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Ausgabe:

Oktober/2018

Spalte:

1091–1098

Kategorie:

Literatur- und Forschungsberichte

Autor/Hrsg.:

Irene Dingel

Titel/Untertitel:

Martin Bucers Deutsche Schriften – Abschluss der Edition

Im Jahre 2016 wurde mit dem Erscheinen des Registerbandes die Reihe »Martin Bucers Deutsche Schriften« und damit das von der Union der Deutschen Akademien geförderte gleichnamige Heidelberger Langzeitvorhaben erfolgreich abgeschlossen. Es liegt also heute eine aus insgesamt 24 Bänden bestehende qualitätvolle, kritische Edition vor, der darüber hinaus im Jahre 2006 als Ergänzungsband ein Faksimile-Nachdruck von Johannes Groppers Schrift »Christliche vnd Catholische gegen berichtung eyns Erwirdigen Dhomcapittels zu Co(e)llen« zur Seite gestellt wurde, um die Auseinandersetzung um die sogenannte Kölner Reformation zu dokumentieren, in der Bucer eine maßgebliche Rolle spielte (vgl. die bereits besprochenen Bände 11,1–11,3). Außerhalb der Reihe erschien 2005 zudem eine umfangreiche Bibliographie der Schriften Martin Bucers. Durch diese Grundlagenforschung, deren Anfänge in den fünfziger/sechziger Jahren des vergangenen Jh.s lagen – der erste Band von Martin Bucers deutschen Schriften erschien im Jahr 1960 – wurde das theologische, gesellschaftliche und auch politische Wirken eines Reformators erschlossen, der bis dahin neben den großen Wittenberger, Zürcher und Genfer Theologen kaum Beachtung gefunden hatte. Nicht nur trat damit Straßburg als eines der Zentren der Reformation in das Blickfeld, sondern auch die von dort ausgehende grenzüberschreitende Ausstrahlung einer von Martin Bucer typisch geprägten reformatorischen Theologie. Nicht zu Unrecht gilt er als ein europäischer Gelehrter, als Vermittler zwischen den theologischen Fronten, aber auch – wie vor allem die hier zu besprechenden letzten Bände der Edition vor Augen führen – als konsequenter Verfechter reformatorischer Positionen, der auch die dezidierte Abgrenzung von einer als falsch oder irreführend gewerteten Lehre nicht scheute.

Es ist dem unermüdlichen Einsatz des leider schon 2008 verstorbenen Heidelberger Reformationshistorikers Gottfried Seebaß zu danken, dass diese in ihrer Bedeutung unbestrittene Edition im Akademienprogramm eine stabile finanzielle Förderung erfuhr und qualitätsbewusst fortgesetzt werden konnte. Nach seinem Tod wurde sie unter der Leitung seines Nachfolgers Christoph Strohm zusammen mit einem bewährten Bearbeiterteam zu Ende geführt. Die Gewährleistung einer solchen ungebrochenen Kontinuität kann für das Gelingen eines Editionsvorhabens gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Kontinuität wurde auch gewahrt im Blick auf die anfänglich für die Herausgabe der Schriften Bucers gewählte Konzeption, die eine Trennung zwischen Korrespondenz, lateinischen (Martini Buceri Opera Latina = BOL) und deutschen Schriften (Martin Bucers Deutsche Schriften = BDS) in drei verschiedenen Reihen durchführt.

