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Ausgabe:

März/2000

Spalte:

255–261

Kategorie:

Altertumswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Handy, Lowell K. [Ed.]

Titel/Untertitel:

The Age of Solomon. Scholarship at the Turn of the Millennium.

Verlag:

Leiden-New York-Köln: Brill 1997. XX, 539 S. gr.8 = Studies in the History and Culture of the Ancient Near East, 11. Lw. hfl 195,-. ISBN 90-04-10476-3.

Rezensent:

Hermann Michael Niemann

Dies ist der aktuellste, informativste Sammelband zur Epoche Salomos. Die Mehrheit heutiger Bibelwissenschaftler betrachtet die biblische Salomo-Erzählung als theologisch akzentuierende und mehr oder weniger exakte historische Darstellung (evtl. dimensional übertrieben), wie Israel/Juda den Sprung von einer Stämmegruppe zum straff organisierten Imperium tat. Dieser Auffassung begegnet wachsende Schwierigkeit: 1. Historisch-archäologische Forschung stellt beachtliche Diskrepanz fest zwischen dem glänzenden biblischen David-Salomo-Bild und der bescheidenen materiell-kulturellen Realität Palästinas im 10. Jh. v. Chr. 2. Literaturwissenschaftliche und soziokulturelle Forschung ergibt, dass Entstehung, Bearbeitung und Abschluss bi-blischer Texte später erfolgte als früher angenommen, erzählende und erzählte Zeit in der Bibel zu unterscheiden sind (in "profaner" Literaturwissenschaft längst selbstverständlich!). Beides führt eine Minderheit von Forschern zu einer einfachen Erklärung: Das glänzende (historisch-archäologisch nicht belegbare) Bild der Salomo-Epoche ist eine theologische "Wahrheit" ("wahr" bedeutet "achtbar", "bedeutsam"), bleibt wahr = bedeutsam und wird nicht geschmälert und beschädigt, wenn sich kein äußerlich-historischer "Beweis" für die erzählte theologische Wahrheit findet. So gewinnt man ein zweites und ein drittes Bild hinter dem theologischen Bild der Salomoerzählung: a) Elemente der vermutlichen Zeit, in der Salomo lebte, und b) der Zeit, die die Erzählungen über die Epoche Salomos aufzeichnete. Ein viel reicheres Bild entsteht als bei traditionell-eindimensionaler Analyse, bei der biblisch-theologische Texte gegen ihre eigene Absicht gezwungen sind, zugleich historische Beweise darzustellen.

Der Band geht neben historisch-archäologischer, ökonomisch-soziologischer Analyse der kulturellen und politischen Umgebung Palästinas im 10. Jh. auf die inner- und außerbiblische Wirkungsgeschichte der Salomo-Epoche ein, auf feministische, judaistische und hermeneutische Aspekte.

Nach einem orientierenden Vorwort von Diana V. Edelman beschreibt J. M. Miller ("Separating the Solomon of History from the Solomon of Legend", 1-24) die bisherige Vorstellung eines blühenden Salomo-Imperiums. Aber immer deutlicher wies die historisch-archäologische Forschung nach, dass in der Früh-Eisenzeit ein salomonisches Imperium der Ausmaße der biblischen Beschreibung nicht existierte. Einzelne Forscher begannen mit der (Un-)Sitte zu brechen, archäologische Funde mit Hilfe biblisch-theologischer Erzählungen, Gestalten oder Daten zu datieren, die selbst nicht überprüfbar waren. Es genügt nicht mehr, das biblische Bild der Salomo-Epoche nur in den Dimensionen zu reduzieren. Der methodische Zugang ist umzukehren: Nicht der biblische Bericht interpretiert die archäologischen Funde, sondern diese bieten den Rahmen, in dem versucht werden kann, die theologischen Aussagen der Bibel in ihrem Kontext zu verstehen.

