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Ausgabe:

September/2018

Spalte:

974–976

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Perry, David

Titel/Untertitel:

Spirit Baptism. The Pentecostal Experience in Theological Focus.

Verlag:

Leiden u. a.: Brill 2017. 264 S. = Global Pentecostal and Charismatic Studies, 26. Kart EUR 55,00. ISBN 978-90-04-33592-9.

Rezensent:

Andreas Heuser

Der australische Pfingsttheologe David Perry beabsichtigt mit seiner Studie zur Geisttaufe, eine elementare Krise pentekostaler Identität zu überwinden. In den allgemeinen Hype um den rasanten Aufschwung der Pfingstbewegung zu einem Hauptakteur des globalen Christentums in den letzten Jahrzehnten hatte bereits Walter Hollenweger mit einem Zwischenruf interveniert, mit dem er 1997 vor allem von Pfingsttheologen eine kritische Selbstreflexivität anmahnte. Dieser Aufforderung stellt sich P., indem er mit der Geisttaufe eines der herausragenden Merkmale pentekostaler Er­fahrung einer theologischen Neubetrachtung unterzieht. Mit der Geisttaufe zielt er dabei auf eine Doktrin, deren äußere Evidenz sich maßgeblich in der Glossolalie oder Zungenrede zeigt. Die so als Erfahrungsbegriff gefüllte Geisttaufe wurde gemeinhin und im Selbstverständnis pfingstlicher Glaubensfrömmigkeit als historisch geradewegs konstitutiv angesehen. Diesen unhinterfragten Status als Marker pentekostaler Identität hat die Geisttaufe, so stellt P. unmissverständlich fest, in letzter Zeit eingebüßt. Diese vielleicht gerade auch für Außenstehende etwas überraschende Feststellung verankert er mit einer autobiographischen Vignette. Nach Berichten seiner Mutter erlebte P. als fünfjähriges Kind die Geisttaufe 1986 in einer australischen Pfingstkirche. Er deutet dieses Zeugnis seiner frühen Befähigung zur Glossolalie als Hinweis darauf, wie maßgeblich die Geisttaufe noch in den 1980er und 1990er Jahren das pentekostale Glaubensleben bestimmt habe. Zwei Jahrzehnte später habe sie ihre Zentralität in der pentekostalen Frömmigkeitserfahrung hingegen verloren. Ohne sich der Grundfrage anzunähern, worin dieser konstatierte Verlust an charismatischer Evidenz in der Pfingstbewegung eigentlich gründe, möchte P. die theologische Relevanz der Geisttaufe wieder neu plausibilisieren.
Es handelt sich um eine leicht überarbeitete theologische Dissertation, die 2015 an der Australian Catholic University vorgelegt wurde. In seiner theologischen Standortbestimmung der Geisttaufe lehnt er sich stark an den amerikanischen Pfingsttheologen Frank D. Macchia an. Macchia, ein in Basel promovierter Neutestamentler, legt 2006 mit »Baptized in the Spirit« ein grundlegendes Werk vor, um die Geisttaufe als die zentrale Kategorie pentekostaler Erfahrung zu restituieren. Während Macchia eine kompakte neutestamentliche Deutung der Geisttaufe anstrebt, geht P. kommunikationstheoretisch vor, um sie als das Kronjuwel pentekostaler Identität wiederzuentdecken, als das die theologische Doktrin der Geisttaufe lange gehandelt wurde. Die Studie ist in sechs Kapitel untergliedert.
In Kapitel 1 rekonstruiert P. gleichsam eine Theologiegeschichte der Doktrin der Geisttaufe in der Pfingstbewegung. Aufgrund des außerordentlich bedeutsamen Rangs der Geisttaufe bietet es zugleich einen kenntnisreichen Überblick über Stadien der Entwicklung von Pfingsttheologie allgemein. Kapitel 2 bettet die Zentralität der Geisttaufe in das Gesamt pentekostaler Glaubenshaltung ein, d. h. P. beleuchtet ihren Stellenwert vor dem umfassenderen Szenario und der Gesamtstruktur pentekostaler Weltdeutung. Kapitel 3 kartiert die Bandbreite an Deutungsversuchen der Geisttaufe als dem pentekostalen Evidenzmerkmal der Erfahrung des Heiligen Geistes. Somit bespricht P. in diesem ausgedehnten Schlüs­selkapitel (84–149) den Kernansatz seiner Studie. Er liegt darin, den epistemologischen Rang der Geisttaufe als Erfahrungskategorie auszuloten. P. möchte die doktrinären Engpässe in der Pfingsttheologie umschiffen und die Geisttaufe als