Schon Gottfried Seebaß hatte jedoch auf die Problematik dieser nicht mehr revidierbaren Grundentscheidung hingewiesen, die sich auch in den hier zu besprechenden Bänden bemerkbar macht und von Herausgeber und Bearbeitern selbst verschiedentlich angesprochen wird. Denn das für den Aufbau der einzelnen Bände ausschlaggebende Prinzip der thematisch-chronologischen Schwerpunktsetzung führte immer wieder dazu, dass sowohl wichtige Briefe als auch lateinische Texte – thematisch durchaus zu Recht – in den Editionszusammenhang der deutschen Schriften integriert werden mussten. Dies verstößt zwar gegen ursprünglich festgelegte Auswahlprinzipien; der Vorteil dieser konzeptionellen Inkonsequenz aber liegt zweifellos darin, dass auf diese Weise ein Themenkomplex in sich abgerundet editorisch erschlossen und präsentiert werden kann. Leichte Veränderungen des herkömmlichen Formats ergaben sich gegen Ende der Edition auch in der einleitenden Präsentation der einzelnen Quellenstücke. So wurde z. B. auf die für jeden Band erstellte »Chronologia Bucerana« und das Sachregister verzichtet sowie das Zitatenregister gestrafft. Der textkritische Apparat wurde entlastet, indem nicht mehr die gesamte handschriftliche Überlieferung für die Kollationierung herangezogen wurde, sondern sinnvollerweise nur jene Überlieferung, die sich als historisch aussagekräftig erwies. Auch die Einleitungen, die bisher aus vier Abschnitten bestanden – 1. Entstehung, 2. Inhalt, 3. Wirkung, 4. Überlieferung – wurden durch den Verzicht auf die Wirkungsgeschichte und die Straffung des Inhaltsreferats leicht modifiziert. Dies waren zweifellos gute Entscheidungen, die die Bearbeitungszeit der einzelnen Bände positiv beeinflussten und einen plangerechten Abschluss der Edition beförderten, ohne die editorische Qualität der gebotenen Quellen und die Informativität der Einleitungen zu beeinträchtigen.

Die hier zu besprechenden sechs letzten Bände der Edition der deutschen Schriften Martin Bucers – Bd. 13–16, 18 und 19 – sind sämtlich in den Jahren 2011, 2015 und 2016 erschienen. Der noch von Robert Stupperich herausgegebene und bereits im Jahr 1981 erschienene Band 17, der »Die letzten Straßburger Jahre 1546–1549« Martin Bucers dokumentiert, wurde 2016 unverändert nachgedruckt, um zum Abschluss des Vorhabens den chronologischen Zusammenhang komplett bieten zu können.1 Eine Rezension dieses Bandes aus der Feder von Gottfried Seebaß findet sich in ThLZ 108 [1983], Sp. 680–682, und erübrigt sich deshalb an dieser Stelle. Die hier zu betrachtenden letzten Bände der Edition lassen an den von ihnen bereitgestellten Texten nachvollziehen, in welchen Zusammenhängen und wie der im innerevangelischen Raum oft auf Verständigung setzende Straßburger Reformator als ebenso überzeugter Polemiker agieren und Grenzen ziehen konnte, wenn es – etwa gegenüber altgläubigen Positionen auf dem Konzil von Trient oder dem Regensburger Religionsgespräch von 1546 (BDS 15) oder aber gegenüber täuferischen bzw. spiritualistischen Ansinnen (BDS 14) – um die Bewahrung und Integrität der reformatorischen Lehre ging. Auch gegenüber der streng lutherischen Identitätsbehauptung eines Nikolaus von Amsdorf war Bucer nicht mehr kompromissbereit (BDS 18, Nr. II.2). Durchgehend sichtbar wird darüber hinaus Bucers unermüdlicher Einsatz in theologischer Be- ratung, kirchenordnenden Maßnahmen und Schaffung einer Kirchendisziplin (BDS 13, 16, 18). Dem tritt das zur Seite, was man heute als Politikberatung bezeichnen würde, wobei Bucers enge Verbindung zu Landgraf Philipp von Hessen, einem der beiden Häupter des Schmalkaldischen Bunds, besonders hervortritt. Die Frage der Behandlung der Täufer in der Landgrafschaft oder auch die offensive Verteidigung der Doppelehe Philipps gegenüber Heinrich von Braunschweig-Wolfenbüttel zeigen den Einsatz des Straßburger Reformators für religionspolitische Belange in Hessen (BDS 14 und BDS 16). Auch Ottheinrich von Pfalz-Neuburg suchte den Rat des Straßburger Reformators, als er nach der Kriegsnie-derlage des Schmalkaldischen Bundes kaiserliche Sanktionen erfuhr. Nicht zuletzt ist zu erwähnen, dass die in den letzten Bänden veröffentlichten Nachträge zudem wertvolle Einblicke in die Privatsphäre Bucers und die Alltagsgeschichte jener Jahre erlauben (BDS 18).

