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Ausgabe:

Januar/2000

Spalte:

108 f

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Fuchs, Guido

Titel/Untertitel:

Mahlkultur. Tischgebet und Tischritual.

Verlag:

Regensburg: Pustet 1998. 387 S. mit zahlr. Abb. 8 = Liturgie und Alltag. Pp. DM 49,80. ISBN 3-7917-1595-X.

Rezensent:

Manfred Josuttis

Das Tischgebet hat bisher eher am Rand der liturgiewissenschaftlichen Forschung gestanden. In dieser Würzburger Habilitationsschrift, die für den Druck "lesefreundlicher" (11) gestaltet wurde, unternimmt der Vf. den dankenswerten Versuch, "den Zusammenhang von Eucharistie und Mahl aufzuzeigen, vor allem den Einfluß der Liturgie auf die Mahlriten und -gebete" (32). Im Vordergrund stehen durchweg historische Informationen, die gerade für protestantische Leser/innen hilfreich sein können. Aber die Untersuchungen gelten auch Beispielen aus der Gegenwart, etwa neuen Tischgebetbüchern (68ff.), Kochbüchern, die dem Kirchenjahr folgen (271 f.), und den Kriterien der "Sozial- und Umweltverträglichkeit" bei der Auswahl von Speisen (293).

Der erste Teil ist dem Tischgebet selbst gewidmet. Dessen Wurzeln liegen unbestreitbar in der jüdischen Tradition und sind durch die Jesus-Bewegung in die christliche Kirche geraten. Schon im NT zeichnet sich aber eine Entwicklung vom "Lobpreis Gottes zur Sachbenediction" (39) ab. Die Beraka wird, wie es vor allem 1Tim. 3,5 ausdrückt, zur Segnung, ja zur "Heiligung" der Speise, wobei in der Exegese die Intention dieser Formulierung durchaus umstritten ist (46 ff.). Ob dieser Wandel wirklich so gravierend ist, wie es die Darstellung suggeriert, wird man fragen dürfen. Der Eindruck eines Bruchs entsteht nicht zuletzt deshalb, weil die Beraka bei F. aus dem Kontext ritueller Prozeduren herausgelöst ist. Die "Heiligung" ist ja durch die Beachtung der Vorschriften für die Auswahl und Zubereitung der Speisen schon geschehen, und am Tisch bleibt dann nur noch der Dank. Wenn diese ritualisierte Präparation entfällt, muss sie in der Tat, wie es in der Alten Kirche mehr und mehr praktiziert wird, im Tischgebet nachgeholt werden.

Dass und wie die Benedictio mensae über die Klosterpraxis auch die privaten Tischgebete beeinflusst hat, zeigt die Arbeit an einigen Punkten. Der Gesang bei Tisch, ursprünglich als aszetisches Mittel eingesetzt (75 ff.), ist vor allem durch die reformatorischen Lieder befruchtet worden (78 ff.). Auch die Rolle des Sprechers, die Körperhaltungen, das Händewaschen und die Gesten beim Segnen werden exemplarisch erörtert.

Ist schon das Material, das zum Vollzug des Betens gehört, in einer Einzelstudie kaum zu erfassen, so gilt das erst recht für den zweiten Teil, der den rituellen Rahmen beschreibt. Dazu zählt F. die Gestaltung von Essraum und Tisch, die Sitzordnung, die Lesungen und Gespräche. Die liturgische Prägung von Brot, Wein und Salz wird an Beispielen aus Geschichte und Gegenwart vorgeführt. Wie das Kirchenjahr bis heute auch die Auswahl von Speisen bestimmt, wird besonders an den hohen Festtagen deutlich. Bei allen regionalen und konfessionellen Unterschieden ist die fortwährende Grundierung heutiger Essvorgänge durch kirchliche Vorgaben in der Tat erstaunlich.

Mit dem Titel des Buches plädiert der Autor für einen Lebensstil, der auch beim Essen den Gottesbezug zum Ausdruck bringt. "Die Art und Weise, wie Christen Mahl halten, drückt ihr Verständnis als Menschen in der Nachfolge Christi aus" (283). Weil Liturgie und Alltag sich wechselseitig beeinflussen, sollte umgekehrt auch im Kontext der Eucharistie eine Mahlfeier Platz gewinnen (288 f.). Alle kirchliche Mahlkultur kann freilich nicht vergessen machen, dass es im heiligen Essen immer auch um die Sühne für das profane Essen geht. Jeder Akt von Nahrungsaufnahme schließt im Interesse der Lebenserhaltung die Vernichtung fremden Lebens ein.