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Ausgabe:

Dezember/2018

Spalte:

1258–1260

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Ammann, Sonja

Titel/Untertitel:

Götter für die Toren. Die Verbindung von Götterpolemik und Weisheit im Alten Testament.

Verlag:

Berlin u. a.: De Gruyter 2015. IX, 332 S. m. 1. Abb. u. 2 Tab. = Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft, 466. Geb. EUR 99,95. ISBN 978-3-11-036410-1.

Rezensent:

Sven Petry

»Götter für die Toren« ist die für den Druck leicht überarbeitete Fassung der Dissertation von Sonja Ammann, seit 2017 Professorin für Altes Testament an der Theologischen Fakultät der Universität Basel. Die von Reinhard G. Kratz betreute Arbeit wurde im Wintersemester 2013/2014 von der Theologischen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen angenommen.
A. geht von der in G. von Rads »Weisheit in Israel« notierten, bislang nicht eingehend erklärten Beobachtung aus, dass zwischen der alttestamentlichen Götterpolemik und der Weisheitsliteratur unübersehbare Affinitäten bestehen. Sie betrachtet beide Komplexe jeweils als »Diskurs« und sucht ihre Beziehungen zueinander als »Diskursverschränkung« zu erklären. »Ziel der Arbeit ist es, die Entwicklung der Verbindung von Götterpolemik und Weisheit zu rekonstruieren und aufzuzeigen, welche Effekte sich aus dieser Verbindung ergeben« (2).
Der Weg zum Ziel beginnt mit Ausführungen zum Begriff des Diskurses, den A. im Anschluss an Arbeiten von R. Keller und S. Jäger als »einen strukturierten Zusammenhang von Aussagen, durch den gesellschaftliches Wissen (re)produziert wird«, definiert (3). Da die Diskursanalyse die Zusammenschau von Texten erfordere, sei sie keine Methode der Textanalyse, sondern setze die Analyse der am Diskurs beteiligten Einzeltexte voraus. In ihrer Fragestellung sei sie der Traditionsgeschichte nahe. A. umreißt knapp den weisheitlichen (Kapitel 1.2) und den götterpolemischen Diskurs (Kapitel 1.3) im Alten Testament und schließt Kapitel 1 mit Ausführungen zu »Fragestellung und Aufbau« (Kapitel 1.4) ab. Im Hauptteil ihrer Arbeit widmet sie den Analysen der Textkomplexe »Deuterojesaja«, »Jeremia 10 und verwandte Texte« und »Sapientia Salomonis« jeweils ein eigenes Kapitel. Kapitel 5 stellt die Entwicklung der Verbindung von Weisheit und Götterpolemik dar, Kapitel 6 bietet eine Zusammenfassung der Arbeit in englischer Sprache.
Die Textanalysen beginnen in Kapitel 2 mit Jes 40,12–31. A. bietet zu den von ihr untersuchten Texten jeweils eine eigene Übersetzung samt Textkritik, gefolgt von einem inhaltlichen Durchgang und Diskussionen der götterpolemischen sowie der weisheitlichen Elemente. Demnach entstanden die ältesten götterpolemischen Texte in DtJes in Anlehnung an die Grundschicht des Buches. Unter Grundschicht versteht A. die älteste greifbare schriftliche Gestalt des Werkes, der sie Jes 41,*21–29 zurechnet, wo zwar andere Götter, nicht jedoch explizit ihre Bilder Thema seien. Während die ältesten götterpolemischen Fortschreibungen noch keine Bezüge zur Weisheit aufwiesen, werde die Polemik gegen die Götterbilder in den jüngeren Fortschreibungen durch deren Einordnung in den weisheitlichen Diskurs verstärkt. Dabei bilde die Rede von Jhwh als Schöpfer die Schnittstelle zwischen Götterpolemik und Weisheit.
In Kapitel 3 werden Jeremia 10 (MT und LXX) und verwandte Texte, namentlich Ps 135 (mit seinen Beziehungen zu Jer 10 und Ps 115) und der Brief des Jeremia analysiert. In Jer 10,1–16 identifiziert A. eine Grundschicht in den V. 12–16, drei Ergänzungsschichten (V. 2–3a; 3b–5; 10) sowie Glossierungen. Die Verbindung von götterpolemischem und weisheitlichem Diskurs finde sich schon in der Grundschicht. Im ältesten Kern sei die Polemik auf judäische Bilderverehrung bezogen, erst später werde sie nach außen gewendet. EpJer verbinde die aus DtJes und Jer 10 bekannte Polemik über die Herstellung der Götterbilder mit der Polemik aus Daniel sowie aus Bel und der Drache. Die in EpJer 16–21 beschriebenen Verhältnisse seien für babylonische Tempel denkbar, aber nicht spezifisch babylonisch, für EpJer 52–56a seien nicht babylonische Verhältnisse, sondern alttestamentliche Traditionen ausschlaggebend, EpJer 40–44 seien zumindest indirekt von Herodot inspiriert. Weder der Verfasser noch die Adressaten des Briefes müssten sich in Babylonien befinden.
