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Ausgabe:

November/2018

Spalte:

1170–1172

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Bihl, Benjamin

Titel/Untertitel:

Die Kirche als Abbild der Dreifaltigkeit. Untersuchung der trinitarischen Ekklesiologie aus katholischer Perspektive.

Verlag:

Sankt Ottilien: EOS-Verlag 2015. XXII, 247 S. = Münchener Theologische Studien, II. Systematische Abteilung, 77. Geb. EUR 39,95. ISBN 978-3-8306-7738-3.

Rezensent:

Matthias Haudel

In seiner Untersuchung, welche die Katholisch-Theologische Fakultät der Universität München als Dissertation annahm, setzt sich Benjamin Bihl mit der trinitarischen Ekklesiologie auseinander, die im 20. Jh. in allen großen konfessionellen Strömungen neu zur Geltung gebracht wurde. Für die römisch-katholische Tra-dition gingen diesbezüglich besonders vom trinitarischen und ekklesiologischen Ansatz des Zweiten Vatikanischen Konzils weit-reichende Impulse aus, die sich in der sogenannten Communio-Ekklesiologie niederschlagen. B. stellt die Berechtigung dieses An­satzes jedoch in Frage, was er an biblischen und patristischen Quellen sowie an Texten des Konzils – und speziell an der Communio-Theologie Walter Kaspers – zu erweisen versucht.
Zunächst stellt B. maßgebliche trinitätstheologische Entwürfe mit entsprechender Ekklesiologie vom 20. Jahrhundert bis zur Gegenwart vor (2. Kapitel). Dabei ist positiv zu werten, dass er sich nicht auf die katholische Tradition beschränkt, sondern auch orthodoxe und protestantische Entwürfe einbezieht. Für die katholische Theologie spannt er den Bogen von Yves Congar und Henri de Lubac über Otto Semmelroth, Bruno Forte, Walter Kasper, Gisbert Greshake, Bernd-Jochen Hilberath oder Bernhard Nitsche bis Leonardo Boff, wobei die detaillierte Auseinandersetzung mit Kasper später folgt. Im Blick auf die orthodoxe Theologie benennt B. die Ansätze von Vladimir Lossky, Nikos A. Nissiotis, Stylianos Harkianakis, Grigorios Larentzakis und Ioannis D. Zizioulas. Hinsichtlich der protestantischen Theologie verweist B. auf die Entwürfe von Karl Barth, Jürgen Moltmann, Miroslav Volf und Matthias Haudel, dessen Entwurf (Haudel: Die Selbsterschließung des dreieinigen Gottes. Grundlage eines ökumenischen Offenbarungs-, Gottes- und Kirchenverständnisses, Göttingen 2006) er besonders in seine systematische Auswertung einbezieht (5. Kapitel). Allerdings erweist sich die Darstellung des Entwurfs – wie bei manchen anderen Entwürfen – nicht immer als zutreffend, was durch eine ge­nauere Auseinandersetzung mit den Ansätzen wohl verhindert worden wäre.
Sehr detailliert und differenziert erörtert B. die Communio-Theologie Walter Kaspers (2. Kapitel, 2. Teil). Die Kritik an dessen Entwurf greift unter anderem auf die These zurück, der »communio«-Begriff sei maßgeblich durch die Absetzung des christlichen Gemeinschaftsbegriffs sowohl vom kommunistischen Kollektivismus als auch vom entgegengesetzten Individualismus in den Vordergrund getreten (vgl. 21). Als grundlegende Problematik wird dann postuliert, die ekklesiologische Terminologie für die Gemeinschaft der Glaubenden werde auf die Gotteslehre übertragen, um von da aus die trinitarische Ekklesiologie zu begründen, was einen Zirkelschluss bedeute (vgl. z. B. 58.229 ff.). Denn aus dem biblischen Zeugnis seien die trinitarische und die entsprechende ekklesiologische Communio in ihrer Analogie letztlich nicht abzuleiten. Diese Schlussfolgerung steht allerdings auf einer sehr schmalen und fragwürdigen Basis. Zwar kündigt B. in der Einleitung an: »Schlussendlich muss die Heilige Schrift direkt betrachtet werden.