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Ausgabe:

März/2000

Spalte:

262–265

Kategorie:

Altertumswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Mitchell, Stephen, and Marc Waelkens

Titel/Untertitel:

Pisidian Antioch. The Site and its Monuments.

Verlag:

London: Duckworth; Swansea: Classical Press of Wales 1998. XVIII, 249 S. m. zahlr. Abb. gr.8. ISBN 0-7156-2860-7.

Rezensent:

Peter Pilhofer

Wer sich noch vor wenigen Jahren - beispielsweise als Leser von Apg 13 - für die Stadt Antiochia ad Pisidiam interessierte, konnte kaum einschlägige Literatur dazu finden. Abgesehen von verstreuten Aufsätzen zu einzelnen Spezialproblemen und dem einen oder andern Lexikonartikel war man auf die klassischen Studien von W. M. Ramsay angewiesen, deren letzte Ende der zwanziger Jahre publiziert worden waren (und mithin mehr als 60 Jahre zurücklag). Nun hat sich die Lage in kürzester Zeit grundlegend geändert: 1997 fand das First International Symposium on Pisidian Antioch in Yalvaç statt (die Akten dieses Kongresses1 erscheinen demnächst), welches eine Fülle an neuen Einsichten vermittelte. Im Wintersemester 1997/98 legte Thomas Witulski seine Dissertation vor, in welcher er die These vertritt, Gal 4,8-20 sei an Christen im pisidischen Antiochien gerichtet.2 Ende 1998 schließlich erschien das hier anzuzeigende Buch, welches die Beschäftigung mit dem pisidischen Antiochien auf eine völlig neue Basis stellt, da es die erste umfassende Darstellung der topographischen und archäologischen Befunde überhaupt bietet.

Das Buch ist mit zahlreichen Fotografien, Strichzeichnungen und Karten reich illustriert und eröffnet so auch dem nicht ortskundigen Benutzer die Möglichkeit, sich eine Vorstellung von den archäologischen und epigraphischen Befunden zu machen. Besonders wertvoll sind viele Abbildungen heute nicht mehr vorhandener Steine, die die Vff. aus bisher unerschlossenen Archiven in Italien, England und den Vereinigten Staaten beigebracht haben (vgl. dazu Appendix 2: Papers and archival material relating to epigraphical and archaeological work at Pisidian Antioch).

Das erste Kapitel (S. Mitchell: Geographical and historical introduction, 1-18) hat einführenden Charakter. Antiochia liegt in einer klimatisch privilegierten Region mit überdurchschnittlich viel Wasser und sehr fruchtbaren Böden. "It is clear that the favourable climate and terrain had attracted outsiders to this part of Anatolia long before Antioch was chosen as a Roman colony" (1). Die Stadt liegt zwar in einiger Entfernung zu den hellenisierten Küstenlandschaften im Süden und im Westen Kleinasiens, war aber schon in ihrer vorrömischen Phase durch Fernstraßen gut erschlossen. "When central Asia Minor became a directly governed part of the Roman Empire after the creation of the province of Galatia in 25 BC, new roads were built from the coast to the interior, above all the Augustan via Sebaste. Antioch was the caput viae of this road system, whose eastern branch continued to Iconium and Lystra in Lycaonia" (4) - straßenbauliche Gegebenheiten, die bei der Interpretation der ersten Missionsreise (Apg 13-14) oft nicht hinlängliche Berücksichtigung finden: Die Route Perge ’ Antiochia (Apg 13,14) ’ (Iconium (Apg 13,51) ’ Lystra (Apg 14,6) ist durch die römische Straßenführung gleichsam vorgegeben.