Band 13 (Unionsschriften 1542–1545)2 versammelt sieben Schriften aus Bucers späterer Schaffensperiode, aus denen hervorgeht, wie sehr er versuchte, auf die Religionspolitik des Reichs Einfluss zu nehmen und die reformatorischen Verhältnisse zu prägen. Letzteres hatte einen gewissen Erfolg mit der »Frankfurter Konkordie« von 1542 (Nr. 1), mit der es Bucer gelang, die Kontroversen in der theologisch inhomogenen Frankfurter Pfarrerschaft, insbesondere im Verständnis von Abendmahl und Christologie, beizulegen. Weniger erfolgreich war er in seinem Bestreben, die Reichsstände und nicht zuletzt den Kaiser dafür zu gewinnen, Verantwortung für die Einführung der Reformation zu übernehmen bzw. ein Nationalkonzil einzuberufen. Dies zeigt sein Austausch mit Phi-lipp von Hessen angesichts der Reichstage von Speyer 1544 und Worms 1545 (Nr. 2–5). Bucers für den Reichstag zu Worms angefertigtes und dem Landgrafen übersandtes Reformationsgutachten (Nr. 3) fiel gegenüber der von Melanchthon für den Reichstag verfassten »Wittenberger Reformation« zu undiplomatisch aus, zumal Bucer, vor dem Hintergrund seiner negativen Erfahrungen mit dem Kölner Reformationsversuch und einem wachsenden Misstrauen gegenüber der Kurie, den Gedanken entfaltete, dass man eigentlich gegen Papst Paul III. und die Altgläubigen Klage erheben, den Fürstbischöfen die weltliche Macht aus den Händen nehmen und ihnen eine umfassende Reform befehlen solle. Wie sehr die veränderten Kontexte dazu beitrugen, dass Bucer nun dezidiert theologische Grenzen zog, zeigt sich auch daran, dass er seinen Leipziger Reformationsentwurf, den er 1539 mit Georg Witzel ausgehandelt hatte und nun sechs Jahre später zum Druck brachte, mit einer Vorrede an den Leser versah (Nr. 6), der den gegenwärtigen Perspektivenwechsel erklärte. Während es damals noch darum ging, den altgläubigen Herzog Georg von Sachsen für die Reformation zu gewinnen, und daher ein Entgegenkommen z. B. in den traditionellen Zeremonien naheliegend war, sah Bucer nun die Notwendigkeit für klare Positionen, zumal er gezwungen war, sich gegen den Vorwurf einer zu großen Annäherung an altgläubige Meinungen zu verteidigen (Nr. 7).

