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Ausgabe:

Oktober/2018

Spalte:

1068–1070

Kategorie:

Systematische Theologie: Ethik

Autor/Hrsg.:

O’Donovan, Oliver

Titel/Untertitel:

Entering into Rest. Ethics as Theology. Vol. 3.

Verlag:

Grand Rapids u. a.: Wm. B. Eerdmans 2017. X, 236 S. Kart. US$ 32,00. ISBN 978-0-8028-7359-0.

Rezensent:

Christine Schliesser

Mit Entering into Rest schließt Oliver O’Donovan, Mitglied der British Academy und Professor em. für Christian Ethics and Practical Theology an der Universität Edinburgh, seine Trilogie Ethics as Theology ab. Während der erste Band der Trilogie, Self, World and Time. An Induction (2013; vgl. ThLZ 139 [2014], 1061 f.), eine Reflexion über das ethische Denken bot, ging es im zweiten Band Finding and Seeking (2014; vgl. ThLZ 141 [2016], 973–976) um das ethische Denken selbst, das unter den Aspekten Selbstbewusstsein, Entscheidung und den Tugenden Glaube, Liebe, Hoffnung expliziert wurde. Im letzten Band der Trilogie verlagert sich nun der Fokus vom Prozess des ethischen Denkens hin zu dessen Objekt, das O’D. als »the forward horizon with which moral thinking engages« fasst (VII). Hatte Stanley Hauerwas O’D.s Resurrection and Moral Order. An Outline for Evangelical Ethics (1986) noch dafür kritisiert, dass es zwar viel »Moral Order«, aber nur wenig »Resurrection« enthalte, wird die eschatologische Perspektivierung seines programmatischen Entwurfs Ethics as Theology im letzten Band in insgesamt acht dichten Kapiteln explizit gemacht.
Um die von ihm kritisierte Einseitigkeit moderner ethischer Entwürfe mit ihrem teleologischen oder deontologischen Fokus zu überwinden, betont O’D. einleitend die bleibende Bedeutung sowohl von Pflichten als auch von Gütern. Die moralische Erfahrung, auf die sich das ethische Denken richtet, weise daher notwendigerweise in zwei Richtungen zugleich, zum einen auf das Bewusstwerden der eigenen Verantwortung (de officiis) und zum anderen auf die Ziele, die anzustreben seien (de finibus). Dabei grenzt sich O’D. von der klassischen Bedeutung dieser Termini ab. Seine Ausführungen de officiis werden unter Rückgriff auf die paulinische Trias Glaube, Liebe, Hoffnung tugendethisch konturiert. Auch die Reflexion de finibus erhält eine paulinische Orientierung, indem O’D. die herausragende Stellung der Liebe betont. Sie ist es, die dem Buch als Anfangs- und Zielpunkt dient. So wird im ersten Kapitel die »Sovereignty of Love« (1–23) herausgearbeitet, der im letzten Kapitel die »Endurance of Love« (200–229) an die Seite gestellt wird.
Während die Liebe gleichsam den Rahmen darstellt, wird dieser mit Hilfe verschiedener Zugänge zu einem weiteren ethischen Leitmotiv gefüllt: »Communication«. In einem Grundsatzkapitel (45–71) expliziert O’D. »Communication« aus dem Begriff »Community«. »The logic of communication is summed up in the phrase: ›what is ›mine‹ is ›ours‹.« (48) Als »sin against community« (65) wird der Stolz identifiziert und so in das sich anschließende Kapitel »Sanctification« (72–101) übergeleitet. Indem Kommunikation als Grundbegriff menschlichen Handelns und damit christlicher Ethik gefasst wird, sieht O’D. in ihr zugleich das Objekt göttlicher Heiligung. Im Folgenden entfaltet O’D. sein Kommunikationsverständnis unter den Perspektiven Arbeit, Freundschaft und Bedeutung. Dem Kapitel »The Communication of Work« (102–134) liegt ein weiter Begriff der Arbeit zugrunde, der die »variety of our working« theologisch als »service« (134), als Gottesdienst, perspektiviert, in dem der Dienst am anderen sein letztes Ziel findet. Das Gemeinschaftsmotiv von O’D.s Kommunikationsverständnis wird im Kapitel »The Communication of Friendship« (135–162) unter dem Begriff der Freundschaft weiter ausgeführt. Freundschaft ist nach O’D. »a commitment to presence through time« (152), dessen Gegenteil sich als Verrat darstelle. Wie die Arbeit ist auch die Freundschaft auf göttliche Heiligung angewiesen und hat ihren Orientierungspunkt in Christi Angebot der Freundschaft, wie es der johanneische Jesus unterbreitet. Eine dritte Ebene der Kommunikation wird im Kapitel »The Communication of Meaning« (163–199) diskutiert. O’D. plädiert darin für eine Abkehr von einem unpersönlichen Wahrheitsbegriff, denn »truth is personal – ›I am […] the truth, the life‹« (183). Die Qualität zwischenmenschlicher Wahrheitskommunikation sei daher an ihrer Beziehung zur Ge­meinschaft zu messen. Wir kommunizieren, so O’D., nicht »die« Wahrheit, sondern »in« der Wahrheit. Der Heiligungsgedanke wird im Abschlusskapitel als »Sanctification of Temporality« (214) aufgenommen, die nicht zuletzt die gesamte ethische Reflexion umfasst und eschatologisch auf die Liebe zuordnet.
Mit Entering into Rest ist O’D.s ambitioniertes Projekt abgeschlossen, eine Synthese philosophischer und theologischer Ethik zu bieten, die den spezifischen und unverzichtbaren Beitrag christlicher Ethik ebenso bedenkt wie die universale Rationalität ethischer Argumentation. Auch wenn sich der Fokus des letzten Bandes auf den Beitrag der Theologie richtet, fügt er sich organisch in das Argumentationsgefüge der ersten beiden Bände ein. Neben einer bereits die ersten beiden Bände kennzeichnenden Gedankendichte, die den Zugang bisweilen unnötig erschwert, zeigt sich auch im dritten Band die bemerkenswerte Nonchalance O’D.s im Umgang mit biblischen Referenzen. Mögliche Probleme im Blick auf Historizität oder Autorenschaft werden damit stillschweigend übergangen. Auffällig ist des Weiteren, dass es – entgegen O’D.s Ankündigung, deontologische und teleologische Aspekte ebenso in seine Reflexion aufzunehmen wie tugendethische – die tugend-ethische Ausrichtung ist, die hier klar dominiert. Überdies ist darauf hinzuweisen, dass Lesende, die den »garstigen Graben« zwischen theoretisch-ethischer Reflexion und Applikabilität im kon kreten Lebensvollzug zu überwinden suchen, auf sich alleine ge­stellt bleiben. Dennoch bleibt es das Verdienst O’D.s, mit dem Abschlussband Entering into Rest bzw. der gesamten Trilogie Ethics as Theology einen umfassenden theologisch-ethischen Entwurf vorgelegt zu haben, der sich durch hohe Originalität und innere Stringenz auszeichnet und auch die aktuellen Diskussionen um die Rolle einer theologischen Ethik in pluralistischen Gesellschaften nachhaltig befruchten dürfte.