Es geht methodisch nicht an, historische Lücken mit literarisch-theologischem Material der Bibel, Jahrhunderte nach den berichteten, theologisch wertenden Ereignissen aufgezeichnet, aufzufüllen und dieser Mischung historische Exaktheit zuzubilligen. Unakzeptabel ist ein Vorgehen nach dem Muster "archaeological parallels = plausibility = probability", z. B. "Die Reformerzählung Josias 2Kön 22-23 beschreibt Praktiken, die es zeitgenössisch in und außerhalb Judas gegeben hat, also ist Josias Reform historisch korrekt beschrieben", vgl. Agatha Christies "Mord im Orient-Express": Christie beschreibt einen tatsächlich existierenden Zug, die beschriebenen Personen und Situationen sind typisch für die beschriebene Zeit, also ist Christies Mordgeschichte historisch! M. skizziert seine Auffassung: Salomo war eine historische Gestalt, aber ein mehr lokaler, nicht imperialer Herrscher. Dass spätere biblische Autoren den historisch unbestreitbaren Pharao Schoschenq ins 10. Jh. und in die Salomo-Epoche integrieren, spätere israelitische und judäische Könige außerbiblisch unbezweifelbar belegt sind in Zeitrahmen und Abfolge, die die Bibel ebenfalls spiegelt, gibt M. Anlass, die Bibel als erstrangige theologische Quelle und mit Berücksichtigung ihrer primär theologischen Aussageabsichten auch für historische Rekonstruktion heranzuziehen.

A. Millard benutzt die von M. kritisierte Argumentationsfigur und kommt zu traditionellen Ergebnissen. In seinem Beitrag ("King Solomon in his Ancient Context", 30-53) prüft M. die biblische Salomogeschichte im Licht unseres Wissens über das nahöstliche Altertum. Millard sammelt Informationen über antike Verwendung von Gold bei Tempeln. Die riesigen Mengen salomonischen Edelmetallbesitzes werden mit Angaben aus allen möglichen Jahrhunderten und Gebieten verglichen. Wo kam im armen Bergland Juda das Gold her? Das "Potest ergo est-Argument"1 hilft: Kann Salomo nicht Zugang zum Goldland Ophir gehabt haben? Zum bescheidenen archäologischen Befund im Palästina des 10. Jh.s weist M. darauf hin, dass durch die reichere Eisen-II-Zeit die Eisen-I-Zeit im dem 10. Jh. zerstört worden sein könnte. ie steht es um das Fehlen jeglicher Inschrift Salomos?

Damals wurden Steinblöcke aus Bauten recycelt, außerdem sei auch von Herodes keine Inschrift gefunden. Keine außerbiblische Nennungen Salomos? Es gibt keine assyrischen, babylonischen, aramäischen und tyrischen Texte dieser Zeit, auch aus Ägypten nur eine Handvoll. Daraus schließen viele Analysten: Es war eine kulturell bescheidene Zeit. Anders M.: Biblische Berichte sind historisch glaubwürdig, da es keine externe und objektive Evidenz gegen sie gibt (was weder eine wissenschaftliche Argumentation darstellt und sachlich nicht einmal zutrifft).

N. Na’aman, widmet sich "Sources and Compositions in the History of Solomon" (57-80). Wann wurde Schreiben am Jerusalemer Hof eingeführt? Mit der Staatsentstehung (ab 8. Jh.)? Die Nichtexistenz von Quellen/Texten aus dem 10. Jh. kann die biblische Erzählung über die David-/Salomozeit weder beweisen noch widerlegen. Nur die Schoschenq-Liste bildet ein über Israel/Juda hinausreichendes historisches Dokument, das einen Zug gegen Israel und die nichtjudäischen Negevteile dokumentiert, Juda ausspart. Über diesen Zug gab es Hinweise in einer Chronik, die der Autor von 1Kön 14,25-28 benutzte. Damit und durch 1Kön 4,2-6.9-19; 9,15.17-19 ist Chronistik am Jerusalemer "Hof" ab 10. Jh. zu vermuten. Im 8. Jh. mag eine "Chronik früher israelitischer Könige" komponiert worden sein, aus der Dtr schöpften. N. analysiert die Rebellionen gegen Salomo, die Ehe Salomos mit der Pharaonentochter, den Briefwechsel Hiram-Salomo ("Musterbriefe", authentischer Hintergrund, literarisch ausgestaltet), Salomos Landverkauf an Hiram, die Frage der Zwangsarbeiter für Baumaßnahmen, Salomos Pferde- und Wagenhandel (unhistorisch), den Besuch der Königin von Saba,2 die Beschreibung des salomonischen Tempels (aus der Josiazeit). Die Quellen des/der dtr Verfasser(s) waren: neben knapper administrativer Hof-Chronistik "Chronicles of early Israelite kings" (8. Jh.?) und "Acts of Solomon", evtl. ein Hof-Schultext (bes. 1Kön 4-5; 9,10 ff.*).