Die in Band 14 (Schriften zu Täufertum und Spiritualismus 1531–1546)3 edierten 14 Stücke, die zum Teil früher schon einmal von Jean Rott in der Reihe »Quellen zur Geschichte der Täufer« (QFRG: QGT) publiziert wurden, aber hier zu Recht in neuer Bearbeitung zugänglich gemacht werden, dokumentieren nicht nur die theologische Auseinandersetzung Bucers mit Täufern und Spiritualisten, sondern auch den damit Hand in Hand gehenden Versuch des Straßburger Reformators, die junge reformatorische Kirche vor einer Zersetzung durch den täuferischen und spiritualistischen Dissent zu bewahren. Dazu diente die in drei Phasen im Juni und Oktober 1533 in Straßburg tagende Synode, auf der man die reformatorische Lehre definierte und in Gesprächen versuchte, auch die in Straßburg ansässigen dissentierenden Gruppen für diese Positionen zu gewinnen. Voraufgegangen war Bucers Disputation mit dem Täuferführer Pilgram Marpeck, dessen Frömmigkeit und persönliche Integrität er durchaus respektierte, während er in der eigenen, reformatorischen Kirche seine hohen ethischen Ansprüche nur wenig verwirklicht sah. Die in diesem Band gebotenen Quellen bieten Einblick in die Herausforderungen, vor die man sich durch Täufertum und Spiritualismus in Straßburg gestellt sah. Durch den parallelen Abdruck von Schrift und Gegenschrift zeichnet der Band die Kontroversen nach, die Bucer mit Marpeck und mit dem Spiritualisten Kaspar Schwenckfeld von Ossig führte. So werden z. B. das Bekenntnis Marpecks und Bucers darauf Bezug nehmende Replik im Druck einander gegenübergestellt, so auch die Schutzschrift Schwenckfelds und die Gegenantwort der Straßburger Prediger, für die Bucer verantwortlich zeichnete (Nr. 1–5). Hier gewinnt zugleich die Theologie Bucers scharfe Konturen. Dies wird auch an der Antwort des Straßburgers auf die Positionen des Münsteraner Täufers Bernhard Rothmann deutlich, die eine stringente Abhandlung zur Kindertaufe darstellt (Nr. 7). Im Zuge des Austauschs, den Bucer mit Philipp von Hessen, auch mit Graf Phi-lipp IV. von Hanau-Lichtenberg, pflegte, tritt hervor, wie sehr man sich von reformatorischer Seite bemühte, die Täufer durch Meinungsaustausch und Argumentation auf Disputationen bzw. Religionsgesprächen wiederzugewinnen und von drakonischer Strafverfolgung Abstand zu nehmen (Nr. 9–11, 14). Weitaus mehr Misstrauen hegte Bucer dagegen gegenüber Kaspar von Schwenckfeld, der in Straßburg offen für seine Position warb, die institutionalisierten Kirchenstrukturen verwarf und den Entzug vom Abendmahl favorisierte. Zwar wurde in Tübingen und im Kloster Be-benhaus im Anschluss an ein Religionsgespräch zwischen Bucer, Ambrosius Blarer, Martin Frecht einerseits und Schwenckfeld so­wie Jakob Held andererseits Ende Mai 1535 noch eine Übereinkunft erzielt (Nr. 8), aber der Straßburger Reformator ließ nicht davon ab, vor Schwenckfeld und den spiritualistischen Tendenzen insgesamt zu warnen. Ja, er drängte sogar auf eine Verurteilung des schlesi schen Adligen durch die 1540 in Schmalkalden versammelten Theologen (Nr. 6, 12, 13).

