/Untertitel:

On the Way to Canon. Creative Tradition History in the Old Testament.

Verlag:

Sheffield: Sheffield Academic Press 1998. 401 S. gr.8 = Journal for the Study of the Old Testament, Suppl. Series 191. Lw. £ 35.-. ISBN 1-85075-927-8.

Rezensent:

Henning Graf Reventlow

Der bekannte Osloer Alttestamentler M. Sæbø stellt seine neueste Aufsatzsammlung unter das Generalthema der Traditionsgeschichte. Wie er im Vorwort (11 f.) und in dem einleitenden Beitrag (Kap. 1, 21-33 "Traditio-Historical Perspectives in the Old Testament: Introductory Remarks") erklärt, haben ihn zu seiner traditionsgeschichtlichen Sicht verschiedene Einflüsse gebracht, unter denen er neben G. W. Anderson (dem er den Band widmet) vor allem seinen Lehrer G. von Rad nennt. Mehr noch beruft er sich auf die skandinavische traditionsgeschichtliche Schule, die selbst eine spezifische wissenschaftsgeschichtliche Tradition hat. Heute im deutschsprachigen Raum weniger bekannt ist die Diskussion um "oral or written tradition", vor allem im Hinblick auf die Prophetenbücher. S. nennt (29 f.) ihre Hauptvertreter namentlich mit ihren wichtigsten Werken (H. S. Nyberg ["Studien zum Hoseabuche", Uppsala 1935] und seinen Schüler Ivan Engnell ["Gamla Testamentet: En traditionshistorisk inledning", Stockhom 1945]; Harris Birkeland ["Zum hebräischen Traditionswesen", Oslo 1938] und seinen Lehrer Sigmund Mowinckel [zum Thema zuletzt "Prophecy and Tradition", Oslo 1946.] Zu Mowinckel außerdem u. Kap. 21). Man kann natürlich fragen, wieweit die traditionsgeschichtliche Fragestellung heute noch auf Interesse trifft. S. selbst empfindet, dass beispielsweise die Diskussion um von Rads "Theologie" sich inzwischen erschöpft hat (vgl. aber noch u. Kap. 14). Überhaupt deutet der Bekanntheitsgrad von Michael Fishbanes "Biblical Interpretation in Ancient Israel" (Oxford 1985; vgl. S., 31 f.) an, dass sich die Aufmerksamkeit inzwischen von dem Traditionsvorgang mehr auf das Tradierte verlagert hat, einer verbreiteten Hinwendung von der Geschichte zur Literatur folgend (vgl. die heute aktuelle sog. "kanonische Exegese"; dazu u. Teil IV ). S. weist demgegenüber darauf hin, dass auf dem Gebiet der Traditionsgeschichte noch manche offene Fragen vorhanden sind (33) - was sicher zutrifft - und möchte dazu einen Beitrag leisten.

Es ist unbedingt wichtig, dass die skandinavische Forschung nicht in Vergessenheit gerät. Der Internationale Alttestamentler-Kongress 1998 in Oslo (dessen Präsident S. war) hat wieder an dieses besondere wissenschaftliche Erbe erinnert. Dazu kann der Band beitragen.

Wie üblich in solchen Sammlungen, handelt es sich auch hier um Wiederabdrucke älterer Arbeiten, die nach Auskunft des Autors jedoch alle mehr oder weniger überarbeitet sind (11 f.). Der Verfasser kann auf eine lange Wirksamkeit zurückblicken. Der früheste Beitrag - für alle wird übersichtlich der Ort der ursprünglichen Publikation aufgezählt (13-15) - geht auf das Jahr 1960 zurück. Die meisten stammen jedoch aus den beiden letzten Jahrzehnten. Sie sind in fünf Abschnitte gegliedert. Die große Vielfalt lässt sich schwer unter einen gemeinsamen Nenner bringen. Auch das Motto "Traditionsgeschichte" trifft nur in recht weitem Sinne und nicht für alle Beiträge zu. Vielfach hat sich S. auch schon neueren Ansätzen zugewandt. Andererseits zeigt die Breite der Themenwahl sein weitgespanntes Interesse. Schwerpunkte seines Engagements sind u. a. Alttestamentliche Theologie und Forschungsgeschichte, die hier ebenfalls mit mehreren Beiträgen vertreten sind.

