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Ausgabe:

Januar/2000

Spalte:

106–108

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Foitzik, Karl

Titel/Untertitel:

Mitarbeit in Kirche und Gemeinde. Grundlagen, Didaktik, Arbeitsfelder. Unter Mitarbeit von H. Fried, B. Kittelberger u. J. Knoll.

Verlag:

Stuttgart-Berlin-Köln: Kohlhammer 1998. 236 S. gr.8. Kart. DM 39,80. ISBN: 3-17-014447-2.

Rezensent:

Thomas Klie

Pädagogisch motivierte Anleitungsliteratur hat vor allem in Zeiten sich verknappender finanzieller Ressourcen Konjunktur. Die Einladung "zur Mitarbeit und Gemeinde", wie Herausgeber und Mitautor Karl Foitzik im Vorwort ausspricht, ist darum nicht nur didaktisch und gemeindepädagogisch, sondern vor allem auch zeitdiagnostisch und ekklesiologisch gegenzulesen.

Das Buch wendet sich werbend in erster Linie an Ehrenamtliche und solche, die es werden wollen bzw. sollen; Sprachgestalt, Umfang und Fachbuch-Layout lassen auf akademisch gebildete "Laien" als Zielgruppe schließen. In vier großen Abschnitten werden die einzelnen Schritte auf dem Weg zur Mitarbeiterbildung entfaltet: I. Grundfragen, II. Mitarbeiterprofile und didaktische Konsequenzen, III. Arbeitsfelder (Hagen Fried: Kinder- und Jugendarbeit; Karl Foitzik: Kindergottesdienst; Jörg Knoll: Erwachsenenbildung; Barbara Kittelberger: Besuchsdienst, Beratung, Seelsorge), IV. Perspektiven und Konsequenzen.

Die ekklesiologische Grundlegung fußt auf der "reformatorischen Einsicht vom Priestertum aller Getauften": "Gott will, daß Gerechtigkeit verwirklicht, Friede gestiftet und seine Schöpfung bewahrt wird ... Diesen Absichten Gottes sind alle Christinnen und Christen verpflichtet." Er "beteiligt sie an seiner Arbeit aber nicht als ,Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer’, sondern als ,Freundinnen und Freunde’" (20 f.). Diese normative Zielvorgabe kleidet der Hg. metaphorisch in das (gewöhnungsbedürftige) Bild von Kirche als einer "Karawanserei", das "im Blick auf die vielen Industrie- und Freizeitnomaden und auf die vielen, die heute unterwegs sind, um nach dem Sinn ihres Lebens zu suchen," gewählt wurde (27). Kybernetisch interessierte Leser wird überraschen, dass an dieser Stelle - immerhin ein mit "Grundlagen" überschriebener Abschnitt! - der religionsdidaktischen Erschließungskraft der genuin biblischen Bilder (Soma-Vorstellung, Kirche als Braut Christi, Gebäude oder als wanderndes Gottesvolk) kein Raum gegeben wird. Offenbar wäre die Kompatibilität mit dem von F. intendierten Ideal einer konziliar-bunten, basisnahen, in alle Richtungen offenen Angebots- und Beteiligungskirche auch nur bedingt gegeben. Denn die Korrelation zwischen geglaubter, rechtlich verfasster Kirche und sozialem Milieu wird leider nirgends explizit bedacht. Im Plausibilitätssog eher sozialwissenschaftlich definierter Wirklichkeit können dann aber Gnadengaben als letztlich ausschlaggebende Größe jeder Gemeindepädagogik unversehens unter Funktionalisierungsdruck geraten: Charisma mutiert dann leicht zur beliebig kapitalisierbaren Humanressource.

Positiv hervorzuheben ist allerdings die erklärte Absicht der Autorin und Autoren, ihren Überlegungen ein Gemeindemodell zu Grunde zu legen, das die traditionelle Aufteilung in parochialen und überparochialen Dienst verlässt und eindeutig für übergemeindliche "kirchliche Lebenszentren" votiert. Das spitzt natürlich die Frage nach dem Verhältnis zwischen dem der ecclesia invisibilis immer schon gegebenen Lebenszentrum und den peripheren Mitarbeitern an der göttlichen Oikodome (1Kor 3,9) nicht unerheblich zu.