N. betont die literarisch und theologisch gestaltende Kraft der biblischen Verfasser (Dtr), die aus Quellen, Listen, Episoden, Kenntnissen usw. die Zeit Salomos zur "Goldenen Epoche" der Monarchie stilisieren und (theologisch) in "Blüte" und "Niedergang" gliedern: "... most of the material in the dtr history of Solomon has nothing to do with his time. Rather, it reflects the reality of the time of the author of the ’Acts’, or the time of the Dtr historian." (79) Spätere Bearbeitungen transformierten Salomo zum Weltherrscher (vgl. Ps 72,8-10), wozu die Erscheinung des persischen Großkönigs Pate stand.

E. A. Knaufs Beitrag ("Le roi est mort, vive le roi! A Biblical Argument for the Historicity of Solomon", 81-95) beobachtet an 1Kön 8,12b-13 im Kontext von 1Kön 8, an 1Kön 1-2* gegenüber 1Kön 3,4-15; 4,1* (2Sam 11,1-12,25*) und an 1Kön 9,16-18 gegenüber 1Kön 9,15.19 "a perception of Solomon quite different from the image intended by the text in its final form" (82). Eher kantige Traditionsspuren Salomos werden sichtbar, die dem intendierten Bild der Letztfassung vom exemplarisch weisen Friedensfürsten und Souverän von Weltrang so widersprechen, dass diese Spuren eines "anderen Salomo" entweder maßlos kühne Erfindung und Polemik oder - eher - historische, nicht eliminierte Traditionsspuren darstellen. Die historisch wertvolle Notiz in 1Kön 9,17 f. enthält eher einen Tatbestand der Omridenzeit. Bemerkenswert K.s Erwägungen hinsichtlich des Verhältnisses von Salomo, Rehabeam, Jerobeam und dem Pharao (Schoschenq), mit dem Salomo (und/oder Rehabeam?) und Jerobeam zu tun hatten, vielleicht positiver als bisher gedacht. - Ergebnis: "... it can be stated that Solomon was the son of a Jerusalemite mother, but not necessarily the son of a Judaean father. He became king of Jerusalem by means of a coup d’état, ousting the Judaean elite from power. He was not a monotheist. He introduced the Judaean tribal deity YHWH into the pantheon of Jerusalem as a subordinate god only. With and under Solomon, Jerusalem started to subjugate Judah. He did not rule from the Euphrates to the Brook of Egypt, but rather from Gezer to Thamar, if not from Gibeon to Hebron. But he did exist, after all" (95).

L. K. Handy handelt "On the Dating and Dates of Solomon’s Reign" (96-105). Im 10. Jh. gibt es keinen sicheren Datums-Anker. Selbst mit Hilfe des biblisch und außerbiblisch belegten, aber nicht präzise datierbaren Schoschenq gelingt es nur vage, den mit ihm in der Bibel korrelierten Regierungsantritt Rehabeams zwischen 937 und 924 v. Chr. anzusetzen. Damit ist das Jahr des Todes Salomos noch unklar, ebenso die Länge seiner Regierung; die runden 40 Jahre sind Verlegenheitsauskunft (wie bei David). Dennoch sagt der Mangel an exakten Daten nichts über die Historizität oder Nichthistorizität Salomos. Die Erzählungen konnten ihre theologische Primärfunktion ohne exakte Daten erfüllen! Symbolische oder runde Daten waren wichtiger. Als frühestmöglichen Termin des Herrschaftsantritts Salomos vermutet H. 973 v. Chr. Die Sicherheit dieses Datums ist gering wie auch das spätmöglichste Todesjahr - 930 v. Chr.

