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Ausgabe:

September/2018

Spalte:

976–977

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Rowland, Tracey

Titel/Untertitel:

Catholic Theology.

Verlag:

London u. a.: Bloomsbury T & T Clark 2017. 256 S. = Doing Theology. Kart. £ 16,99. ISBN 978-0-567-03439-7.

Rezensent:

Martin Bräuer

Der Londoner Verlag Bloomsbury gibt die Reihe »Doing Theology« heraus. In dieser Reihe werden die theologischen Traditionen der großen christlichen Kirchen vorgestellt, bisher erschienen die Bände über anglikanische, reformierte, methodistische, baptistische und lutherische Theologie. Jeder Band folgt dem gleichen Aufbau und untersucht die Grundlagen, Schlüsselkonzepte, herausragenden Denker und historische Entwicklung einer bestimmten Tradition. Der vorliegende Band erschien 2017. Seine Autorin Tracey Rowland ist Professorin des »St. John Paul II. Chair of Theology« an der Universität Notre Dame in Sydney, Australien, und Mitglied der internationalen Theologenkommission. R. ist eine der wenigen weiblichen Mitglieder dieser der römischen Glaubenskongregation zugeordneten vatikanischen Kommission.
Schwerpunktmäßig wird die theologische Entwicklung der katholischen Kirche der letzten hundert Jahre zugrunde gelegt, was auch die Kapitel gliedert. Nach einem grundlegenden Kapitel über fundamentaltheologische Prinzipien werden die theologischen Konzepte des Thomismus und des Neuthomismus, der Communio-Theologie und die der Theologen, welche nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil die Zeitschrift »Concilium« gründeten, dargestellt, schließlich werden die Befreiungstheologie und die theologischen Linien des aktuellen Pontifikates bedacht.
Das erste Kapitel handelt über »Fundamental Issues and Build-ing Blocks«, also über fundamentaltheologische Grundlagen der katholischen Theologie. Themen wie »Schrift und Tradition«, die Beziehung der Christologie zur Mariologie u. a. werden erörtert. Ein fundamentaltheologisches Thema ist der sogenannte »Sensus fidelium«, der Glaubenssinn des Volkes. R. schreibt dazu, dass dieser nicht die Mehrheitsmeinung zu einer bestimmten Zeit bedeute, sondern es sei ein Grundempfinden des Volkes Gottes für den Glauben, den es als Wort Gottes in der Kirche empfange. Diesen Glauben verstehe es und lebe es in der Kirche. Der »sensus fidelium« könne auch regional und zeitlich unterschiedlich ausgebildet sein, er könne in einigen Regionen stark sein, während er in anderen Regionen fast nicht vorhanden sei.
Ein weiteres fundamentaltheologisches Thema ist das Verhältnis von Offenbarung und Vernunft. Als die drei einflussreichsten Theologen im 20. Jh. benennt R. Réginald Garrigou-Lagrange OP, Karl Rahner SJ und Henri de Lubac SJ. R. zufolge können sich alle drei Ansätze auf die Grundsätze der Enzyklika »Humani Generis« (1950) von Pius XII. berufen. Das ist insofern interessant, da Henri de Lubac nach dem Erscheinen von »Humani Generis« vom Heiligen Offizium zu einem mehrjährigen Lehrverbot verurteilt wurde und auch Rahners Ansatz Objekt von Untersuchungen des Heiligen Offiziums war. Réginald Garrigou-La­grange dagegen genoss unter dem Pontifikat von Pius XII. großen Einfluss.
Das zweite Kapitel unternimmt eine sehr differenzierte Be­schreibung dessen, was unter »Thomismus« zu verstehen ist. R. unterscheidet den Thomismus nach Epochen, philosophischen Schulen und Orten. Als Epochen werden unterschieden der klassisch-mittelalterliche Thomismus, der Thomas von Aquin als Be­gründer hat, auf den der »barocke Thomismus« folge, dessen Hauptexponent der spanische Jesuit Franciso Suarez war. Weiter unterscheidet R. den Thomismus zur Zeit Leos XIII. von der ­ Epoche von Beginn des 20. Jh.s bis ca. zum II. Vatikanischen Konzil. Als weitere Kategorie wird vom »transzendentalen Thomismus«, dem »existenzialistischen Thomismus«, dem »Lubliner Thomismus«, der neuen »naturrechtliche Schule« und anderen mehr unterschieden. Den einzelnen Schulen werden Theologen wie Rahner, Gilson, Maritain, MacIntyre, Finnis und andere zugeordnet.
Das dritte und das vierte Kapitel befassen sich mit den Konzepten der Theologen, die sich nach dem II. Vatikanischen Konzil entweder zur Zeitschrift »Concilium« oder zur Zeitschrift »Communio« zählten. Zur Concilium-Schule werden Rahner, Küng und Schillebeeckx gezählt, zur Communio-Schule Ratzinger, de Lubac und von Balthasar. Spannend ist der Abschnitt über die Entwicklung der Theologie des belgischen Dominikaners Edward Schillebeeckx. Er wirkte als Berater des Utrechter Kardinals Alfrinks auf dem II. Vatikanischen Konzil und war einer der maßgeblichen Autoren des Holländischen Katechismus. Seitdem war er im Visier der römischen Glaubenskongregation. – Ein letztes Kapitel wird der Befreiungstheologie und dem Pontifikat des gegenwärtigen Papstes gewidmet. R. ist der Meinung, dass die Befreiungstheologie einen starken europäischen Einfluss habe, da sie von lateinamerikanischen Priestern entwickelt worden sei, die ihre theologischen Qualifikationsarbeiten in Europa erarbeitet hätten.
Als einen zentralen Aspekt der Befreiungstheologie arbeitet R. heraus, dass sie die Wirklichkeit der Menschen als Ausgangspunkt für ihr theologisches Reflektieren nimmt. Diese Betonung der Praxis könne aber – so merkt R. kritisch an – zum theologischen Relativismus führen. Auch Papst Franziskus betone den Primat der Praxis vor der Lehre, so R. Dadurch ergebe sich das Problem, dass eine Praxis, die nicht in der Lehre verwurzelt sei, zu unterschiedlichen praktischen Handhabungen führe. So lasse, Bezug nehmend auf das Apostolische Schreiben »Amoris laetitia«, die Bischofskonferenz von Malta wiederverheiratete Geschiedene in Einzelfällen zu den Sakramenten zu, während dies die polnischen Bischöfe ablehnen.
Das Buch bietet einen profunden und konzisen Einblick in die theologischen Schulen des Katholizismus der letzten hundert Jahre, besonders die verschiedenen Schulen des Thomismus.