Mit insgesamt 19 verschiedenen Quellentexten dokumentiert Band 15 (Schriften zur Reichsreligionspolitik der Jahre 1545/1546)4 Bucers Stellungnahme zum Konzil von Trient (Nr. 1–4), sein Engagement auf dem Regensburger Religionsgespräch von 1546, an dem er als Kolloquent teilnahm (Nr. 5–18), und schließlich seine antipäpstliche Polemik im Zusammenhang des Schmalkaldischen Kriegs (Nr. 19), dessen Schatten sich bereits über die Veranstaltung des Religionsgesprächs gelegt hatte. Angesichts der damit verbundenen Herausforderungen erwies sich Bucer – wie die hier edierten Stücke belegen – als dezidierter Verteidiger der Reformation, der nicht davor zurückschreckte, klare Grenzen zu ziehen. Das betraf vor allem das Konzil von Trient, das man von Seiten Straßburgs strikt ablehnte (Nr. 1), sowie in besonderer Weise dessen auf der 4. Sessio des Konzils vom 8.4.1546 verabschiedeten beiden Dekrete: das Dekret Sacrosancta, das den biblischen Kanon festlegte, und das Vulgatadekret, mit dem die Vulgata zum biblischen Normtext erhoben wurde. Indem Bucer beide Dekrete in deutscher Fassung publik machte und sie mit einer Vorrede und eigenen Kommentaren versah (Nr. 4), bediente er sich eines gängigen und wirkungsvollen Mittels der Polemik, das er auch schon zuvor gegen die Löwener Theologie und ihre Vertreter angewandt hatte (Nr. 2). Auch die Kontroverse mit Cochläus, der sich auf dem Wormser Reichstag 1545 gegen ein – von Bucer favorisiertes – Nationalkonzil und für Trient ausgesprochen hatte, zeigt die polemische Kraft des Straßburger Reformators (Nr. 3). Die etwa gleichzeitig laufenden Korres-pondenzen Bucers, seine Gutachten, Stellungnahmen und Berichte dokumentieren den schwierigen Start des Regensburger Reli-g ionsgesprächs und die schier endlosen Diskussionen um die Ge­schäftsordnung, die sich aber auf durchaus wichtige Fragen bezogen, wie z. B. die Erstellung von Ergebnis- oder Verlaufsprotokollen durch Protokollanten beider Seiten und die Frage der Geheimhaltung (Nr. 5–8, 10). Die Berichte der evangelischen Delegierten, an denen wohl auch Johannes Pistorius einen nicht unerheblichen Anteil hatte, machen den heutigen Benutzer der Edition mit Verfahren und inhaltlichen Schwerpunkten dieses letztlich scheiternden Religionsgesprächs bekannt (Nr. 9, 11), freilich aus reformatorischer Perspektive. Aufschlussreich ist in dieser Hinsicht vor allem Bucers »Warhaffter Bericht« vom Mai/Juni 1546, zumal er sich gegen die von ihm als »unaufrichtig« eingestufte Schilderung des altgläubigen Kontroverstheologen Eberhard Billicks wandte. Weitere Korrespondenzen und Apologien zeigen die Unzufriedenheit mit dem Verlauf des Religionsgesprächs und die Rechtfertigungsstrategie, mit der die Evangelischen ihre vorzeitige A breise begründeten (Nr. 12–17). Besondere Beachtung aber verdient die letzte in diesem Band edierte Quelle (Nr. 19), mit der Bucer, angesichts der Werbungen Papst Pauls III. bei den Eidgenossen um Kriegsunterstützung gegen den Schmalkaldischen Bund, aufzuweisen versuchte, dass mit dem kurz nach Ende des Religionsgesprächs ausgebrochenen Schmalkaldischen Krieg »tatsächlich die Vernichtung des Protestantismus intendiert wurde« (141). Auch hier bediente sich Bucer wieder eines gängigen Verfahrens der Polemik. Er stellte die nach der eidgenössischen Tagsatzung vom August 1546 bekannt gewordenen und das päpstliche Ansinnen entlarvenden Dokumente (das päpstliche Breve an die Eidgenossen, ein Begleitschreiben des Nuntius, den kaiserlich-päpstlichen Bündnisvertrag und die Ausschreibung eines mit dem Unter nehmen in Zusammenhang stehenden Ablasses) in deutscher Sprache zusammen und versah sie mit einer eigenen Einleitung, ausführlichen Kommentaren und einem die Situation bewertenden Fazit.

Zwei Nachtragsbände (Bände 16 und 18)5 runden die Edition der Deutschen Schriften Martin Bucers ab. Sie bieten insgesamt über 50 Quellenstücke in 22 (BDS 16) bzw. 27 (BDS 18) Nummern, darunter teils neue Archivfunde und zwei Texte, die noch aus den dreißiger Jahren des 16. Jh.s stammen. Der Natur von Nachtragsbänden entsprechend werden hier keine thematisch in sich geschlossenen Themenkomplexe dokumentiert, sondern die verschiedensten Zusammenhänge angesprochen. Hervorzuheben ist die Neuedition der Confessio Tetrapolitana von 1530 auf der Grundlage einer neu entdeckten Handschrift im Stadtarchiv Konstanz (Erstedition in BDS 3, neu in BDS 18, Nr. II.1). Da diese Fassung eine eigenhändige Überarbeitung sowie Zusätze und Korrekturen durch Bucer aufweist, erlaubt der hier vorgenommene kritisch kommentierte Abdruck neue Perspektiven auf die Entstehungsgeschichte dieses Bekenntnisses.