K. A. Kitchens Thema lautet "Ägypten und Ostafrika" (106-123). Ägypten habe meist eine bedeutende Rolle als Nachbar Palästinas gespielt, was er deshalb (mit Recht ?) für das 10. Jh. v. Chr. voraussetzt. Während des 11./10. Jh.s war Ägypten gespalten: Militärgouverneure/Priester in Oberägypten, Könige im Norden. Ökonomische Nachrichten sind rar wie Texte überhaupt. Ca. 945 v. Chr wurde der Libyer-Großhäuptling Schoschenq vom letzten, kinderlosen Tanitenkönig Psusennes II. eingesetzt. Sein Sohn Osorkon (I.) heiratete eine Tochter Psusennes II. So gründete Schoschenq die 22. (libysche ) Dynastie, regierte 21 Jahre bis ca. 924 v. Chr. K. geht auf die Lage des Landes Punt ein, das seinen Höhepunkt im 12. Jh. hatte und danach aus der Geschichte verschwand. Nach K. lag es östlich einer Nord-Süd-Linie, gebildet durch den 5. und 6. Nilkatarakt, Khartum im Westen und dem Roten Meer im Osten, wohin auch Ophir gehört. Kitchen referiert auch über "Sheba and Arabia" (126-153), deren physische und ökonomische Basis und meisterhaftes "agricultural engineering".

Politisch ist vom 11.-8. Jh. wenig bekannt. K. geht auf sabäische Inschriften seit dem 9. Jh. ein und sabäischen Handel, gefördert durch den Einsatz von Kamelen und die Entwicklung (vor)staatlicher Strukturen. Dies sei Hintergrund der biblischen Erzählung von Salomo und der Königin von Saba (1Kön 9,26-10,22), die er für plausibel und deshalb für historisch hält. Er befasst sich liebevoll mit Details, mit dem Verhältnis von ökonomischer Exaktheit und poetischer Ausmalung bei den hohen Reichtums- und Versorgungsgüterzahlen bei Salomo: Viel Rhetorik, aber im Kern historisch. Das reiche Saba schließt an die Blüte Midians im 13./12. Jh. im Nordwesten nun südwestlich ab 9. Jh. an. Sabäischer Handel erreicht 750 v. Chr. den Euphrat (evtl. ca. 150 Jahre früher). Aktive Königinnen sind in Arabien erst ab 8. Jh. nachweisbar. Fernhandel wird auch biblisch erwähnt. Der Reichtum in 1Kön 10 ist anderweitig belegt, so auch für Salomo wahrscheinlich. So bedeuten die fehlenden Erwähnungen Salomos und der Königin von Saba kein Problem - für Kitchen.

"Phoenicians in the Tenth Century BCE" folgt von L. K. Handy (154-166). Er skizziert die bescheidenen Quellen, den phönizischen Seehandel seit ca. 1200 v. Chr. (Holz, Luxus-Prestigegüter, Purpur und Kleidung, Keramik), zeigt, dass im 10. Jh. im Ostmittelmeer der phönizische Seehandel die bestimmende Macht war. Er geht auf die Stadt-Staats-Struktur von Tyros und Byblos ein sowie auf die lokalen Religionen/Götter. Hirams und Salomos Beziehungen spiegeln einen überlegenen tyrischen Staat, der vielleicht Jerusalem als Puffer gegen aufsteigende ägyptische Aspirationen benutzen wollte, hauptsächlich aber in Richtung See ausgerichtet war.

M. W. Chavalas behandelt "Inland Syria and the East-of-Jordan Region in the First Millennium BCE Before the Assyrian Intrusions" (167-178). Als erster erwähnte Tiglat Pileser I. Aramäer östlich des Euphrats und im Nordiraq, pastoral und landwirtschaftlich. Mit Luwiern bildeten sie die sog. "syrohethitische" Kultur. Die Mischung scheint 1Kön 10,29 noch zu registrieren. Hinzu kommt phönizischer und hurritischer Einfluss. Kulturell-sprachlich gemischt war auch der bescheidene Schriftgebrauch. Die frühesten aramäischen Texte datieren ins 9. Jh. Karkemisch, Tell Ahmar, Arslan Tash, Zinjirli, Ain Dara, Hamat und Tell Halaf liefern archäologische Funde. Spezifisch ist die Skulpturenkunst in Karkemisch und Zinjirli, Elfenbeinschnitzerei und Metallurgie. Zur neohethitischen Religion ist einiges durch Bildwerke und Inschriften bekannt. Die aramäische Religion wurzelt in westsemitischen Formen des 2. Jt. v. Chr. Insgesamt bildet das Gebiet trotz politischer Dezentralität und bescheidener Dokumentation am Anfang des 1. Jt. v. Chr. eine buntgemischte, differenzierte Region aus hethitischen, hurritischen, aramäischen, phönizischen, assyrischen und israelitischen Einflüssen.