die jeder Doktrin vorangehende charismatische Erfahrung wieder ins Recht setzen. Insofern diskutiert er im Einzelnen die herkömmliche Deutung der Geisttaufe als zeitlich nachgeordnete, eigentlich nachrangige charismatische Gabe zur Konversion. In phänomenologischer Manier löst P. die Geisttaufe aus solcher Deutung, die sich als normativer Mainstream in der Pfingsttheologie festgesetzt hat, heraus, um eben den eigentlichen Fokus auf die Dimension der Erfahrung, präziser: der einzigartigen Erfahrung des Heiligen Geistes zu legen. Er hält daran fest, dass die Geisttaufe auf ein Konversionsgeschehen hinweist. Allerdings versteht er darunter nicht mehr eine punktuelle Krisenerfahrung, die eine un­mittelbare Entscheidung für einen sozusagen geheiligten Lebenswandel auslöst. Die Einzigartigkeit der Geisterfahrung drückt sich schon terminologisch als Taufakt aus und als kognitive menschliche Antwort auf den Ruf Gottes (P. vergleicht es mit der Konfirmation). P. bekräftigt hiermit das dezisionistische Charakteristikum pentekostal-evangelikaler Glaubenslehre. Doch bindet P. die Geisttaufe an die Reich Gottes Botschaft an, was ihm die Möglichkeit eröffnet, sie gleichsam als Initiation in ein prozesshaftes Geschehen einzuzeichnen. Damit begibt sich P. auf den Verstehenspfad, den Macchia vorgezeichnet hat. Macchia löst die Geisttaufe von individueller Frömmigkeitserfahrung ebenso wie von pentekostaler Kirchenbindung. Er verknüpft Geisttaufe und Reich Gottes Verkündigung in eschatologischer Perspektive. Das bedeutet in der Diktion Macchias, dass die Geisttaufe das Volk Gottes dazu ermächtigt, begleitet und nachhaltig inspiriert, die ganze Schöpfung in einen Wohnort Gottes zu verwandeln.
Daran anknüpfend erkennt P. in der Geisttaufe die umwälzende Erfahrung der Hereinnahme in eine Gottesbeziehung, die die Präsenz des Heiligen Geistes am Aufbau des Reiches Gottes in der Welt bezeugt. In Absetzung von Macchia akzentuiert er jedoch den individuellen Erfahrungsgrund der Geisttaufe, ihre Relevanz für die Erneuerung, klassisch: Erweckung, individuelle Glaubensgewissheit. »As such«, lautet die These P.s, »Spirit baptism can be viewed as an invitation to participate in the work of the Holy Spirit in building the Kingdom of God and enacting the love of God in the world.« (149) Im folgenden Kapitel skizziert P. effektive Bedeutungen der Geisttaufe etwa im für die Pfingstbewegung ohnehin betonten Zusammenhang von Mission und Evangelisation, aber auch für pentekostales Engagement in gesellschaftspolitischer oder sozialer Hinsicht. In Kapitel 6 bespricht P. die ekklesiologische Thematik einer Spannung von impulsgebender Geisttaufe und Institution an, die auch in der Pfingstbewegung greift. In einem Schlusskapitel rekurriert er auf ökumenische Dialogprozesse, die am Verständnis der Geisttaufe oft an ihre Grenzen stoßen. Einen Ausweg mit seinem Plädoyer für narrative Theologie deutet P. jedoch kaum an. Selbst wenn P. sich wiederholt einer apologetischen Rekonstruktion der pfingsttheologischen Deutung der Geisttaufe verwehrt, nähert er sich mit seiner Sichtwiese auf Ökumene einer solchen Apologie doch stark an.
Fazit: Wer eine konzise theologiehistorische Darstellung der Genese, Entfaltung und Relevanzbezüge der pentekostalen Säule der Geisttaufe sucht, findet in P.s Studie einen reizvollen Anhalt. Unverkennbar verbleibt seine Deutung der Geisttaufe im innertheologischen pentekostalen Diskursfeld. P. steckt die Geisttaufe in funktionaler und letztlich phänomenologischer Absicht ab, mithin reduziert um ihren weiteren sozialen Kontext. Auch P. weist nicht auf, inwiefern eine Neudeutung der Geisttaufe auch ökumenische Debatten beleben kann, in denen die Geisttaufe als nahezu sakramentale Charakteristik der pentekostalen Trennung von der ökumenischen Bewegung fungiert. Die ökumenische Einheitsvi-sion P.s ist bescheidener – sie beabsichtigt, die in sich zerklüftete Pfingstbewegung durch den wieder einzusetzenden klassischen Distinktiv der Geisttaufe zu einen.