Die Stadt wurde im 3. Jh. v. Chr. gegründet. Ob die Initiative von Antiochos I. oder Antiochos II. ausging, lässt sich beim gegenwärtigen Stand der Quellen nicht entscheiden ("No inscriptions of hellenistic date have been reliably recorded at Antioch, where the Augustan colony has almost completely overlaid earlier remains", 7). Im Zuge der Gründung der Colonia Caesarea Antiochia (25 v. Chr.) wurden Veteranen der fünften und siebten Legion in der Stadt angesiedelt; die coloni waren in der tribus Sergia eingeschrieben. Neben den für eine Kolonie typischen Beamten (duoviri etc.) begegnen auch griechische. So war die Bevölkerung bunt gemischt: Neben den römischen und seleukidischen Neusiedlern lebten Menschen pisidischer und phrygischer Herkunft. Viele römische Bürger der Stadt machten steile Karrieren, was die Bedeutung der Kolonie unterstreicht, wie M. hervorhebt: "This concentration of talent and power can be matched by no other eastern colony and by few cities elsewhere in the Roman Empire" (10). M. weist besonders auf den auch in Apg 13,7 erwähnten proconsul von Zypern, Sergius Paullus3, hin, der aus Antiochien stammte und 70 n. Chr. zum Konsul aufstieg (11 f.). "It is an elementary inference that he advised or encouraged Paul to make the trip up-country into Asia Minor, following the via Sebaste from Perge ... to Antioch" (12).

Das zweite Kapitel bringt einen Abriss der Geschichte der Erforschung Antiochias (S. Mitchell: The Discovery of Antioch. Travellers, Epigraphists and Archaeologists, 19-35) von Arundell 1826 bis in unsere Zeit. Von besonderer Bedeutung ist W. M. Ramsay, "whose name was to dominate the story of the exploration of the site for nearly fifty years" (24; nämlich von 1880 bis 1930). Ramsay war es auch, der die ersten Grabungen in Antiochia durchführte (26 ff.). "From the late 1920s to the 1950s the site was again neglected, at least by the scholarly world" (30). Aber erst 1982/83, als Waelkens und Mitchell ihre Untersuchungen durchführten, die die Grundlage des vorliegenden Buches bilden, wendete sich das Blatt. Mitte der achtziger Jahre begannen schließlich die systematischen Grabungs- und Restaurationsarbeiten durch Mehmet Tas,lalan, den Direktor des Museums von Yalvaç, die eine neue Phase der Erforschung des pisidischen Antiochien einleiteten und bis heute andauern.

Das dritte Kapitel befasst sich mit dem Heiligtum des Mên Askaênos (S. Mitchell/M. Waelkens: The sanctuary of Mên Askaênos, 37-90), welches Luftlinie 3,5 km außerhalb der Stadt auf dem mehr als 1600 m hohen Berg Karakuyu liegt. "The remains of the sanctuary of Mên Askaênos, the chief god or patrios theos of Antioch, occupy the summit of this hill, hidden from casual view by dense stands of pine, the tree sacred to Mên" (37). Die erhaltenen Reste des Heiligtums erweisen eine kontinuierliche Nutzung vom 2. Jh. v. Chr. bis ins 3. Jh. n. Chr. Die Autoren bieten neben wertvollen Abbildungen einen präzisen Plan des Heiligtums (38) und des Temenos (40) sowie einen detaillierten Katalog "of moulded fragments from the temple and the temenos" (68-72). Für den Neutestamentler ist die Diskussion der anderen Gebäude des Heiligtums (72-86) von ganz besonderem Interesse. Im Zusammenhang mit den Kultmählern hätte der von Barbara Levick publizierte Tisch des Mên4 eine Erwähnung verdient.