Carl S. Ehrlich: "’How the Mighty are Fallen’: The Philistines in their Tenth Century Context" (179-201) bietet einen soliden Überblick ohne Gliederung. Die ankommenden Philister waren nur ein kleiner Teil der sich damals in der Küstenebene Ansiedelnden; der pauschale Name "Philister" für die Küstenebenen-Bevölkerung bürgerte sich ausgerechnet dann ein, als die eingewanderten plst im späten 11. Jh. angesichts ihrer schwindenden spezifischen Kulturelementen begannen sich zu akkulturieren. Er behandelt sich wandelnde Essgewohnheiten (mehr Schwein und Rind statt Schaf und Ziege), "philistäische" Heiligtümer, Installationen und Götter sowie deren Herkunft, Stadtplanung, öffentliche Architektur der Orte und deren ägäisch-zyprisch-kanaanäische Elemente, die ökonomischen Schwerpunkte verschiedener Orte. Es zeichnet sich eine florierende Kultur der regionalen Küstenebenenkultur in Kontrast zum Zentralbergland ab.

S. W. Holloway: "Assyria and Babylonia in the Tenth Century BCE" (202-216) kommt zu dem Ergebnis, dass "the course of 10th-century Palestinian politics was unhampered by the inhabitants of lower Mesopotamia" (216). 150 Jahre Grabungen im assyrischen und babylonischen Kernland ergaben, dass "it is scarcely possible to date any building activity to the ’dark age’ of the 10 th century BCE" (202), wie es auch keine königlichen und privaten Briefe, ökonomische oder administrative Dokumente gibt. Die zentralisiertere und militarisiertere assyrische Gesellschaft erholte sich schneller als die babylonische, aber nicht vor Assur-dan II (934-912). Adad-narari II (911-891) bewirkte einen deutlichen Aufschwung bis zum Mitteleuphrat (gegen Babylonien). Salmanassar III (858-824) agierte erfolgreich bis Til Barsip. Der politische Bruch hatte für intellektuelles Leben und Künste keinen totalen Abbruch bedeutet. Mittel-assyrische Kulturwurzeln waren nicht ausgerissen. Mit dem Beginn des neoassyrischen Reiches als Militärmaschine mit Beute und Menschen der eroberten Gebiete verstärkte sich ausländischer Kultureinfluss, eine wachsende Aramaisierung der assyrischen Sprache ab dem 9. Jh. wird erkennbar.

W. G. Devers Beitrag "Archaeology and the ’Age of Solomon’: A Case Study in Archaeology and Historiography" (217-250) will archäologische Evidenz für die Entstehung eines israelitischen "Staates" im 10./9. Jh. prüfen. D. datiert Siedlungen ins 10. und 9. Jh. , deren derartige Datierung zweifelhaft ist. Hinsichtlich der politischen Organisation geht D. von einer weitgehend zentralisierten staatlichen und städtisch-urbanen Gesellschaft aus, was von D. W. Jamieson-Drake für Juda, von H. M. Niemann für Israel und Juda bereits 1991 bzw. 1993 für das 10.Jh. detailliert widerlegt wurde. D. sieht im 10. Jh. dennoch "nationales Bewußtsein", monumentale Tempel und Installationen (z. B. in Dan), die heute eher ins 9. Jh. (oder später) datiert werden. Konsequent spricht D. im 12./11. Jh. von einer protoisraelitischen Ethnie, damit sie sich im 10. Jh. zu einer Nationalkultur konsolidiert haben kann. Belegt wird dies nicht.

