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Ausgabe:

Dezember/2018

Spalte:

1262–1264

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Lee, Keung-Jae

Titel/Untertitel:

Symbole für Herrschaft und Königtum in den Erzählungen von Saul und David.

Verlag:

Stuttgart: Verlag W. Kohlhammer 2016. 302 S. m. 18 Abb. u. 2 Tab. = Beiträge zur Wissenschaft vom Alten und Neuen Testament, 210. Kart. EUR 95,00. ISBN 978-3-17-031918-9.

Rezensent:

Thomas Naumann

Dass Herrschaft und Königtum Symbole und Repräsentationen von Status und Macht benötigen, kann als Universalie gelten. Im Alten Orient und im antiken Israel war das nicht anders. Die vorliegende Studie, eine bei Siegfried Kreuzer in Wuppertal 2014 abgeschlossene und für den Druck überarbeitete Dissertation, bearbeitet dieses Thema für die Erzählungen von Saul und David in den Samuelbüchern, die hier reiches Anschauungsmaterial bieten.
Um es vorweg zu sagen: Keung-Jae Lee, der mittlerweile als Dozent für Altes Testament an der Universität Mokwon in Dae-jeon und in Masan/Chang-won (Südkorea) lehrt, hat ein Werk vorgelegt, das breite Gelehrsamkeit, eine gute Kenntnis der Umweltkulturen mit einem wohlabgewogenen Urteil in den Einzelfragen verbindet. Es schließt eine Forschungslücke und kann künftig als Standardwerk den »Symbols of Law« von Ake Viberg (CB.OTS 34, Stockholm 1992) und dem archäologisch gelagerten Werk von Rüdiger Schmitt, Bildhafte Herrschaftsrepräsentation im eisenzeitlichen Israel (AOAT 283, Münster 2001), an die Seite gestellt werden.
In zwei vorbereitenden Kapiteln wird u. a. der Symbolbegriff bestimmt sowie in die Literaturgeschichte der beiden Samuelbücher und in die Königsideologien Judas und der Umweltkulturen eingeführt. Sodann werden in elf Kapiteln die folgenden Symbole für Herrschaft und Königtum daraufhin untersucht, ob ihr Symbolcharakter auch in den Samuelbüchern wahrscheinlich gemacht werden kann. Allerdings wird diese Auswahl nicht begründet und man fragt sich, warum etwa der Königsthron oder das Sitzen des Königs im Stadttor (2Sam 15) nicht bearbeitet wird. Im Einzelnen werden behandelt: 1. Der Königsvertrag (2Sam 2,4–7; 5,3, als gegenseitiger Vertrag mit entsprechenden Rechten und Pflichten, keine Selbstverpflichtung des Königs); 2. Die Königssalbung (Sauls, Davids, Abschaloms, Salomos und Joaschs); 3. Diadem und Krone als Abzeichen der königlichen Würde (Sauls Diadem und Armspange in 2Sam 1,10; die Königskrone der Ammoniter in 2Sam 12,30); 4. Waffen des Königs (Sauls Speer als Symbol seiner Königsmacht; Bogen und Schild; Jonatans Waffenübergabe an David in 1Sam 18,1–3); 5. Das Königsgewand (Jonatans Kleid in 1Sam 18,1–3; David schneidet Sauls Gewandsaum in der Höhle von En Gedi ab); 6. Heiliges Brot als Herrscherprivileg (Davids Flucht zu den Priestern von Nob in 1Sam 21,2–10); 7. Bäume als Symbole für königliche Macht (bei dem baumlangen König Saul, der unter der Terebinthe in Gibea 1Sam 22,6 residiert); 8. Der Herrscher als Hirte (David als Hirte in 1Sam 16 f.; 2Sam 5,2; 7,7 f.); 9. Der Herrscher als Pflüger (Saul in 1Sam 11,5a); 10. Der Harem des Königs (Haupt- und Nebenfrauen Sauls und Davids; die öffentliche Bemächtigung der Nebenfrauen durch Abschalom [2Sam 16]; der Status von Abischag); 11. Tiere als Symbole für die königliche Herrschaft (Esel, Maultier als königliches Reittier, Pferd; Sauls Suche nach den Eselinnen seines Vater).
