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Ausgabe:

Februar/2000

Spalte:

197 f

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

Langenhorst, Georg

Titel/Untertitel:

Jesus ging nach Hollywood. Die Wiederentdeckung Jesu in Literatur und Film der Gegenwart.

Verlag:

Düsseldorf: Patmos 1998. 296 S. 8. ISBN 3-491-72386-6.

Rezensent:

Birgit Zweigle

"Wer war Jesus?" - die Beantwortung dieser Frage kann nicht ein für alle mal festgeschrieben werden. Hierfür sind zu jeder Zeit neue Suchbewegungen notwendig. Der Vf. spürt Suchbewegungen von Literaten und Regisseuren und Regisseurinnen nach und findet unterschiedliche Antworten: Jesus ein politischer Rebell, softer Friedensprediger, göttlicher Scheinmensch, Feminist, Wundertäter, Heiler oder gar ein Verrückter. Die ästhetische Verarbeitung der Jesus-Gestalt unterliegt dabei anderen Gesetzen als die kirchlich-dogmatische bzw. wissenschaftlich-theologische Interpretation der biblischen Vorlage. Jesus einmal im Spiegel literarischer Texte und Filme unserer Zeit zu betrachten, zu diesem Fremdblick möchte Langenhorst Kirche und Religionspädagogik einladen. In diesem Anliegen folgt L. den Fußspuren seines Lehrers Karl-Josef Kuschel, der in seinem Buch "Jesus in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur" die Jesus-Rezeptionen bis 1978 bereits aufgearbeitet hat. Das vorliegende Buch versteht sich insofern als Fortführung (Literatur von 1978-1997) und Ergänzung (Erweiterung um Jesus-Filme) Kuschels.

In einer Hinführung (9-42) werden Grundlinien der Entwicklung von Jesus-Literatur und -Film aufgezeigt. Daraus ergeben sich drei Gattungen von Jesus-Verarbeitungen: Der klassische Jesus-Roman bzw. -Film mit seinen beiden Typen der fiktionalen und der indirekten Biographie sowie die Jesus-Transfiguration. Diesen Einteilungen folgt auch der Hauptteil des Buches (43-232). Zu den fiktionalen Jesusbiographien (43-70) gehören historische Romane wie z. B. das von Gerald Messadié 1988 veröffentlichte Buch "Ein Mann namens Jesus" oder die Filmbiographien von Pier Paolo Pasolini (Das erste Evangelium), Roberto Rossellini (Der Messias) und Franco Zeffirelli (Jesus von Nazareth). Indirekte Jesus-Darstellungen (71-132) nähern sich den Ereignissen um Jesus aus der Perspektive einer Nebenfigur. Vor allem drei Gestalten des Geschehens um Jesus sind dabei immer wieder aufgegriffen worden: Judas (z. B. Walter Jens, Die Akten sind offen), Pilatus (z. B. Tschingis Aitmatow, Der Richtplatz) und Maria Magdalena (z. B. Luise Rinser, Mirjam). Neben der Möglichkeit, sich Jesus über biblische Spielfiguren anzunähern, bietet sich ein weiteres Verfahren an: der Zugang über fiktive Figuren (133-178). Unter den legendären Gestalten, die mit Jesus verbunden werden, ragt insbesondere eine heraus: Ahasver, der ewig wandernde Jude (vorzüglich verarbeitet von Stefan Heym, Ahasver/1981). Bei Jesus-Transfigurationen (179-232) zeigen sich zwei gegensätzlich-komplementäre Methoden: Entweder der Fund eines alten Manuskripts in der Gegenwart, das zu einer neuen Einschätzung der Ereignisse um Jesus führt, oder die Zeitreise heutiger Menschen zurück in die Vergangenheit. Das erste Verfahren wird z. B. von Babara Wood 1995 in ihrem Buch "Die Prophetin" angewandt, das zweite von Gore Vidal in seinem 1954 erstmals erschienenen Jesus-Roman "Messias", der 1997 neu aufgelegt wurde. Ein letzter Grundtyp der Jesus-Rezeption in Literatur und Film führt zu einer eigenständigen Form der Transfiguration, die des "Jesus redivivus". Dahinter verbirgt sich entweder die Technik, Jesus direkt in der heutigen Zeit neu auftreten zu lassen oder Jesus-ähnliche Gestalten nachzuzeichnen. Zu dieser Gattung gehören der vielleicht beste Jesus-Film überhaupt, der von Denys Arcand 1989 gedrehte Film "Jesus von Montreal" sowie der von Langenhorst viel gerühmte Roman "Owen Meany", 1989 geschrieben von dem amerikanischen Erfolgsautor John Irving.

L. versteht es, in seinem Buch nicht allein die Fülle an Literatur und Filmen plastisch wiederzugeben, er kategorisiert das Dargebotene auch nach klaren Kriterien. Während dies im Hauptteil eher implizit geschieht, macht er seine Bewertungskriterien im dritten Teil des Buches (Ausblick: 233-277) transparent. Anhand der Fragestellung: "Was unterscheidet eigentlich einen guten von einem schlechten Jesus-Film, einen gelungenen von einem mißlungenen Jesus-Roman?" (244), entwickelt L. vier Kriterien: ästhetische Stimmigkeit, theologischeStimmigkeit, Originalität, Wirkung auf die Leser oder Zuschauer. Das Buch schließt ab mit einigen Anregungen für den Einsatz der Jesus-Darstellungen in der religionspädagogischen Praxis sowie einer Bibliographie und Filmographie, incl. Sekundärliteratur (280-292).

Insgesamt ist L.s Buch eine lohnenswerte Lektüre, gekennzeichnet vor allem durch eine klare und anschauliche Sprache. Man merkt, dass der Autor in die Schule der Literatur gegangen ist. Kritisch anzumerken ist, dass er dem Jesus-Film als einem eigenen Medium gegenüber dem Buch nicht gerecht wird: Er behandelt den Film allein nach inhaltlichen Kriterien und nicht von seinen filmtechnischen Eigenheiten her (Kameraführungen, Visualisierungen, etc.). Ebenso hätten die religionspädagogischen Zugänge eine ausführlichere Behandlung bedurft, sie wirken hier in ihrer Kürze unzureichend. Doch dies schmälert nicht den Genuss der Lektüre. Die Leser und Leserinnen werden fasziniert von dem Facettenreichtum der Jesus-Rezeptionen und unwillkürlich stellt man sich die Frage: Wer war dieser Jesus wirklich?