Mit Kapitel 4 wendet sich die Analyse schließlich Sap 12,23–15,19 zu. Ausgehend von einer Grundschicht sei der Text durch Fortschreibung um fünf Ergänzungsschichten angewachsen. Im Laufe der Fortschreibungen werde die Polemik gegen die Bilderverehrer immer aggressiver. Insgesamt knüpfe der Abschnitt an ältere alttes-tamentliche Götterpolemik an und verbinde diese mit »Terminologie und Gedankengut hellenistischer Philosophie« (247). Dabei werden in der Darstellung die Götter-(Bilder-)Verehrer dem weisheitlichen Toren nachgebildet. Historischer Hintergrund seien die Verhältnisse in Alexandria unter römischer Herrschaft.
Das abschließende Kapitel 5 bietet einen Überblick über die Verschränkung von götterpolemischem und weisheitlichem Diskurs. Während die älteste Götterpolemik in DtJes keine Bezüge zur Weisheit aufweise und die Fortschreibungen noch eher auf die Nutzlosigkeit der Bilder als auf die Torheit ihrer Verehrer zielten, seien die vermutlich in der späten Perserzeit entstandene Grundschicht von Jer 10 und die etwa zeitgleichen späteren Fortschreibungen in DtJes bereits deutlich weisheitlich geprägt. Spätestens die Fortschreibungen zu J er 10 bzw. die an Jer 10 angelehnten Texte aus hellenistischer Zeit speisten hellenistisch-philosophische Diskurse in den götterpolemisch-weisheitlichen Diskurs ein. SapSal setze sich schließlich in rö­mischer Zeit mit hellenistischer Religionsphilosophie auseinander.
Der im Laufe der Zeit mit dem weisheitlichen Diskurs verschränkte götterpolemische Diskurs unterscheide sich von Anfang an von dtn/dtr Diskursen dahingehend, dass weder das Fremdgötter- noch das Bilderverbot eine Rolle spiele. Entscheidend für die Entwicklung des Diskurses sei vielmehr die Verbindung von Götterpolemik und Schöpfungstheologie: »Während in älteren götterpolemischen Texten Gottes Schöpfertätigkeit als Machterweis fungiert, der die Adressaten im Vertrauen auf den mächtigsten Gott bestärken soll, wird in jüngeren Texten also das Schöpfungshandeln zum Kriterium, wem überhaupt Anerkennung und Verehrung als Gott zusteht.« (280) Schließlich werde Götterverehrung zum Erkenntnismangel: Wer die Welt mit offenen Augen sieht, muss eigentlich einsehen, dass die Bildgötter nutzlos sind. Bilderverehrung wird zu erwiesener Torheit. »Die weisheitlich geprägte Götterpolemik sichert so letztlich die Stellung der jüdischen Weisheit als der einzig vernünftigen Deutung der Wirklichkeit« (295).
A.s Arbeit zeichnet sich durch eine klare Struktur, präzise Formulierungen, detaillierte Analysen und nachvollziehbare Argumente aus. Wie immer, wenn redaktionskritisch gearbeitet wird, kann der Leser die Genese der Texte im Detail anders beurteilen, was dem Wert der hier präsentierten Beobachtungen am Text freilich keinen Abbruch tut. Wer zu anderen Schlüssen kommen möchte, wird sich mit diesen Beobachtungen und A.s Argumenten auseinandersetzen müssen. Die Ursprünge der Verschränkung von Götterpolemik und Weisheit sowie die weitere Entwicklung dieses Diskurses sind überzeugend dargestellt. Wertvolle neue Erkenntnisse ergeben sich nicht zuletzt aus der klaren und einleuchtenden Differenzierung zwischen verschiedenen götterbilderpolemischen Diskursen des Alten Testaments, die oft behandelt wurden, als bildeten sie eine Einheit. Wer an Götter-(Bilder-)Polemik in der Bibel Interesse hat, wird »Götter für die Toren« mit großem Gewinn lesen.