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Ausgabe:

Februar/2000

Spalte:

184 f

Kategorie:

Autor/Hrsg.:

Höllen, Martin

Titel/Untertitel:

Loyale Distanz? Katholizismus und Kirchenpolitik in SBZ und DDR. Ein historischer Überblick in Dokumenten. Bd. 3: 1966-1990. 1. Teilbd.: 1966 bis 1976.

Verlag:

Berlin: Höllen 1998. XXII, 398 S. gr.8.

Rezensent:

Hubert Kirchner

Der Band lässt den Weg der römisch-katholischen Kirche in der DDR verfolgen in einer für sie ganz entscheidenden Periode: Das II. Vatikanische Konzil (1962-1965) forderte seine Umsetzung. Hauptschwerpunkte dafür bilden in der DDR zunächst die Meißner Diözesansynode (1969-1971) und dann - diese gleichsam überlagernd und auch neutralisierend - die Pastoralsynode aller Jurisdiktionsbezirke (1973-1975).

Es ist ferner die Zeit des kirchenleitenden Wirkens von Alfred Kardinal Bengsch als Vorsitzender der Berliner Ordinarienkonferenz (seit Oktober 1976 Berliner Bischofskonferenz), der seine spezifischen ekklesiologischen, pastoralen und nicht zuletzt kirchenpolitischen Konzepte aber nur in z. T. harten Auseinandersetzungen durchzusetzen vermochte: mit dem Staate, der alles unternahm, um seine eigenen Vorstellungen besonders hinsichtlich der Abgrenzung bzw. Eigenständigkeit der Kirche in der DDR durchzudrücken, aber auch mit einer sich immer deutlicher formierenden innerkirchlichen Opposition (z. B. in der Jugendseelsorge, bei einer Reihe jüngerer Theologen, u. a. W. Trilling) sowie mit Tendenzen in der Deutschen Bischofskonferenz und auch im Vatikan. Denn es ist ja auch die Zeit einer neuen "Ostpolitik" des Vatikans unter seinem "Außenminister" Erzbischof Casaroli, die letztendlich auch für die katholische Kirche in der DDR zu einer vorläufigen Lösung führte in Form der - für den Staat wiederum nur schwer akzeptablen - Einsetzung Apostolischer Administratoren in den Teilgebieten westdeutscher Diözesen. Das sind nur einige der Hauptthemen, die im Einzelnen durch die Jahre zu verfolgen freilich schwerfällt, weil - wie bekannt - das chronologische Ordnungsprinzip sachliche Zusammenhänge nicht berücksichtigt und bislang außer dem Dokumentenverzeichnis, das aber in vielem nicht aussagekräftig genug ist, und gelegentlichen Verweisen keine weiteren Hilfsmittel zur näheren Orientierung zur Verfügung stehen.

Über die Auswahl der gebotenen Dokumente - näher auf Einzelpunkte einzugehen kann hier leider nicht der Ort sein - lässt sich natürlich diskutieren. So wäre es z. B. schon interessant, in der kontroversen theologischen Diskussion über die Meißner Synodenbeschlüsse nicht nur das abgrenzende Votum von Kardinal Bengsch und die erstaunlich positive Einschätzung durch J. Ratzinger (!) zur Kenntnis zu nehmen, sondern auch das charakteristische Urteil von G. Mai, der der Synode "ein falsches, nämlich das reformatorische Bild von dem Verhältnis zwischen Priester und Gläubigen" und insgesamt eine protestantisierende Verdünnung der hierarchischen Strukturen der Kirche unterstellte. Demgegenüber ließe sich vielleicht auf einige längere Stücke, die ohnehin in leicht zugänglichen Editionen vorliegen (z. B. die Auszüge aus den Papieren der Pastoralsynode), verzichten. Doch das sind natürlich Ermessensfragen, deren Spielräume stets subjektiv bestimmt werden.

Sehr zu bedauern ist, dass besonders aus zeitlichen Gründen einige ursprünglich vorgesehene und entsprechend in der Gesamtkonzeption in Band 1 angekündigte Themenbereiche nun doch entfallen mussten. Sie werden zwar weiterhin gezählt, aber nicht mehr ausgeführt. Wie viel damit tatsächlich gestrichen wurde, lässt sich so nur ahnen. Betroffen sind u. a. das Kapitel über die geheime Spendung von Priesterweihen oder die Vorgänge um die Selbstverbrennung von Pfarrer Brüsewitz. Die immerhin gegebenen Hinweise auf Literatur helfen aber ein wenig über die Lücken hinweg.

Der das ganze Werk abschließende Band 3/2 wird dann bis in das Jahr 1990 führen. Dieser wird also einen längeren Zeitraum umfassen als die bisher vorliegenden Teile. Und das impliziert vor allem, dass die Dokumentendichte nicht unbeträchtlich abnehmen wird. Davon, was das praktisch bedeutet, lässt möglicherweise schon der Schlussteil des vorliegenden Teilbandes einiges erkennen. Denn für die Stücke aus dem Jahre 1976 werden nur noch ganze 14 Textseiten aufgewendet! Hier waltet jetzt offensichtlich eine sehr strenge Auswahl. Und das ist eigentlich schade. Auf alle Fälle ist aber doch in erfreulich absehbarer Zeit der Abschluss des großen Werkes zu erwarten. Und damit steht auch in Aussicht, dass so manches Desiderium, das bisher angemerkt werden musste, seine Erfüllung findet.