Es ist D. nicht gelungen, ausreichende archäologische Daten aufzuweisen, die "the initial growth of urbanism and centralisation of administration in the early Iron II period" sichern, auch nicht, dass das Material in die 2. Hälfte des 10. Jh.s gehört. Seine Auffassung, Israel sei Mitte des 10. Jh.s "urban" gewesen (247), hält einer Prüfung nicht stand. Schließlich: "... if the 10th century BCE state of the Divided Monarchy, as the material culture remains overwhelmingly attest (? H. M. N.), was not ethnically ’Israelite’, then what was it? This is a question that biblical ’revistionists’ and minimalist archaeologists cannot answer." (251) Letzteres ist kein wissenschaftliches Argument, und die Frage haben die Kritisierten einleuchtend beantwortet. So bleibt D.s Satz "We have an Israelite state in the Iron IIA period" eine Behauptung.

H. M. Niemann: "The Socio-Political Shadow Cast by the Biblical Solomon" (252-299). Palästina wird geomorphologisch und ökologisch als Handlungsrahmen nach sozialen und ökonomischen Strukturen und Gegebenheiten skizziert, dann werden außerbiblische inschriftliche Quellen zum 10. Jh. v. Chr. außerhalb und innerhalb (des späteren) Israel(s)/Juda(s) gesichtet: Es gibt kaum welche, Salomo erwähnende überhaupt nicht. N. betrachtet archäologische Funde, ordnet sie aufgrund der neuen Chronologie von I. Finkelstein. Der Vf. skizziert die Geschichte eines galiläischen Beduinenscheichs des 18. Jh.s nach Chr., dessen Aufstieg, Herrschaft und Handlungen strukturell verblüffend an Saul, David und Salomo erinnert. Dies zeigt: Moderne ethnographische (überprüfbare) Materialien legen nahe, dass unter gleichen/ähnlichen Bedingungen in gleichen/ ähnlichen Regionen gleiche/ähnliche Handlungsmuster durch Jahrhunderte auftreten können; ein Herrscher handelt möglicherweise im Palästina des 13. oder 10. Jh.s v. Chr. ähnlich wie einer im 18. Jh. nach Chr.

So kann man Lücken der Überlieferung mit bezeugten Handlungsmustern hypothetisch füllen. Der Vergleich kann aber auch bedeuten, dass Handlungen, bei Saul, David und Salomo und anderen Vergleichsherrschern berichtet, strukturell bzw. typisch statt real sind. D. h. eine typische Handlungsweise kann hypothetisch beim Rekonstruieren helfen, aber wegen ihrer Typik keine präzise Datierung sichern. Erst an 4. Stelle betrachtet der Vf. die Bibel zu Salomo, nicht weil sie wertlos, sondern weil sie eindeutig zur theologischen Information geschaffen sei, nicht aber, um Fakten für moderne Geschichtsschreibung detailgetreu aufzuzeichnen. Wir finden ein detailliertes theologisches Porträt Salomos in der Bibel. Die davon unabhängige geomorphologisch-geographische, ökologische, ökonomische, kulturelle und politische Regionalanalyse Palästinas im 10. Jh. aufgrund der Epigraphik und der Archäologie sowie mittels ethnographischem Vergleich zeigt, dass ein Herrscher innerhalb dieser Region und den gegebenen Strukturen tendenziell und strukturell so gehandelt haben kann, wie eine kritische Analyse des biblisch-theologischen Saul-, David- und Salomobildes als historischen Handlungshintergrund für diese Gestalten vermuten lässt. Damit ist ein methodischer Weg zu einem hypothetisch-historischen Salomobild gewonnen. Bewiesen ist der historische Salomo damit nicht, seine Möglichkeit, für die manches spricht, allemal. Die Dimensionen des biblischen Salomobildes sind nicht von historischem, sondern von theologischem Wert.

D. C. Hopkins: "The Weight of the Bronze Could Not Be Calculated: Solomon and Economic Reconstruction" (300-311). In seinem geistreichen, leicht humorvoll-ironischen Beitrag stellt der Vf. fest: Ein imperiales Reich Salomos, das den Dimensionen der biblischen Salomo-Ökonomie entspricht, gab es nicht im 10. Jh. "Two centuries would have to pass before Jerusalem loomed as a primate site even within ist own circumscribed territory. At the same time (the 8th century), Judah’s settlement landscape reached its Iron-Age zenith, and Jerusalem itself took on world-class proportions. 10th-century Jerusalem was not the center of an empire when it was just barely the center of its contiguous domain". (309) Wie Salomo dargestellt ist: das entspricht Josias Aspirationen!

