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Ausgabe:

September/2018

Spalte:

957–959

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Büttgen, Philippe, Roggenkamp, Antje, u. Thomas Schlag [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Religion und Philosophie. Perspektivische Zugänge zur Lehrer- und Lehrerinnenausbildung in Deutschland, Frankreich und der Schweiz.

Verlag:

Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2017. 289 S. = Studien zur Religiösen Bildung, 13. Kart. EUR 38,00. ISBN 978-3-374-04549-5.

Rezensent:

Bernd Schröder

»Die Frage nach Theorie und Praxis akademischer Religions- und Philosophielehrerausbildung« (10) steht der »Einleitung« zufolge im Zentrum dieser Dokumentation einer Tagung, die, gefördert durch die Thyssen-Stiftung, 2016 in Münster stattfand. Interdisziplinär, d. h. im Gespräch zwischen »Pädagogik, Religionspädagogik, Theologie und Philosophie« (9), sowie grenzüberschreitend, d. h. mit Blick auf Deutschland, Frankreich und die Schweiz, soll die Thematik be­leuchtet werden. Vier Themenbereiche, die auch zugleich vier der fünf Kapitel dieses Buches konstituieren, stehen im Fokus.
Unter der eigentümlichen Überschrift »Begründung/Profil/ Be­zugswissenschaft« in Kapitel I (23–73) informiert zunächst Thomas Schlag (Zürich) über »die Vielfalt« des Religionsunterrichts »auf dem engen Raum der Schweiz« (35), dann arbeitet sich Philippe Buettgen (Paris) an einer – 1970 aufgestellten, durchaus gewagten – These Michel Foucaults ab, derzufolge der Philosophieunterricht in Frankreich das laizistische Äquivalent zum Luthertum sei (41), und schließlich wirbt David Käbisch (Frankfurt a. M.) in einem me­thodologisch ausgerichteten Beitrag für ein »transnational-transferorientierte[s]« Forschungsdesign im Bereich der »Rechts-, Re­ligions- und Bildungsforschung«, das dem bisherigen »international-vergleichende[n]« Zugang komplementär zur Seite treten solle (71).
Kapitel II ist den »konkrete[n] Institutionen der Aus- und Fortbildung« gewidmet (75–136). Doch Monika Jakobs (Luzern) zeichnet vor allem die Entwicklung des Religionsunterrichts in der Schweiz im 19. und 20. Jh. nach, der heute zumeist »dekonfessionalisiert« sei (97). Die Ausbildung von Religionslehrenden erfolgt entweder an den »15 Pädagogischen Hochschulen und drei Universitäten«, an denen die Lehrerbildung seit 2006 konzentriert ist (96), oder in kirchlichen Ausbildungsstätten – wie dabei dem Konzept eines informativen, nicht-konfessionellen Religionsunterrichts Rechnung getragen wird, erfährt man leider nicht. Michael Wermke (Jena) informiert über die »Professionalisierung der Religionslehrerbildung« am Beispiel der preußischen Pädagogischen Akademien der Weimarer Zeit, Gérald Chaix (Tours) berichtet als Historiker über Kontexte und Vorgeschichte des »enseignement du fait religieux«, knapp auch über die Vorbereitung der Lehrkräfte auf das Erteilen solcher Unterrichtssequenzen durch Absolvieren eines Mo­­duls »Philosophie de la laicité, enseignement de la morale ci-vique et enseignement des faits religieux« (134 f.).
Im dritten Kapitel, »Geschichtliche Voraussetzungen und aktuelle Entwicklungen im Selbstverständnis der Lehrenden« (137–197), berichtet Pierre Kahn (Caen) über »die Wurzeln der laizistischen Schule« (139) am Ende des 19. Jh.s; Antje Roggenkamp (Münster) gibt im Anschluss an ihre Habilitationsschrift Einblicke in das (Selbst-) Verständnis gymnasialer Religionslehrer in Kaiserreich und Weimarer Republik, und Petra Bleisch (Fribourg/CH) reflektiert auf didaktische Kriterien für die Auswahl von Inhalten des religionskundlichen Unterrichts an Schweizer Volksschulen – ihre Pointe: Der Unterricht müsse den »kritischen Umgang mit […] grenzziehenden, essentialisierenden, bewertenden und hierarchisierenden« Thematisierungen von Religion fördern und fordern (197).