Das vierte Kapitel wendet sich der Stadt selbst zu (M. Waelkens: The City Plan. Walls, Streets and the Theatre, 91-112). Von besonderer Bedeutung ist der Stadtplan (92), auf dem sich mit Ausnahme des noch nicht ausgegrabenen Stadions und der allerneuesten Funde (Stadtmauer im südlichen und nördlichen Bereich des W-Abschnitts; Gebäude entlang dem cardo maximus) alle baulichen Reste präzise verifizieren lassen. Die Stadtmauern sind vielleicht - ähnlich wie im Fall von Aphrodisias - späteren Datums (94). Zahlreiche Spolien weisen mindestens auf "extensive rebuilding in the late Roman period" (ebd.). Die zuletzt ausgegrabenen Abschnitte enthalten eine ganze Reihe von verbauten lateinischen Inschriften, wie jeder Besucher im Sommer 1999 leicht feststellen konnte. Das einzige bisher ausgegrabene Stadttor im W wurde 129 n. Chr. Hadrian und seiner Frau Sabina geweiht (99). Große Teile der Hauptstraßen sind ausgegraben; ihrer Pflasterung gedenkt eine Bauinschrift (Nr. 3 auf S. 221). Die Sitze des römischen Theaters waren angeblich schon 1833 einer neuen Verwendung zugeführt worden; umso erstaunter ist der Besucher im August 1999, wenn er doch etliche Reihen gut erhaltener Sitze ausgegraben findet.

Dem - vom monumentalen Bad im N vielleicht abgesehen - eindrucksvollsten Bauwerk, dem Augustustempel, ist ein eigenes, ausführliches Kapitel gewidmet (M. Waelkens/S. Mitchell: The Augustan imperial sanctuary, 113-173). Für Fachleute von besonderer Bedeutung ist die Aufnahme der erhaltenen 136 Architekturfragmente (120-133), die bis zur Publikation der Dissertation von Mehmet Tas,lalan die grundlegenden Daten jeder Rekonstruktion bilden werden. Was die Interpretation des Heiligtums angeht (157-167), kommen die Autoren zu dem Schluss, dass es sich um einen Augustus-Tempel handelt: "Even in antiquity the only completely clear indication of the temple’s owner may have been the cult statue or statues which were housed in the cella. The 1924 excavation unearthed a broken fragment of a giant, sandalled foot immediately to the north of the temple foundations. It may have belonged to the cult statue of Augustus" (165). Eine Weihinschrift hat offenbar nie existiert (die bei einer Tankstelle gefundene Inschrift, 140 - sie wird unvollständig wiedergegeben: zu lesen ist auf zwei Steinen [po]nt(ifex) max(imus) co(n)sul IIII trib(unicia) - stammt wahrscheinlich "from another very imposing early imperial building which has yet to be identified", 141).

Die Wasserversorgung ist Thema des sechsten Kapitels (J. Burdy/M. Tas,lalan/M. Waelkens/S. Mitchell: The aqueduct, nymphaeum and bath house, 175-200). Die hier gebotene Karte (176) entspricht nicht ganz dem Standard der anderen Pläne.

Das abschließende Kapitel behandelt die drei Kirchen, die bisher freigelegt worden sind (J. Öztürk/S. Mitchell: Three churches at Antioch, 201-218), eine im Bereich des Mên-Heiligtums und zwei innerhalb der Stadt selbst. (Beim Plan der großen Basilika auf S. 216 weist der N-Pfeil nach Süden; das ist zu korrigieren.)

Insgesamt handelt es sich um ein grundlegendes Buch, zu dem man allen Beteiligten gratulieren kann. Es wird auf Jahre hinaus das Standardwerk zum pisidischen Antiochien sein.

Fussnoten:

1) Thomas Drew-Bear/Mehmet Tas,lalan/Christine Thomas [Hrsg.]: First International Congress on Antioch in Pisidia, I.zmit 1999.

2) Thomas Witulski: Die Gemeinde von Antiochia ad Pisidiam und der Galterbrief. Untersuchungen zur Frage nach den Adressaten des Galaterbriefes, Theol. Diss. Greifswald 1998 (erscheint in FRLANT).

3)Zur Familie der Sergii Paulli vgl. jetzt Thomas Drew-Bear: Les Sergii Paulli à Antioche de Pisidie (in dem in Anm. 1 genannten Sammelband).

4) B. M. Levick: The table of Mên, JHS 91 (1971), 80-84. Die Arbeit wird - soweit ich sehe - lediglich im Literaturverzeichnis genannt.