N. P. Lemche: "On Doing Sociology with ’Solomon’" (312-335) schlägt, wenn man die (Früh-)Geschichte ohne Quellen rekonstruieren wolle, vor "a dynamic explanation which gave up the idea that it could produce without documents an adequate history of a certain region and, instead of this, concentrated on describing what seems to have materially happened and to delineate as many possible explanations as possible" (317 f.). Besonders interessiert ihn die Zeit vor Salomo, Verlauf und Ursachen der Veränderungen in Kanaan, die die Bedingungen für die Zeit Salomos schufen. - Geschichte müsse (re)konstruiert werden. Vor jeder nicht-quellengestützten Erklärung historischer Entwicklungen müssen alle Quellentexten analysiert, evtl. ihr geringer historiographischer Wert (der biblischen Texte) festgestellt werden. Archäologie soll ohne Sozialtheorie (als Prokrustesbett) zunächst nur deskriptiv sein. "The problem of doing sociology with Solomon is not so much connected with the kind of sociology ... it is simply a question of whether there is a problem at all, since it seems highly unlikely that there ever was a Solomon".

Für die restlichen Aufsätze, alle lesenswert, eigengeprägt und anregend, muss auf das Buch selbst verwiesen werden: P. A. Viviano: "Glory Lost: The Reign of Solomon in the Deuteronomistic History" (336-347), L. H. Feldman: "Josephus’ view of Solomon" (348-374), S. Lasine: "Solomon and the Wizard of Oz: Power and Invisibility in a Verbal Palace" (375-391), G. N. Knoppers: "Solomon’s Fall and Deuteronomy" (392-410), M. A. Throntveit: "The Idealization of Solomon as the Glorification of God in the Chronicler’s Royal Speeches and Royal Prayers" (411-427). L. S. Schearing: "A Wealth of Women: Looking Behind, Within, and Beyond Solomon’s Story" (428-456) (weist auf die Frauenbeschreibungen als Beschreibungen von Frauen-Typen), S. R. Shimoff: "The Hellenization of Solomon in Rabbinic Texts" (457-469), D. Jobling: "The Value of Solomon’s Age for the Biblical Reader" (470-492) (ein Ideal, aber kein Ursprungsmythos).

"Postludes and Prospects" (493-502) des Herausgebers sowie Register (503-539) schließen den wichtigen Band.

Fussnoten:

1) D. h.: Dieser oder jener Tatbestand ist in der behandelten Epoche möglich, wenn auch nicht beweisbar, also kann er bis zum Beweis des Gegenteils als gegeben angenommen werden. Diese "Argumentation" ist wissenschaftlich-methodisch unhaltbar. Ein Beispiel solcher brüchiger "Beweisführung": Aus dem 10. und anderen Jahrhunderten v. Chr. hat man in verschiedenen Weltgegenden goldene (Schmuck-Repräsentations)Schilde entdeckt, also seien die Texte von (den Goldschilden) Salomo(s) historisch zuverlässig (1Kön 1,26-28). Tatsächlich ist es nicht völlig ausgeschlossen, dass Salomo goldene Schilde besaß. Mindestens ist auch möglich, dass der biblische Verfasser den Brauch des Besitzes von Prestige-Schilden bei Herrschern kannte und Salomo zuschrieb, den er prestigiös darstellen wollte. Bewiesen ist weder, dass Salomo Goldschilde hatte, noch dass er sie nicht hatte, also ist nichts bewiesen. Beachtet man die unstrittig sehr bescheidene wirtschaftliche und kulturelle Situation des 10. Jh.s v. Chr. im palästinischen Bergland, wird man bei der Einschätzung von Reichtum und "Imperium" Salomos sehr zurückhaltend.

2) Zwar gab es früher als bisher gedacht Handel zwischen Mesopotamien und Südarabien (M. Liverani, YEMEN 1, 1992, 111-115: 2. Hälfte des 10. Jh.s., der im 7./6. Jh. seinen Höhepunkt erreichte). Die biblische Beschreibung des Besuchs der Königin von Saba dürfte aber eher die im 7./6. Jh. (von post-dtr Redaktoren) erzählte und mit Recht in das 10. Jh. platzierte Gründungslegende des Sabahandels sein (N. Liverani).