Aufschlussreich ist darüber hinaus die »Epistola Communis« (BDS 16, Nr. 3), mit der sich Bucer an die Schweizer Theologen wandte, um die – für die weitere Entfaltung der Reformation im Reich bedeutsame – Unterzeichnung der Confessio Augustana (CA) durch die Straßburger auf dem Schweinfurter Bundestag von 1532 zu erklären und zu rechtfertigen. Denn damit war der Aufnahme Straßburgs in den Schmalkaldischen Bund der Weg geebnet. Gegen den Vorwurf des Opportunismus und des Übertritts zur Abendmahlslehre Luthers hielt Bucer fest, dass sich die Zustimmung zur CA lediglich auf die Verpflichtung beschränke, »nichts zu lehren, was ihr widerspricht« (BDS 16, 59). Auch in der Abendmahlsfrage herrsche im Grunde Einigkeit, obwohl die Anhänger der Theologie Luthers die von Bucer für wenig geeignet gehaltenen Begriffe »substantialiter« und »corporaliter« benutzten, wenn sie von der Darreichung des Leibes und Blutes Christi sprächen.

Eine weitere zentrale Quelle ist die Augsburger Kirchenordnung von 1537 (BDS 16, Nr. 9), die die bereits edierten, von Bucer verfassten Kirchenordnungen für Ulm und Straßburg ergänzt. Die Befriedung des herrschenden theologischen Zwiespalts in Augsburg durch Bucer war die Voraussetzung für die Aufnahme der Reichsstadt in den Schmalkaldischen Bund gewesen. Bucers Kirchenordnung zeigt nun den Versuch, Elemente der oberdeutsch-zwinglischen Reformation mit solchen der Wittenberger Reformation zu verbinden, um so die in der Stadt weiterhin vorhandenen theologischen Strömungen zu integrieren. – Interessant ist darüber hinaus der Entwurf Bucers für Philipp von Hessen vom 10.3.1541 zur Verteidigung gegen die Vorwürfe Heinrichs d. J. von Braunschweig-Wolfenbüttel (Nr. 22). Zwar hatte der Landgraf bereits mit einer öffentlichen Verantwortung reagiert, als Bucers »Bedenken« eintraf. Dennoch erlaubt dieses Schriftstück, nachzuvollziehen, welche Argumente der Straßburger dem Landgrafen nahelegte, um sowohl den Bigamievorwurf als auch den Vorwurf, Täufer in seinem Land zu dulden, abzuwehren.

Immer wieder sah sich Bucer zudem mit Nachrichten über die Verfolgung von Evangelischen in Frankreich konfrontiert. Verschiedene Texte dokumentieren seine Versuche, beim französischen König zugunsten der Glaubensgenossen zu intervenieren (BDS 18, Nr. 8, 9, 15), die freilich kaum etwas ausrichteten. Erfolgreicher war der Straßburger Reformator mit seiner Politikberatung bei Ottheinrich von Pfalz-Neuburg, der wegen seines Sympathisierens mit dem Schmalkaldischen Bund im Jahr 1547 ins Exil gehen musste. Bucers Briefe an Ottheinrich zeigen die Vertrautheit des Straßburgers mit den prekären politischen Verhältnissen; seine eigene Erklärung zum Interim in Augsburg vor den Kurfürsten von der Pfalz und von Brandenburg vom 9. April 1548 (BDS 18, Nr. 22) führen seinen Mut zur Opposition vor Augen. – Darüber hinaus dürften zwei weitere Texte aus wieder anderen historischen Zu­sammenhängen für die Forschung von großem Interesse sein. Das ist zum einen die 1545 von Bucer und den Scholarchen überarbeitete Schulordnung Johann Sturms für das von Sturm gegründete Gymnasium illustre. Sie wird in Gänze abgedruckt (BDS 18, Nr. 13), auch wenn Bucer für den Gesamttext nur teilweise verantwortlich zeichnet. Er dokumentiert aber eine nicht zu vernachlässigende Facette von Bucers Wirken in Straßburg. Zum anderen liegt ein singuläres Stück mit Bucers »Informatio pro baptizanda puella Iu­daea« von 1546 (BDS 18, Nr. 17) vor. Es handelt sich dabei um einen liturgischen Entwurf, den Bucer auf die Anfrage eines Diakons aus Baden aus Anlass der Taufe eines jüdischen Mädchens erstellte. Erstaunlicherweise rekurrierte der Straßburger hier auf liturgische Elemente, die in Straßburg bereits seit 1524 abgeschafft worden waren, jedoch in der lutherischen Reformation im Taufritual noch weiter Verwendung fanden, nämlich die Verwendung von Chrisam zur Salbung des Täuflings.

