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Ausgabe:

Dezember/2018

Spalte:

1285–1287

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Julien l’Empereur

Titel/Untertitel:

Contre les Galiléens. Texte grec introduit et traduit par A. Giavatto et R. Muller.

Verlag:

Paris: Librairie J. Vrin 2018. 248 S. = Vrin – Bibliothèque des Textes Philosophiques. Kart. EUR 12,00. ISBN 978-2-7116-2759-2.

Rezensent:

Adolf Martin Ritter

Ein knappes Jahr, seitdem die editio critica maior der Erwiderung Kyrills von Alexandrien auf die Christenpolemik Kaiser Julians geschlossen vorliegt (Kyrill von Alexandrien I. Gegen Julian, T. 1: Buch 1–5, hrsg. v. C. Riedweg; T. 2: Buch 6–10 und Fragmente, hrsg. v. W. Kinzig/T. Brüggemann, Berlin 2016. 2017 [GCS.NF 20. 21]), ist in der Reihe »Bibliothèque des Textes Philosophiques« der renommierten Verlagsbuchhandlung J. Vrin in Paris eine zweisprachige Taschenbuchausgabe der Fragmente von Julians Streitschrift erschienen, deren Kenntnis fast ausschließlich Zitaten in Kyrills Werk zu verdanken ist; darum dieser »Aufhänger«. Die Publikation, um die es hier in erster Linie geht, ist wohl schon länger geplant gewesen. Wie sich das Autorenpaar seine Aufgaben verteilte, wird so wenig verraten wie das, worin die »Mitarbeit« von M. Victorri be­stand, für die man sich eingangs bedankt (6). So viel aber ist klar, dass die Arbeit für den griechischen Text auf der Ausgabe von E. Masaracchia (Giuliano Imperatore, Contra Galilaeos, Rom 1990) basiert, aber auch noch die genannte Kyrillausgabe berücksichtigte; in welchem Maße, wird gleich noch zu erörtern sein. Anders sind die Autoren Giavatto/Muller (G./M.) mit dem im selben Jahr wie Teil I der genannten Kyrillausgabe erschienenen zweiten Band der zweisprachigen editio minor von Kyrills Contra Iulianum in den »Sources Chrétiennes« (SC) verfahren, welcher die Bücher III–V umfasst, erarbeitet (vor allem) – in engem, fruchtbaren Austausch mit C. Riedweg, dem Herausgeber von Bd. I der editio maior (s. das Vorwort, 8) – von dem Pariser Gräzisten und Julianspezialisten J. Bouffartigue und dessen Schülerin M.-O. Boulnois, die ihn nach Bouffartigues überraschendem Tod 2013 allein zu Ende führte. Er ist wohl in der Bibliographie des Bändchens aufgeführt (228). Ansonsten jedoch haben ihn die Autoren, wenn ich nichts übersehen habe, völlig ignoriert, genauso wie die wichtigen Begleitstudien von Frau Boulnois, die aus ihrer Arbeit an Text, Übersetzung und Kommentierung von Contra Iulianum Kyrills hervorgingen; sie werden nicht einmal der Erwähnung in der – ohnehin reichlich lückenhaften – Bibliographie gewürdigt.
Was aber leistet ihr Band, abgesehen davon, dass es an einer zweisprachigen Ausgabe der Julianfragmente in französischer Sprache bislang gefehlt haben soll und die nun vorliegende eine Lücke füllt, auch dass sie, mit einem hübschen outfit ausgestattet und sorgfältig gedruckt, ihren Inhalt überaus leserfreundlich darbietet? Es ist, trotz allem, was noch zu sagen ist, nicht wenig:
Nach einer relativ ausführlichen Einführung in Leben und Denken Julians (7[9]–44), welche dessen Position, wie es sich gebührt, starkmacht, ohne sie (und ihn selbst) – à la Voltaire samt Nachbetern bis heute (vgl. R. Braun/J. Richter [Hrsg.], L’Empereur Julien. I: De l’histoire à la légende (331–1715): II. De la légende au mythe [de Voltaire à nos jours], Paris: Les Belles Lettres, 1978. 