Unter der ambitionierten Überschrift »Vergleich europäischer und angelsächsischer Rahmenbedingungen sowie entsprechender (zivil-)religiöser Einflüsse« in Kapitel IV (199–269) skizziert Erhard Holze (Münster) vor allem Genese und Diskussion der Laizität in Frankreich; Béatrice Finet (Caen) reflektiert Chancen und Grenzen des (obligatorischen!) Unterrichts zum Thema »Schoah« in der französischen Grundschule, Andreas Kessler (Luzern) analysiert Erscheinungsformen dessen, was er die »Neutralisierung des Religiösen« nennt (die »ihrem Gegenstand nur zur Hälfte gerecht« [255] wird), in einem »bekenntnisunabhängigen, obligatorischen Religionsunterricht« (den er selbst verficht). Henrik Simojoki (Bamberg) wirbt für eine »globale Rahmung europäischer Perspektiven« auf den Religionsunterricht (257).
In der abschließenden fünften Sektion »Kommentare und Ausblick« (271–289) unterstreicht Angela Kaupp (Koblenz/Landau) zu Recht, dass »vergleichende Untersuchungen zur Lehrerausbildung [in den Fächern Religion und Philosophie] in Deutschland, Frankreich und der Schweiz« »vor einigen Herausforderungen« stehen (273); sie mahnt insbesondere »eine klare Fokussierung der Forschungsfrage« an (282). Arnulf von Scheliha (Münster) meint, der »Freiheitsraum der wissenschaftlichen Religionspädagogik« könne und solle angesichts der verschiedenen Modi, Religion unterrichtlich zu thematisieren, genutzt werden, um »auf die Suche nach neuen Lösungen und Modellen zu gehen« (286) – so sei etwa die Entwicklung eines »gemeinsame[n] Schulbuch[s]« für die Unterrichtung des Themenfeldes Religion in allen drei Ländern ein lohnendes »Experiment« (289).
Das Gespräch zwischen deutsch- und französischsprachiger Re­ligionspädagogik wurde bislang nicht intensiv betrieben – insofern ist dieser Band als Impuls zu begrüßen.
Allerdings kommt es auch in diesem Buch kaum zu einem Ge­spräch, ja, nicht einmal zur Behandlung eines gemeinsamen Themas. Gewiss, viele der hier versammelten Beiträge sind lehrreich – sei es wegen ihrer methodologischen Überlegungen (so insbesondere Käbisch), sei es wegen der Thematisierung hierzulande wenig bekannter Konstellationen (so etwa Finet) –, doch die Kapitelüberschriften versprechen weit mehr als sie halten:
Nirgends sprechen die Beiträge eines Kapitels zu einer vergleichbaren Sache, von wechselseitigen Bezugnahmen ganz zu schweigen. Die Texte stehen lediglich nebeneinander. Dieser Eindruck der Beliebigkeit wird leider verstärkt durch den Umstand, dass die Herausgebenden weder die Auswahl der drei hier repräsentierten Länder noch die Zusammenschau von Religions- und Philosophieunterricht – von Letzterem ist nirgendwo in substantieller Weise die Rede – oder die Fokussierung auf Lehrerausbildung eigens begründen; auch eine methodologische Reflexion, wie und woraufhin hier »perspektivische Zugänge« (Untertitel) ge­sucht werden, ist nicht vorhanden. Ein konsistentes Bild der Religions- und Philosophielehrerausbildung in Deutschland, Frankreich und der Schweiz vermag so nicht zu entstehen; Orientierung angesichts der vielfältigen Gemengelage möglicher Fragestellungen bleibt dieser Band leider schuldig.