« (2) Doch er setzt sich dann in der Untersuchung detailliert nur mit der Auslegung von Joh 17 auseinander, wobei die christologische und die trinitarische Dimension gegeneinander ausgespielt werden (5. Ka­pitel). B.s rein christologisches Verständnis von Joh 17,21 f., nach dem es nicht um die Analogie innertrinitarischer und ekklesiologischer Gemeinschaft geht, sondern lediglich um die Einheit des irdischen Jesus mit dem Vater, durch welche den Glaubenden die Gemeinschaft mit dem Vater ermöglicht werde, entspricht nicht der Logik der Verse. Diese christologische Sicht würde nämlich auf die Art und Weise der Partizipation des einzelnen Glaubenden an Gottes Gemeinschaft zielen. Doch Joh 17,22 (»damit sie eins seien, wie wir eins sind«) bezieht sich auf das Verhältnis der Glaubenden untereinander, das mit dem trinitarischen Verhältnis zwischen Vater und Sohn in Verbindung gebracht wird. Eine genauere Analyse des johanneischen Kontextes, in dem Jesus nicht nur als irdischer Jesus mit dem Vater im Dialog steht (z. B. der Verweis auf die Einheit mit dem Vater), und des paulinischen Schrifttums, das sehr konkrete Hinweise auf den Zusammenhang zwischen dem trinitarischen Wesen und Handeln Gottes und der davon bestimmten ekklesiologischen Gemeinschaftsstruktur gibt, wäre wünschenswert gewesen. Entsprechende biblische Passagen finden zwar partielle und knappe Erwähnung, aber zumeist auch in christozentrischer Engführung. Außerdem sieht B. bei Kasper aufgrund des relationalen Personbegriffs tendenziell die Gefahr des Tritheismus, die durch den modernen Personbegriff (subjektives Selbstbewusstsein) bestehe. Dabei erschließt sich B. im Rahmen seiner Beschäftigung mit Basilius von Caesarea jedoch nicht vollständig, dass ein modernes Personverständnis, das sich vom antiken egalitären Verständnis der Person als Maske unterscheidet, auf der Basis von Tertullian und Athanasius gerade durch die Hypostasen-Definition von Basilius möglich wurde, der trinitätstheologisch die personalen Eigentümlichkeiten mit dem Personverständnis verband, und zwar in einer Weise, durch die analog auch die anthropologische individuelle Personalität in ihrer jeweiligen Verantwortung vor Gott vom Personbegriff her transparenter wurde. Von daher sind trinitarisches und modernes Personverständnis durchaus kompatibel.
Insgesamt lässt B.s Auslegung des trinitätstheologischen und ekklesiologischen Zeugnisses der Kirchenväter (4. Kapitel) seine christozentrisch fundierte Orientierung an der Einheit Gottes erkennen, die noch einem radikalen Filioque-Verständnis verpflichtet ist (Vater und Sohn als ein Prinzip des Geistes – vgl. 115. 242) und ein mehr an der Einheit orientiertes Kirchenverständnis nach sich zieht. Diese Ausrichtung sieht B. etwa durch die drei Kappadozier und deren Begründung der Einheit in der Monarchie des Vaters bestätigt, was der Communio-Vorstellung von pluraler Gegenseitigkeit als Grundlage der Einheit in Vielfalt widerspreche. B. berücksichtigt aber nicht, dass Basilius durchaus von den drei »Monachos« sprechen konnte. So lehnt B. unter Rückgriff auf Augus-tin die soziale Analogie (Vater, Mutter, Kind) der östlichen Kirchenväter für die Trinität ab und reduziert das Trinitätsverständnis auf Augustins psychologische Analogie, die in den geistigen Prozessen einer Person besteht (vgl. 198 f.). Diese Reduktion auf die intrapersonale Dimension wird aber weder dem patristischen Gesamtbild noch der biblischen Vorgabe gerecht, nach