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Ausgabe:

Dezember/2018

Spalte:

1339–1341

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Schröder, Bernd

Titel/Untertitel:

Göttinger Religionspädagogik. Eine Studie zur institutionellen Genese und programmatischen Entfaltung von Katechetik und Religionspädagogik am Beispiel Göttingen. Unter Mitarb. v. F. Dinger, M. Emmelmann, M. E. Fuchs, U. M. Götte, E. Hohensee u. L. Steinbeck.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2018. XVII, 430 S. = Praktische Theologie in Geschichte und Gegenwart, 25. Kart. EUR 84,00. ISBN 978-3-16-155840-5.

Rezensent:

Konrad Hammann

»Es gab und gibt«, so befand Wilhelm Gräb vor etwa zwanzig Jahren, »nicht nur eine Religionspädagogik in Göttingen. Es gab und gibt die ›Göttinger Religionspädagogik‹.« Ausgehend von dieser Einschätzung nimmt Bernd Schröder, der derzeitige Inhaber der Göttinger Professur für Praktische Theologie mit den Schwerpunkten Religionspädagogik und Bildungsforschung, zusammen mit einigen seiner Schüler und Kollegen in dem vorliegenden Buch die Geschichte der in Göttingen betriebenen Katechetik und Religionspädagogik unter einer zweifachen Fragestellung in den Blick. Zum einen soll am Beispiel der Göttinger Fachgeschichte untersucht werden, wie sich die Religionspädagogik als Wissenschaft im Kontext der Theologie wie auch der Pädagogik formiert hat. Zum anderen geht es darum zu ermitteln, welche konzeptionellen An­sätze zur Erschließung und Beförderung religiöser Lehr- und Lernprozesse in fast 300 Jahren in Göttingen entwickelt worden sind. Die Verknüpfung dieser beiden Zielsetzungen legt methodisch eine Verbindung verschiedener Perspektiven nahe. Am Beispiel eines Bildungsraumes – Göttingen bietet sich dafür aus verschie-denen Gründen in hervorragender Weise an – sollen werkbiographische, diskursanalytische sowie institutionen- und konzep-tionsgeschichtliche Zugänge das Thema in das ihm gemäße Licht rücken.
Unter diesen Vorzeichen bietet Schröder im I. Teil eine prägnante Darstellung der Geschichte der Katechetik und Religionspädagogik in Göttingen. Katechetische Lehrveranstaltungen wurden an der Universität Göttingen von Anfang an durchgeführt, eine institutionelle Absicherung des Faches Religionspädagogik erfolgte allerdings erst ab 1945 an der Pädagogischen Hochschule und noch später an der Theologischen Fakultät. Zwar gelang im 18. Jh. phasenweise die Einrichtung von Institutionen der Katechetik, jedoch konnten Katechetik und Religionspädagogik in Göttingen kaum langfristig nachhaltige institutionelle Akzente setzen. Demgegenüber erfuhr die fachliche und konzeptionelle Profilierung der Katechetik und Religionspädagogik in Göttingen seit den Anfängen der Universität und besonders nach dem Zweiten Weltkrieg an der Pädagogischen Hochschule eine starke Aufmerksamkeit. Die Ergebnisse dieser Arbeit wirkten weit über Göttingen hinaus, was sich an etlichen Namen festmachen lässt, die im Folgenden zu erwähnen sind.
Der II. Teil des Buches bietet unter der Überschrift »Die Profilierung von Katechetik und Religionspädagogik« elf Werkbiographien zu denjenigen Vertretern der Katechetik und der Religionspädagogik in Göttingen, die in ihren Fächern wichtige konzeptionelle und institutionelle Impulse setzten. Diese Porträts sind überwiegend nach einem einheitlichen Schema gezeichnet: Einer Berufsbiographie des Porträtierten folgen die Vorstellung seines Werkes und dessen Verortung in der zeitgenössischen Debattenlage, den Abschluss bilden Hinweise zu seiner Rezeption und Wirkung sowie eine knappe Würdigung. Den Reigen dieser Werkbiographien eröffnet Urte Marie Götte, die Johann Lorenz von Mosheims Bedeutung für die Entwicklung des Faches Katechetik an der Universität Göttingen herausstellt. Elisabeth Hohensee würdigt Johann Peter Miller als einen auf praktische Reformen dringenden Vertreter der Sokratik des 18. Jh.s. Bernd Schröder präsentiert mit Johann Friedrich Christoph Gräffe einen Theologen, der die sokratische Methode weiter ausbaute und zugleich die Katechetik als eigenständiges Fach begriff und sich bemühte, sie institutionell abzusichern.