Teil I fasst zwei textkritische Arbeiten zusammen: Kap. 2, 36-46, Über die Entstehung des masoretischen Textes (Gerleman-Festschrift, 1978; erster Abdruck in: S., "Ordene og Ordet", Oslo 1978). Kap. 3, 47-55, Über die Textgeschichte des Buches Leviticus (Rendtorff-Festschrift, 1990).

Teil II vereint Untersuchungen zu Einzeltexten: Kap. 4, 58-77, zu Gottesnamen und Epitheten in Gen 49,24 b-25a (Nielsen-Festschrift, 1993). Kap. 5, 78-92, Zum Gottesnamen in Ex 3,13-15 (Wolff-Festschrift, 1981). Kap. 6, 93-107, Zu Jes 7,3-9 (StTh 14 [1960]; auch in "Ordene og Ordet"). Kap. 7, 108-121, Zu Jes 8, 9-10 (ZAW 76 [1964]; auch in "Ordene og Ordet"). Kap. 8, 122-130, Zu Ps 72,8; 89,26; Sach 9,10b (VT 28 [1978]; auch in "Ordene og Ordet"). Kap. 9, 131-142, Zu Kgl 3,1 (G. Anderson Festschrift, 1993).

Teil III enthält Aufsätze zu theologischen Themen: Kap. 10, 144-161, Über die Theologie der Priesterschrift (VTS 32 [1981]). Kap. 11, 162-181, Über alttestamentliche Ethik (Ivar Asheim-Festschrift, 1992). Kap. 12, 182-196, "Offenbarung in der Geschichte und als Geschichte" (StTh 35, 1981). Kap. 13, 197-231, Zum Verhältnis von "Messianismus" und "Eschatologie" (JBTh 8, 1993). Kap. 14, 232-247, Zu G. von Rads Auffassung von Apokalyptik im Verhältnis zu Prophetie und Weisheit (Benedikt Otzen Festschrift, 1994).

Teil IV zeigt, dass auch S. sich "kanonischen" Themen zugewandt hat. Hier finden sich: Kap. 15, 250-258, Zur Traditions- und Redaktionsgeschichte von Prov (PWCJS 9, 1985 [1986]). Kap. 16, 259-270, "Vom Individuellen zum Kollektiven" - zu innerbiblischen Interpretationen (Westermann-Festschrift, 1989). Kap. 17, 271-284, Zur Kanonizität des Hohenliedes (Haran-Festschrift, 1996). Kap. 18, 285-307 "Vom ,Zusammendenken’ zum Kanon" (JBTh 3, 1988).

Der Schlussteil V vereinigt die forschungsgeschichtlichen Beiträge des Vf.s: Kap. 19, 310-326, Über Johann Philipp Gabler (ZAW 99, 1987, 1-16 [hier wäre der wichtige Beitrag von Rolf Knierim, On Gabler, in: ders., The Task of Old Testament Theology, Grand Rapids 1995, 495-556, nachzutragen]). Kap. 20, 327-335, Über William Robertson Smith (aus W. Johnston, ed., William Robertson Smith, Sheffield 1995). Kap. 21, 336-348, Über Sigmund Mowinckel (SJOT 2, 1988).

Der Verlagspraxis entsprechend, sind alle Aufsätze ins Englische übertragen worden. Ein beträchtlicher Teil ist aber ursprünglich (oder: auch) auf Deutsch verfasst worden. Das zeigt nicht nur die Verbundenheit des Vf.s mit deutscher Theologie, sondern weckt auch die Hoffnung, dass sich Deutsch neben dem Englischen als Wissenschaftssprache zumindest in der Theologie halten kann.

Da alle Beiträge bereits seit längerem publiziert und bekannt sind, bleibt nur der Wunsch, dass sie auch weiterhin die bisherige Beachtung finden und auf diese Weise gesammelt auch leichter zugänglich sind. Das gilt vor allem für die zahlreichen Festschriftbeiträge, die einem Fachtheologen im Laufe seiner Tätigkeit abverlangt werden. Nirgends, hat man den Eindruck, ist ihre Thematik bei S. aus reiner Verlegenheit gewählt.