der in Gott die Gleichzeitigkeit von intra- und interpersonaler Dimension be­steht: der eine Gott im gegenseitigen Verhältnis von Vater, Sohn und Heiligem Geist (Dreieinigkeit). Nur so erschließt sich das Verständnis von 1Joh 4,8.16: »Gott ist Liebe«. In seiner Orientierung an der intrapersonalen Einheit Gottes bestreitet B., dass es in der Patris-tik eine Unterscheidung von Konstitutions- und Beziehungsebene gibt. Doch die Differenzierung zwischen Ursprungs- und ewigen Existenzbeziehungen ist bei Athanasius ebenso offensichtlich wie bei den drei Kappadoziern. Auch B.s Annahme, dass die Kappadozier »nicht als Zeugen für eine communiale trinitarische Ekklesiologie angeführt werden können« (187), entspricht nicht unbedingt der Ansicht Gregors von Nyssa, für den das trinitarische Wesen Gottes durchaus als Typos der Kirche erscheint, wenn er diesbezüglich betont, dass sich alle, die sich von der vollkommenen Dreieinigkeit Gottes entfernen, von der Erlösung und Gemeinschaft Gottes trennen.
Seiner Auslegung der Kirchenväter gemäß vollzieht sich B.s Interpretation des Zweiten Vatikanischen Konzils (3. Kapitel), dessen trinitätstheologische und ekklesiologische Ansätze er ebenfalls in rein christozentrischer Perspektive für die ekklesiologische Einheit (in Vielfalt) deutet. Der radikalen Filioque-Tradition entsprechend gilt der Heilige Geist trinitarisch und ekklesiologisch primär als Einheitsband, auch wenn er als Geber vielfältiger Gaben gewürdigt wird. Einzelne Passagen der Konzilstexte, die auf eine trinitarische Ekklesiologie hinweisen, lehnt B. als Beleg ab, »da es ihnen an systematischem Gehalt mangelt« (138). Das betrifft etwa die folgende Formulierung in »Gaudium et spes«, Nr. 24. Nach ihr legt Jesus in seinen Abschiedsgebeten »eine gewisse Ähnlichkeit nahe zwischen der Einheit der göttlichen Personen und der Einheit der Kinder Gottes« (GS 24). Trotz B.s zum Teil intensiver Auseinandersetzung mit einzelnen Konzilspassagen deutet sich hier ein selektiver Umgang mit den Texten an. In Anlehnung an Joseph Ratzinger hebt B. die Leib-Christi-Metapher hervor, um die römisch-katholische Kirche als das konkrete Subjekt der Kirche Christi herauszustellen (vgl. 125 ff.).
Abschließend ist trotz der angeführten Kritikpunkte B.s Verdienst zu würdigen, an die christologische Dimension in ihrer soteriologischen und ekklesiologischen Relevanz zu erinnern und das in etlichen Einzelaspekten detailliert aufzuzeigen, da die trinitarische Dimension und ihre ekklesiologische Bedeutung ohne die christologische Dimension nicht zu verstehen sind. Doch Bs. Versuch, den christologischen Aspekt mit seinen ekklesiologischen Konsequenzen gegen die ekklesiologische Geltung des trinitarischen Aspekts in seiner auch gemeinschaftlichen Dimension auszuspielen und so die trinitarische und ekklesiologische Einheit in Vielfalt weitgehend nur auf die christologisch-ekklesiologische Einheit zu fokussieren, bedeutet eine Engführung der biblischen und altkirchlichen Zeugnisse sowie des Zweiten Vatikanischen Konzils und der Grundlagen der Ansätze einer trinitarischen Ekk­lesiologie. Denn nur vor dem Hintergrund der trinitarischen Wesenseinheit und der darin bestehenden Gemeinschaft von Vater, Sohn und Heiligem Geist mit ihren jeweiligen Eigentümlichkeiten wird die Relevanz der entsprechenden Beziehungen der trinitarischen Personen zur Gemeinschaft der Glaubenden für deren Struktur in ihrer ganzen Tiefe transparent – auch hinsichtlich des chris-tologischen Aspekts, mit entsprechenden ökumenischen Konsequenzen.