Die Kapitel sind jeweils ähnlich strukturiert: Zunächst wird der Sachverhalt recht ausführlich und differenziert in altorienta-lischen Umweltkulturen erörtert, danach werden die biblischen Textbefunde in den Blick genommen. Die vergleichende Perspektive macht dem Vf. sichtlich Freude und gibt ihm die Möglichkeit, seine besonderen Interessen und Fähigkeiten zu zeigen. Die Anlage der Kapitel hat aber auch etwas Schematisches, Lexikonartiges, was die Nutzung als Nachschlagewerk zwar verbessert, nicht aber eine durchgehende Lektüre. Dabei wägt der Vf. sorgfältig ab, welche aus dem Alten Orient bekannten Herrschaftssymbole in den Samuelbüchern tatsächlich auch als solche verwendet werden. Die Aufstellung zeigt, dass der Vf. den Kreis möglicher Herrschaftssymbole recht weit fasst. Seine kritische Prüfung führt dann aber dazu, dass die Bäume in der Saulerzählung nicht als Herrschafts symbole aufzufassen sind. In anderen, mir eher zweifelhaften Fällen votiert der Vf. dagegen für Herrschersymbolik: ob bei den Opferbroten von Nob, dem pflügenden Saul oder der Hirtensymbolik im nagîd-Titel. Differenziert und überzeugend argumentiert der Vf. auch im Blick auf den königlichen Harem. Dass die königlichen Frauen Symbole und Zeichen königlicher Herrschaft darstellen, ist auch in den Samuelbüchern breit bezeugt. Allerdings hat es, wie der Vf. gut herausarbeitet, weder in den Umweltkulturen noch im antiken Israel die Vorstellung gegeben, dass der königliche Nachfolger den Harem seines Vorgängers als symbolisches Kapital der Herrschaft zu übernehmen habe (239–242), auch wenn manche biblischen Aussagen dies nahelegen könnten (2Sam 12,8). Abschaloms öffentliche Vergewaltigung der Nebenfrauen Davids ist keine königliche »Inbesitznahme« des Harems beim Regierungsantritt, sondern dient der irreversiblen Beschämung und Beschädigung des königlichen Gegners. Die Unantastbarkeit Abischags von Schunem für den Prinzen Adonja, die ihm den Kopf kostet, gründet dem Vf. nach nicht in ihrer Rolle als Haremsfrau des verstorbenen David, sondern darin, dass sie als »Dienerin und Verwalterin« nach Davids Tod zum Eigentum und Herrschaftsbereich des neuen Königs Salomo gehört.
Interessant sind auch die Ausführungen zum königlichen Reittier, das in den Samuelbüchern nicht der Esel ist, der in Sach 9,8 als Reittier des künftigen Heilskönigs begegnet, sondern das Maultier, eine kostbare Kreuzung aus Pferd und Esel, welche die Kraft des Pferdes mit der Genügsamkeit und Anpassungsfähigkeit des Esels verbindet. Erst die Streitwagenkultur im Rahmen der Ausbildung des Heerwesens haben die Haltung von Wagenpferden in Nordisrael notwendig gemacht.
Die Argumentation ist stets differenziert und ausgewogen, auch in den wenigen Fällen, in denen man den Entscheidungen des Vf.s nicht zu folgen bereit ist. Gelegentlich hätte ich mir allerdings gewünscht, dass der Vf. die Herrschaftssymbole nicht nur realienkundlich abhandelt, sondern stärker in die Erzählstrategien der Saul-David-Erzählungen einzeichnet.