Von großer Tragweite für die Motivierung und Qualifikation von "Profis für den Alltag" sind die Erwägungen zur Lebensphasenorientierung kirchlicher Mitarbeit. Hier finden sich viele sinnvolle Hinweise und relevante curriculare Planungsgrößen. "Es muß akzeptiert werden, daß sich Menschen in bestimmten biographischen Situationen zurückziehen, sich in anderen nur zeitlich begrenzt ehrenamtlich engagieren oder sich einen vorzeitigen Ausstieg vorbehalten" (51).

Das Kapitel zur Didaktik kirchlicher Bildungsarbeit - ein im Hinblick auf gemeindliche Vollzüge bislang viel zu selten eingelöstes Desiderat - ist ausgesprochen erhellend für die zum Schluss des II. Abschnitts erörterten Qualifikationsoptionen. Dass jedoch mit der kritisch-kommunikativen Didaktik (Schäfer/Schaller) ausgerechnet eine Lehrtheorie der frühen 70er den komplexen Bildungsaufgaben der späten 90er gerecht werden soll, will nicht recht überzeugen. Trotzdem ist es ein unbestreitbarer Vorzug dieses Bandes, das Problem der Mitarbeiterbildung auch und gerade als ein didaktisches erkannt und formuliert zu haben.

Die im III. Teil ausgewählten Arbeitsfelder für Ehrenamtliche bilden insgesamt ein breites Spektrum gemeindlicher Realität ab (die Altenarbeit kommt leider innerhalb der Kapitel "Erwachsenenbildung" bzw. "Beratung/Seelsorge" etwas zu kurz). Hier wird praxisnah und -relevant reflektiert; die vorgestellten Modelle werden durch umfangreiches und aktuelles empirisches Material validiert. Selbst die leidige, aber keineswegs marginale Honorarfrage ist mit bedacht (168 f.). Nach wie vor nimmt die professionelle Qualifizierung im Verein mit dem Eröffnen von Partizipationschancen eine Schlüsselstellung für die Resonanz volkskirchlichen Bildungshandelns ein. Hilfreich sind darum in diesen Abschnitten die klaren Impulse zur strukturierten Wahrnehmung des Bedingungsgefüges bzw. zur aktivierenden Gemeindearbeit. Die jeweiligen "Hinweise zur vertiefenden Lektüre" erleichtern die Orientierung und die notwendige kleinschrittige Weiterarbeit.

Erhellend für das Profil, die Unverkennbarkeit kirchlicher Gemeindearbeit und insofern von zentraler Bedeutung sind die unter III.D. von Barbara Kittelberger vorgenommenen Differenzierungen zwischen den Bereichen "Besuchsdienst, Beratung und Seelsorge". Entgegen einer verbreiteten Tendenz in der Praktischen Theologie, alle Bereiche pastoralen Alltagshandelns konturlos seelsorgerlich zu kolonialisieren, wird hier klar "die spirituelle Dimension" der (partnerzentrierten) Seelsorge ins Spiel gebracht: Seelsorge ist in erster Linie ein Ereignis zwischen Menschen und Gott. "Dabei ist es nicht entscheidend, ob dies ausgesprochen wird oder als unausgesprochene Grundannahme mitschwingt. Seelsorge kann auf diese Weise dazu beitragen, die eigene Person auch im Lichte der Freiheit des Evangeliums wahrzunehmen, und zu den ureigenen Kraftquellen zurückzufinden" (185).

Die Autorin und Autoren kommen im IV. Teil zu dem durchaus plausiblen Schluss, dass die "Mitarbeit in Kirche und Gemeinde" in Zukunft vermehrt ehrenamtlich geschehen muss. Sie muss es, "weil in einer ärmer werdenden Kirche nicht mehr so viele hauptberufliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bezahlt werden können wie bisher"; aber sie sollte es auch, "um die Arbeit in den Gemeinden wieder ,auf ihre Füße’ zu stellen und mehr Lebensnähe in der Verkündigung und der Gestaltwerdung des Evangeliums zu ermöglichen. Paradox formuliert: Um die Arbeit in den einzelnen Handlungsfeldern stärker zu professionalisieren, sollten mehr Ehrenamtliche zum Zuge kommen" (209).

Das Buch wird allen denen eine nützliche Reflexions- und Praxishilfe sein, die übergemeindlich und in den Gemeinden über neue Modelle von Mitarbeitergewinnung und v. a. -qualifikation nachdenken.