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Ausgabe:

Februar/2000

Spalte:

195–197

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

Hölscher, Andreas, u. Rainer Kampling

Titel/Untertitel:

Religiöse Sprache und ihre Bilder. Von der Bibel bis zur modernen Lyrik.

Verlag:

Berlin: Morus 1998. 283 S. 8 = Schriften der Diözesanakademie Berlin, 14. ISBN 3-87554-327-0.

Rezensent:

Friedrich Johannsen

Religiöses Reden ist auf die Sprache der Bilder angewiesen. Die Beobachtung, dass die gegenwärtige Allverfügbarkeit des Bildes zu einer Verarmung der Bildsprache geführt hat, nehmen die Autoren zum Anlass, über eine theologisch reflektierte Bildrede nachzudenken. Der Band vereinigt überarbeitete Vorträge, die vom Seminar für Katholische Theologie an der Freien Universität Berlin und von der Diözesanakademie Berlin gemeinsam veranstaltet wurden. Hans Hermann Henrix arbeitet unter dem Titel "Augenblick ethischer Wahrheit" die Bedeutung der Metapher im Denken Emmanuel Lévinas heraus. Karl-Josef Kuschel unterzieht die Ästhetik des Horrors in der Literatur des 20. Jh.s einer literarischen und theologischen Kritik. Er weist auf den für die theologische Reflexion über das Böse relevanten Befund hin, dass die große Literatur Widerstand leistet gegen eine billige Ästhetisierung des Horrors. Sie folgt der Intention, das Böse nicht ästhetisch zu genießen, "sondern im Akt des schonungslosen Zeigens zu überwinden" (51).

Reinhard Hoeps plädiert dafür, moderne Kunstwerke, die nichts als sich selbst repräsentieren, als theologische Herausforderung anzunehmen. Er tritt damit für die Abkehr von einer Tradition ein, die theologische Bedeutung nur in Bildern sehen konnte, in denen theologisch relevante Sachverhalte abgebildet werden. Hildegard Piegler untersucht am Beispiel von Tarot-Karten die Ikonographie der modernen Esoterik. Sie kommt anhand der gewählten Beispiele zu dem Schluß, dass diesen wegen der Beliebigkeit der Darstellung und des Umgangs die Dignität einer Ikonographie nicht zuzuerkennen sei. Gegen eine isolierte Interpretation des Bilderverbotes weist Silvia Schroer in ihrem Beitrag auf den Zusammenhang von Bilderverbot und Fremdgötterverbot in der Tradition der Hebräischen Bibel hin. Dieser Zusammenhang gewinnt bei einer der Aktualisierung des Gebotes im Kontext postmoderner Bilderflut neue kritische Relevanz. Die Sprachbilder des Christus-Hymnus des Kolosserbriefes und die theologischen und religionswissenschaftlichen Traditionen der Rede vom "Bild Gottes" untersucht Andreas Hölscher und verweist auf den Christus cruzifixus als Kriterium eines theologisch sachgemäßen Gottesbildes, das in der Kunst des 20. Jh.s als Möglichkeit in Anspruch genommen wird, dem Menschen als Bild Gottes künstlerische Gestalt zu geben.

Durch eine exemplarische Betrachtung ausgewählter Sprachbilder des Nizäno-konstantinopolitanischen Symbols erschließt Dorothea Sattler im Rückgriff auf neuere Metapherntheorien die theologischen Erkenntnismöglichkeiten, die sich aus der Rede von Gott in personalen und nichtpersonalen Metaphern und für das Verständnis des trinitarischen Monotheismus gewinnen lassen. Eine pointierte und differenzierende Erschließung der Bildproblematik in der reformatorischen Theologie bietet der Beitrag von Michael Weinrich. Dabei wird u. a. die These entfaltet, dass die Differenzen der Reformatoren in der Bilderfrage im Wesentlichen keine theologischen Unterschiede widerspiegeln, sondern durch die unterschiedlichen Kontexte der Auseinandersetzung bedingt sind. Der Beitrag mündet ein in die These von der "Profanisierung der Bilder" zum "weltlichen Ding" als Folge der reformatorischen Befreiung der Bilder aus der Frömmigkeitspraxis.

Der Bildsprache der persischen mystischen Dichtung (Sufismus) ist der Beitrag von Maria Macuch gewidmet. Im Anschluss daran geht Mariano Delgado der Bildsprache des viel rezipierten Mystikers Johannes vom Kreuz nach, die er insbesondere durch eine Interpretation der Vermählungssymbolik erschließt. Zur notwendigen kritischen Auseinandersetzung mit der Tradition des christlichen Antijudaismus trägt Rainer Kampling mit seiner Analyse der antijudaistischen Bildpolemik bei, in der er Motive des kirchlichen Antijudaismus mit ihren Wurzeln in der patristischen Auslegung und ihrer Rezeption in der bildenden Kunst des Mittelalters untersucht.

Der Band schließt mit einer Betrachtung von Bruno Schlegelberger (Der Dialog der Bilder) zur Rezeption und Interpretation von christlichen Bildern in indianischen Kulturen.

Die gut lesbaren Beiträge erschließen ein breites Spektrum relevanter Aspekte zum Thema Religion und Bild und bieten interessante und wichtige Orientierungen im Kontext der aktuellen Diskussion über das Verhältnis von Ästhetik und Theologie.

Der Band ist Carsten Colpe anläßlich seiner Emeritierung gewidmet.