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Ausgabe:

November/2018

Spalte:

1141–1142

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Söding, Thomas

Titel/Untertitel:

Das Christentum als Bildungsreligion. Der Impuls des Neuen Testaments.

Verlag:

Freiburg i. Br.: Verlag Herder 2016. 304 S. Geb. EUR 24,99. ISBN 978-3-451-37503-3.

Rezensent:

Burkard Porzelt

In zehn Aufsätzen sucht Thomas Söding das Christentum angesichts neutestamentlicher Quellen als »Bildungsreligion« zu legitimieren. Diese These umreißend bezieht Kapitel 1 (12–69) ein vages Verständnis von Bildung als all das, »was eine Persönlichkeit heranwachsen lässt« (13), auf vielfältigste Aussagen des Neuen Testaments und gelangt zu – allenfalls binnentheologisch einholbaren – Postulaten zur Nachahmung Christi als »Nerv des christlichen Bildungsgedankens« (61).
Kapitel 2 (70–91) weist der biblischen Exegese die ambitionierte Aufgabe zu, eine »schriftgemäße Bildungstheorie« (77) auszuarbeiten. Ohne adäquat zwischen Didaktik (des Religionsunterrichts) und (religions)pädagogischer Bildungstheorie zu differenzieren, wird der Religionspädagogik abgefordert, »dass sie ihre zentralen Begriffe und Kategorien von der Bibel her entwickelt« (88). Aus-geblendet bleibt, um welchen Preis solch einseitige Orientierung ebenjene Balance differenter Bezugsdisziplinen sprengen würde, die eine moderne Religionspädagogik im Dienste der zeitgerechten Erhellung und Orientierung religiöser Lehr- und Lernprozesse an­strebt. Im Mittelteil des Buches (92–203) untersucht S. implizite wie explizite Aussagen zu Lehren, Lernen und Bildung, die im Neuen Testament zutage treten. Kapitel 3 (92–102) beleuchtet die Zentralität, welche alle vier Evangelien dem lehrenden Jesus zumessen, obgleich sie diese Rolle doch sehr unterschiedlich ausgestalten. Kapitel 4 (103–112) profiliert die synoptischen Gleichnisse als deutungsoffene Erzählungen vom Geheimnis der Gottesherrschaft. Kapitel 5 (113–133) sinniert über die matthäische Bergpredigt und gelangt zu weithin blassen Folgerungen wie jener, dass Religionsunterricht »auf die Lebensbedingungen heute abgestimmt werden [muss], wie Jesus sich auf die damaligen Bedingungen eingestellt hat.« (129) Unter der Fragestellung, »ob der Wahrheitsanspruch Jesu unterrichtstauglich und der Religionsunterricht theologieträchtig ist« (136), sondiert Kapitel 6 (134–178) »Orte« und »Formen« von Jesu Lehre im Johannesevangelium und befrachtet Religionslehrer und -lehrerinnen als »Zeugen und Zeuginnen des Glaubens« und den Religionsunterricht als Ort potenzieller »Begegnung mit Gott« (177) mit hochgesteckten Anforderungen. Weit nüchterner rekonstruiert Kapitel 7 (179–203) Bildungsvorstellungen in der (deutero)paulinischen Briefliteratur, welche die Glaubenserkenntnis hoch schätzt und das Lehren als unabdingbaren Dienst am Gemeindeaufbau wertet, der aber dem Leitungsamt zusehends ein- und untergeordnet wird. Von den biblischen Quellen springt Kapitel 8 (204–238) zur Herausforderung heutiger (Neu-)Evangelisierung, wobei frühchristliche Mission und heutige Glaubenskrise gegenübergestellt werden, um schließlich recht vage für ein diakonisches und dialogisches Christentum einzutreten. Dass S. hier wiederholt auf Papst Benedikt XVI. rekurriert, ohne mit Evangelii Nuntiandi (1975) und Evangelii Gaudium (2013) beide Schlüsseldokumente zum Evangelisierungsparadigma substanziell zu würdigen, spricht Bände. Bar einer klaren Fragestellung postuliert das langatmige Kapitel 9 (239–282) entgegen der vielfach erklärten Absicht, mit säkularer Pädagogik und Philosophie ins Gespräch treten zu wollen, weithin selbstreferenziell, weil bestenfalls binnentheologisch nachvollziehbar, einen Konnex von Gottesglauben und Persönlichkeitsbildung. Kapitel 10 (283–292) schließlich fokussiert die Perikope vom zwölfjährigen Jesus im Tempel (Lk 2,41–52).
Mit vorliegendem Werk umreißt S. ein theozentrisches Bildungsverständnis, das christologische Impulse des Neuen Testaments aufnimmt. Wo er dabei bei seinem exegetischen Leisten bleibt, insbesondere mit Blick auf die jesuanischen Gleichnisse (103–112) und die paulinische Schule (179–203), gelingen ihm erhellende Detailstudien. Der Großteil der Ausführungen jedoch zeugt von der exegetischen Hybris, den biblischen Schriften eine Erziehungstheorie abringen zu können, welche den Bildungsoptimismus moderner Pädagogik nicht nur vorzeichne und (mit Blick auf Grenzen des Subjekts) relativiere, sondern sogar zu konkretisieren vermag (vgl. 77.84.275).