In die Mitte des 19. Jh.s führt der Beitrag von Lukas Steinbeck über Friedrich Ehrenfeuchter, der im Kontext seines missionstheologischen Ansatzes auch die Katechese zu profilieren suchte. In der Geschichte der Religionspädagogik nimmt Karl Knoke, wie Bernd Schröder zeigt, insofern eine Zwischenstellung ein, als er die Katechese zwar als Teil der Praktischen Theologie, jedoch auch bereits als eine auf sehr verschiedene Lernorte bezogene Disziplin in den Blick nahm. Ebenfalls Bernd Schröder ruft das weithin vergessene Wirken Hermann Schusters in Erinnerung, eines mit der Göttinger Theologischen Fakultät eng verbundenen Religionspädagogen, der sich als Verbandspolitiker, Autor und Herausgeber sowie als Fachdidaktiker um die Religionspädagogik in der ersten Hälfte des 20. Jh.s. verdient gemacht hat.
Der Hauptautor des Buches vergegenwärtigt auch die religionspädagogische Arbeit Hans Stocks, der als Vertreter des hermeneutischen Religionsunterrichts an der Göttinger Pädagogischen Hochschule die angehenden Religionslehrer theologisch zu bilden bemüht war. Moritz Emmelmann schließt dem ein Porträt Martin Stallmanns an, des anderen, vielleicht noch bekannteren Protagonisten der auf die existentiale Schriftauslegung ausgerichteten hermeneutischen Religionspädagogik. Als Dritter im Bunde der an der Pädagogischen Hochschule bzw. dem Fachbereich Erziehungswissenschaften der Universität Göttingen tätigen Religionspädago-gen gelangt Peter Biehl zur Darstellung; seinen Weg vom Schüler Rudolf Bultmanns zum Begründer der protestantischen kritischen Symbolkunde zeichnet Monika E. Fuchs nach. In Bündelung der Studien zu Stock, Stallmann und Biehl vergegenwärtigt Bernd Schröder zusätzlich in einem Exkurs die Anstöße, die Rudolf Bultmann mit seinem theologischen Konzept namentlich dem hermeneutischen Religionsunterricht gab.
Die beiden letzten personenorientierten Beiträge des Bandes führen bereits an die Gegenwart heran. Florian Dinger erläutert, wie Christoph Bizer in seinen religionspädagogischen Bestrebungen der Gestaltwerdung der christlichen Religion in den Bildungsprozessen des schulischen evangelischen Religionsunterrichts besondere Beachtung schenkte. Dinger und Bernd Schröder würdigen schließlich gemeinsam das religionspädagogische Wirken von Rudolf Tammeus, der in zahlreichen Funktionen und als Mitinitiator des Unterrichtswerkes »Religion entdecken – verstehen – gestalten« über Jahrzehnte hin in Göttingen wie kein anderer die Verzahnung von religionspädagogischer Praxis und Theorie prägte– ihm ist auch zu Recht der ganze Band gewidmet.
Im abschließenden III. Teil beantwortet der Hauptautor die Frage nach dem besonderen Profil der Katechetik und Religionspädagogik in Göttingen noch einmal pointiert. Zwar gebe es nicht die Göttinger Katechetik und Religionspädagogik, aber das Er­scheinungsbild der beiden Fächer in Göttingen weise bemer-kenswerte personelle, programmatische und auch institutionelle Konturen auf. Anhänge zu den Lehrenden in der Katechetik und Religionspädagogik an der Theologischen Fakultät und an der Pädagogischen Hochschule Göttingen sowie zu den einschlägigen Prüfungsordnungen für das Theologie- und Religionslehramtsstu-dium in Göttingen runden einen sehr gelungenen Überblick ab. Ein Personen- und ein Sachregister erschließen einen Band, der anhand der Entwicklung der Religionspädagogik in Göttingen einen instruktiven Einblick in die Geschichte des Faches überhaupt ermöglicht.