1981) – zum My­thos zu stilisieren, werden anschließend die griechischen Texte, nach Masaracchia, dargeboten, einwandfrei (soweit ich das beurteilen kann) übersetzt und auf das Knappste kommentiert; und zwar folgen G./M. ihrem italienischen Vorbild auch darin, dass sie sich nicht darauf beschränken, was in den vollständig erhaltenen ersten zehn Büchern von Kyrills Erwiderung selbst an Juliangut geboten wird (45–211). Es folgen ein »Nachtrag« (213–219) mit kurzen Texten (samt Übersetzungen), die als Echo auf die Christentumskritik Julians zu verstehen sind, aber sich nicht mit Sicherheit dem Werk Contra Galilaeos zuordnen lassen, ein »Anhang I« (221) mit einer Tabelle, die ein (eher in die Irre führendes) Bild von den überlieferungsbedingten Differenzen zwischen den Textrekonstruktionen von Masaracchia einerseits, Riedweg-Kinzig-Brüggemann andererseits liefert (s. u.), ein »Anhang II« mit einer nützlichen Synopse der Paginationen bei Masaracchia, Aubert 1638 und Migne (222–225), schließlich eine (besonders was die moderne Literatur betrifft, schwerlich repräsentative – auch Riedwegs und Kinzigs bedeutende Forschungsbeiträge übergehende) Bibliographie (227–232) sowie ein Verzeichnis antiker Namen (233–238) und ein Stellenregister (239–245).
Mit dem allen entspricht das Bändchen dem Charakter der Reihe, in der es erschien, indem es, mit Einschränkungen, den Forschungsstand wiedergibt, ihn aber an keinem Punkt verändert.
An Einzelkritik sei lediglich noch hinzugefügt: 1) Es ließe sich leicht zeigen, dass die Behauptung kaum aufrechtzuerhalten ist, ein Vergleich zwischen den Ausgaben von Masaracchia einerseits, der »neuen kritischen Ausgabe von Kyrills Contra Iulianum« andererseits lasse »in der Auswahl der Varianten und der Konjekturen im Ganzen wenig bedeutsame Differenzen« erkennen, die »auf den Sinn der Julianfragmente« irgendeinen »bemerkenswerten Einfluss« hätten (39); der zur Begründung angeführte Verweis auf die Tabelle in »Annexe 1« (s. o.) führt, wie gesagt, regelrecht in die Irre und wird schon durch die in den Fußnoten festgehaltenen Beobachtungen des Autorengespanns, die sich noch beliebig vermehren ließen, widerlegt. 2) Es war sicher keine gute Idee, sich im Allgemeinen (couragierte Ausnahme etwa fr. 66, S. 156) dem Verfahren Frau Masaracchias anzuschließen, welche die Juliantexte in zwei Formaten darbietet: in Normalgröße all das, was als Wortlaut Ju-lians, en petit aber, was als »Paraphrase Julians durch Kyrill oder einen anderen Autor« anzusehen ist (39 f.). Weil nun die vollständig überlieferten ersten zehn Bücher in einer »großen« kritischen Ausgabe und die ersten fünf in einer »kleinen« vorliegen, lässt sich relativ mühelos nachvollziehen, wem die wahre Autorschaft an den Paraphrasen zukommt und was diese zur Juliankenntnis beitragen: nahezu nichts! In aller Regel nämlich blicken die fraglichen Passagen in CI 1–10, durchsetzt mit Kritik Kyrills, zurück auf bereits bekannte und im Wortlaut zitierte Äußerungen Julians und fassen sie zusammen oder leiten über zu dem, was Kyrill unmittelbar danach im Wortlaut zitieren wird, haben also in einer Juliandokumentation, für mein Verständnis, kaum etwas zu suchen. Dass G./M. den Charakter der sogenannten »Julianparaphrasen durch Kyrill« verkannten und sich durch die hochverdiente Julian-editorin E. Masaracchia aufs Glatteis führen ließen (und darauf gelegentlich ausglitten), sei durch ein einziges Beispiel belegt: zu fr. 45 Mas. (= 120 f.) rätseln sie, was im Vor- und im Nachspann zum Julianzitat, von Julian selbst, mit den »Falschprophetien« ( ψευδομαντεῖαι) gemeint sein könne; dabei handelt es sich, wie sich sogleich im ersten Satz von Kyrills Erwiderung bestätigt, um eine Kategorie Kyrills, nicht Julians. Zudem hätte sich (mittels TLG) feststellen lassen, dass der fragliche Begriff bei Julian nie vorkommt und in der griechischen Literatur vor Kyrill – sicher – nur einmal (wenn auch in ganz anderem Sinn), bei diesem selbst aber en masse. 3) Auch die Darbietung der Julianzitate (im Normaldruck) erweist bei näherem Zusehen, dass sich G./M. mit beiden kritischen Kyrill-editiones, auch und vor allem der »großen«, kaum besonders intensiv auseinandergesetzt haben; doch ist das ein zu »weites Feld« (Th. Fontane), als dass es jetzt noch, innerhalb des zur Verfügung stehenden, begrenzten Raumes, beackert werden könnte. Aber: Selbst ist der Leser oder die Leserin. Nimm, lies, vergleiche. Tolle, lege.