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Ausgabe:

September/2018

Spalte:

967–968

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Hirzel, Martin Ernst, u. Martin Wallraff [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Ökumene in Wahrheit und Liebe. Beiträge zu Werk und Leben des Schweizer Theologen Adolf Keller (1872–1963).

Verlag:

Zürich: Theologischer Verlag Zürich 2016. 132 S. = Basler und Berner Studien zur historischen Theologie, 78. Kart. EUR 29,90. ISBN 978-3-290-17866-6.

Rezensent:

Lisa-Marie Kaiser

In Zeiten, in denen die Dialog-Ökumene zusehends kritischer gesehen und ihr Ertrag für konkrete Gemeindesituationen, aber auch für die Gestaltung des Verhältnisses zwischen den verschiedenen Kirchenleitungen in Frage gestellt wird, veranstalteten der Schweizerische Evangelische Kirchenbund (SEK) und die Theologische Fakultät der Universität Basel im Jahr 2013 gemeinsam ein Symposion, um Adolf Keller, einer für die Geschichte der Ökumene-Bewegung prägenden, jedoch bisher weitgehend übersehenen Persönlichkeit, zu gedenken. Der vorliegende, zwei Jahre später erschienene Band macht die anlässlich des 50-jährigen Todestages des Schweizer Theologen geleisteten Beiträge zu seinem Werk und Leben nun der Öffentlichkeit zugänglich. Auf insgesamt 127 Seiten werden anhand des Denkens und Wirkens der Person Kellers die Geschichte der schweizerischen Ökumenebestrebungen dargestellt, ihre theologischen und sozialethischen Grundgedanken erläutert und nicht zuletzt Impulse für die heutige Gestaltung der Ökumene abgeleitet.
Adolf Keller (1872–1963) war Schweizer protestantischer Theologe, Sozialethiker und Ökumeniker. Überzeugt vom sozialethischen Auftrag der Kirche für die konkrete Wirklichkeit dieser Welt, der für ihn als Minimalkonsens aller Konfessionen zur Basis des internationalen kirchlichen Dialogs wird, und inspiriert vom nordamerikanischen Protestantismus setzt sich Keller zeit seines Lebens für die Überwindung der konfessionellen Zersplitterung der Christenheit nicht nur im nationalen, sondern auch internationalen Kon text ein. So wird er als Visionär eines dem amerikanischen Federal Council entsprechenden Zusammenschlusses des schweizerischen Protestantismus zum Initiator des 1920 gegründeten SEK, dessen Gestalt er bis 1941 durch seine Mitarbeit als deutschschweizerischer Sekretär entscheidend prägt. Überdies macht er mit der von ihm stets betonten kirchlichen Verantwortung für eine christliche Ge­staltung der Welt im Sinne der Reich-Gottes-Botschaft ernst, in­dem er sich insbesondere nach den beiden Weltkriegen im kirchlichen Hilfs- und Flüchtlingswesen engagiert. Ökumene und Diakonie sind für ihn untrennbare Grundvoraussetzungen für die Durchsetzung des Reiches Gottes. Durch sein Engagement in beiden Bereichen ist Keller zu einer zentralen Persönlichkeit der schweizerischen ökumenischen Bewegung der Zwischen- und Nachkriegszeit geworden. Die Herausgeber des Bandes sowie die Autorinnen und Autoren der insgesamt sechs Beiträge, die das Leben, Denken und Erbe Kellers aus sozialethischer, ekklesiologisch-politischer sowie historischer Perspektive beleuchten, machen es sich zur Aufgabe, dieser für die Ökumenegeschichte bedeutenden Persönlichkeit endlich die ihr gebührende Beachtung zu verschaffen.
Sicherlich sind knapp 130 Seiten entschieden zu wenig Raum, um einer so facettenreichen Persönlichkeit wie Keller und ihrem Beitrag zur Entwicklung der Ökumene in der jüngeren Geschichte gerecht zu werden. Dennoch bietet der übersichtlich gehaltene Band einen guten Einblick in verschiedene Aspekte des Denkens und Wirkens Kellers sowie in die Entwicklung der ökumenischen Bewegung insbesondere in den Jahren von 1920 bis 1940. Dabei versäumen es die Autorinnen und Autoren nicht, stets die Anschlussfähigkeit und Aktualität der Gedanken Kellers für gegenwärtige Fragen der Ökumene zu diskutieren. Trotz ihrer Kürze und der damit einhergehenden Dichte sind die an mancher Stelle für einen ersten Einblick ein wenig zu detailreich geratenen Beiträge gut verständlich. Wenngleich mit der Schweizer ökumenischen Bewegung weniger vertraute Leser vielleicht nicht jede in diesem Band genannte Einzelheit des Lebens und Wirkens Kellers in ihrer Bedeutung ermessen können, bleibt doch der Eindruck, dass man es hier mit einer für die Ökumene entscheidenden Persönlichkeit zu tun hat, die sich sowohl im privaten als auch öffentlichen Leben mit bemerkenswertem und unermüdlichem Engagement der Überwindung der konfessionellen Grenzen gewidmet hat.
Wer besonderes Interesse an der Geschichte der ökumenischen Bewegung der Zwischen- und Nachkriegszeit und Keller als einem ihrer Vertreter hegt, wird in dieser Tagungsdokumentation einen ersten Überblick finden. Der übersichtliche Band kann und möchte, so kündigen es die Herausgeber im Vorwort an, »kaum mehr sein als ein amuse-gueule« (7). Treffender lässt sich wohl kaum beschreiben, was man hier zu erwarten hat. Wem dieses »Häppchen« allerdings nicht ausreicht, dem ist durch den Verweis auf die kurz zuvor erschienene Keller-Biographie der ebenfalls in diesem Band mit einem Beitrag vertretenen Historikerin Marianne Jehle-Wildberger eine Perspektive zur Vertiefung aufgetan.