Nicht unerwähnt bleiben soll am Schluss das alle Bände der Edition übergreifende Register.6 Es stellt mit seinen fünf Teilregistern (1. Bibelstellen, 2. Zitate aus Rechtscorpora, 3. Personen, 4. Orte, 5. Begriffe und Themen) und zwei Gesamtverzeichnissen (alphabetische Auflistung der edierten Stücke in BDS und BOL sowie chronologisch), denen jeweils wichtige Benutzungshinweise beigegeben sind, wichtige Arbeitsinstrumente für eine zügige Erschließung der Quellen bereit.

Der nun vollständig vorliegenden, für die Erforschung der Re­formationsgeschichte unverzichtbaren und gut handhabbaren Edition der Deutschen Schriften Martin Bucers ist eine breite Rezeption und reiche Benutzung zu wünschen.

Fussnoten:

1) Deutsche Schriften Martin Bucers, Bd. 17: Die letzten Straßburger Jahre 1546–1549. Schriften zur Gemeindereformation und zum Augsburger Interim, bearb. v. W. Bellardi und M. de Kroon, hrsg. v. R. Stupperich, Gütersloh 1981, unveränderter Nachdr. 2016 (Martini Buceri Opera Omnia. Series I: Deutsche Schriften).
2) Martin Bucers Deutsche Schriften. Bd. 13: Unionsschriften 1542–1545. Bearb. v. Th. Wilhelmi. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2011. 460 S. Lw. EUR 118,00. ISBN 978-3-579-04313-5.
3) Martin Bucers Deutsche Schriften. Bd. 14: Schriften zu Täufertum und Spiritualismus 1531–1546. Bearb. v. S. E. Buckwalter. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2011. 640 S. Lw. EUR 158,00. ISBN 978-3-579-04879-6.
4) Martin Bucers Deutsche Schriften. Bd. 15: Schriften zur Reichsreligionspolitik der Jahre 1545/1546. Bearb. v. S. Haaf. Mitarb. v. A. de Lange. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2011. 656 S. Lw. EUR 168,00. ISBN 978-3-579-04880-2.
5) Martin Bucers Deutsche Schriften. Bd. 16: Nachträge 1531–1541. Bearb. v. S. E. Buckwalter u. Th. WilhelmiGütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2013. 528 S. Lw. EUR 148,00. ISBN 978-3-579-04881-9; Martin Bucers Deutsche Schriften. Bd. 18: Nachträge 1541–1551 sowie Ergänzungen und Korrekturen. Bearb. v. S. E. Buckwalter u. Th. Wilhelmi. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2015. 784 S. Lw. EUR 238,00. ISBN 978-3-579-04883-3.
6) Martin Bucers Deutsche Schriften. Bd. 19: Registerband. Bearb. v. S. E. Buckwalter u. Th. Wilhelmi. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2016. 307 S. Lw. EUR 98,00. ISBN 978-3-579-04882-6.