Ein Beispiel dafür sind Diadem und Krone als Herrschaftssymbol: Der vom Schlachtfeld kommende Amalekiter überbringt David das Diadem und die Armspange des gefallenen Königs Saul (2Sam 1). David hätte die Chance gehabt, diese Königsinsignien Sauls dazu zu nutzen, um sich als Nachfolger Sauls zu präsentieren. Er tut dies aber nicht, sondern bezichtigt den Amalekiter, »Hand an den Gesalbten Gottes gelegt« zu haben, und lässt ihn töten. Von Sauls Königsinsignien ist dann keine Rede mehr. Sie werden zum toten Motiv. In der Erzählung wird dieses Detail eingesetzt, um zu zeigen, dass David das Königtum Sauls auch über dessen Tod hinaus als gottgegeben achtet und nicht beabsichtigte, dasselbe an sich zu bringen. Er tut dies später durch einen Vertrag mit den Nordstämmen. Anders verhält es sich mit der Krone des ammonitischen Königs, die David nach der Eroberung Rabba Am­mons diesem vom Kopf nimmt und sich selbst aufsetzt (2Sam 12,30), obwohl wir von einer eigenen Krone Davids sonst nichts erfahren. Hier übernimmt er das Herrschaftssymbol und dokumentiert, dass er der neue König auch von Rabba Ammon ist. Auch hier ist die Erzählstrategie ganz klar. Ein ähnlicher Vorgang wird also jeweils einer ganz unterschiedlichen Erzählstrategie dienstbar gemacht.
In seinem letzten Kapitel versucht der Vf. dann einen Vergleich zwischen den Herrschaftssymbolen in Ägypten, Mesopotamien und den Erzählungen von Saul und David und notiert trotz vergleichbarer Symbolisierungen bemerkenswerte Unterschiede. Während in den Umweltkulturen königliche Herrschaftssymbole stets zur Akklamation des Herrschers eingesetzt werden, werden sie in den Samuelbüchern auch »als Mittel zum Missbrauch der königlichen Macht« (256) eingesetzt (Sauls Speer; das königlich exklusive Recht auf die Opferbrote; Abschaloms Streitwagen u. a.). Der Vf. räumt ein, dass dies mit der unterschiedlichen Art der Quellen zusammenhängen mag. In den Samuelbüchern geht es um die Legitimierung Davids und die Delegitimierung seiner königlichen Kontrahenten. Auch die altorientalisch verbreitete Hirtensymbolik für den König wird zwar einerseits übernommen (2Sam 5,2), andererseits aber auch zurückhaltend gebraucht. Allerdings wird man der (alten) These, dass der Hirtentitel für die judäischen Könige vermieden wird, weil Jhwh als der eigentliche Hirte Israels gedacht wird (256), angesichts von Texten wie Jer 23,1–4; Ez 34; Mi 5,3 u. a. kaum zustimmen, auch wenn wir keinen sicheren biblischen Beleg dafür haben, dass ein amtierender judäischer König den Titel »Hirte« führte. Eventuell hätte der Vf. stärker zwischen Titulatur und Metapher unterscheiden müssen.
Ein weiteres Manko liegt in der mangelnden literaturgeschichtlichen Einordnung der Texte. Zwar handelt der Vf. unter 2.1 auf 25 Seiten die Forschung zur Literaturgeschichte der Samuelbücher exemplarisch ab, aber diese spielt dann bei der Erhebung der biblischen Befunde zur Herrschaftssymbolik keine Rolle mehr. Dies führt dazu, dass vom literarischen Befund m. E. zu schnell in die Historie gesprungen wird, anstatt auf der Ebene der literarischen Repräsentation von Herrschaft zu bleiben.
Formal und insbesondere sprachlich ist die Arbeit indes sehr sorgfältig gearbeitet, was bei einem nichtmuttersprachlichen Autor besonders herausgehoben zu werden verdient. Hier sind nur wenige Fehler stehen geblieben. Allerdings führt der sehr sparsame Gebrauch der Worttrennung am Zeilenende oft zu unnötig großen Abständen zwischen den Worten auf der Zeile. Insgesamt ist dem Vf. für sein informatives und die Forschung bereicherndes Werk sehr zu danken.