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Ausgabe:

September/2018

Spalte:

932–938

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst

Titel/Untertitel:

Kritische Gesamtausgabe. Hrsg. v. G. Meckenstock, A. Arndt, J. Dierken, L. Käppel u. N. Slenczka. Abtl. V: Briefwechsel und biographische Dokumente. Kommentarbd. 1: Kommentarband zum Briefwechsel 1808–1810 (Briefe 2598–3560). Erarb. v. S. Schmidt unter Mitwirkung v. S. Gerber.

Verlag:

Berlin u. a.: De Gruyter 2017. IX, 763 S. Lw. EUR 249,00. ISBN 978-3-11-042693-9.

Rezensent:

Ingolf U. Dalferth

Neben dem angegebenen Titel in dieser Rezension besprochen:

Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst: Kritische Gesamtausgabe. Hrsg. v. G. Meckenstock, A. Arndt, J. Dierken, L. Käppel u. N. Slenczka. Abtl. II: Vorlesungen. Bd. 12: Vorlesungen über die Pädagogik und amtliche Voten zum öffentlichen Unterricht. Hrsg. v. J. Beljan, Ch. Ehrhardt, D. Meier, W. Virmond, M. Winkler. Berlin u. a.: De Gruyter 2017. CXI, 921 S. Lw. EUR 279,00. ISBN 978-3-11-043798-0.
Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst: Kritische Gesamtausgabe. Hrsg. v. G. Meckenstock, A. Arndt, J. Dierken, L. Käppel u. N. Slenczka. Abtl. III: Predigten. Bd. 9: Predigten 1825. Hrsg. v. K. M. Ch. Kunz unter Mitwirkung v. B. M. Bauer. Berlin u. a.: De Gruyter 2017. LII, 619 S. Lw. EUR 249,00. ISBN 978-3-11-046122-0.
Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst: Kritische Gesamtausgabe. Hrsg. v. G. Meckenstock, A. Arndt, J. Dierken, L. Käppel u. N. Slenczka. Abtl. III: Predigten. Bd. 10: Predigten 1826–1827. Hrsg. v. B. Bauer, R. Brucker, M. Pietsch, D. Schmid, P. Weiland. 2016. XLV, 970 S. Lw. EUR 239,00. ISBN 978-3-11-048523-3.
Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst: Kritische Gesamtausgabe. Hrsg. v. G. Meckenstock, A. Arndt, J. Dierken, L. Käppel u. N. Slenczka. Abtl. III: Predigten. Bd. 14: Predigten 1833–1834. Einzelstücke. Addenda und Corrigenda zur III. Abteilung. Hrsg. v. G. Meckenstock. 2017. XL, 775 S. Lw. EUR 279,00. ISBN 978-3-11-044444-5.
Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst: Kritische Gesamtausgabe. Hrsg. v. G. Meckenstock, A. Arndt, J. Dierken, L. Käppel u. N. Slenczka. Abtl. IV: Übersetzungen. Bd. 3: Platons Werke I,1, Berlin 1804. 1817. Einleitung, Phaidros, Lysis, Protagoras, Laches. Hrsg. v. L. Käppel u. J. Loehr. Unter Mitarbeit v. M. Günther. 2016. XCVIII, 1080 S. Lw. EUR 279,00. ISBN 978-3-11-044943-3.


I: In der zweiten Abteilung der KGA ist 2017 Band 12 (ediert von Jens Beljan, Christiane Ehrhardt, Dorothea Meier, Wolfgang Virmond und Michael Winkler) erschienen. Er enthält Schleiermachers Vorlesungen über die Pädagogik und seine amtlichen Voten zum öffentlichen Unterricht. Als Mitglied in der Philosophischen Klasse der Akademie der Wissenschaften hatte Schleiermacher das Recht, neben seinen theologischen auch philosophische Vorlesungen zu halten. Drei Mal trug er in diesem Zusammenhang die Pädagogik vor (WS 1813/14, WS 1820/21 und SS 1826). Der vorliegende Band enthält alle drei Vorlesungen, die von 1820/21 und 1826 erstmals nicht in Form von Textkompilationen, sondern auf der Grundlage jeweils einer studentischen Nachschrift – die Vorlesung von 1820/21 nach einer anonymen ›Berliner‹ Nachschrift aus Privatbesitz, die von 1826 nach einer Nachschrift von J. Sprüngli, die sich in der Zentralbibliothek in Zürich befindet. Die Edition der Vorlesungen von 1813/14 und 1826 verantworten Dorothea Meier, Jens Beljan und Michael Winkler aus Jena, die von 1820/21 Wolfgang Virmond und Christi-ane Ehrhardt in Berlin. Die Voten zum öffentlichen Unterricht wurden von Christiane Ehrhardt ediert. Es handelt sich um Schleiermachers Eingaben an das Ministerium des Inneren und die Berliner Unterrichtsbehörden von 1810–1814. Die Pädagogik-Vorlesungen und die bildungspolitischen Stellungnahmen Schleiermachers in einen Band zusammenzufassen, ist eine gute Entscheidung des Herausgeberteams. Beides steht in deutlichem Zusammenhang und sollte auch so gelesen werden.
1810 war Schleiermacher von Wilhelm von Humboldt bis zum Ende des Jahres zum ersten Direktor der »Wissenschaftlichen Deputation für den öffentlichen Unterricht« berufen worden. Danach war er Mitglied der Sektion für den öffentlichen Unterricht, bis er im Oktober 1814 zum Sekretär der philosophischen Klasse der Berliner Akademie der Wissenschaften gewählt wurde und auf Betreiben von Minister von Schuckmann seine Mitgliedschaft in der Sektion niederlegen musste. Während seiner Zeit in der Deputation und Sektion veranlasste und verfasste Schleiermacher eine Vielzahl von Voten zu vielfältigen Themen: »Soll auf den gelehrten Schulen ein besonderer ReligionsUnterricht ertheilt werden?« (Nr. 18); soll es Französischunterricht geben, eine Norm für die Aussprache der alten Sprachen, eine bestimmte quantitative Verteilung der Lehrfächer in jeder Woche usf.? Schleiermacher wirkte an der Erarbeitung der Lehrpläne und Bildungsstandards an Gymnasien mit, initiierte Diskussionen über den Sinn und Zweck von Abschlussprüfungen an höheren Schulen und konzipierte eine neue Abiturordnung. Im Lehrplan von 1810 (Nr. 32) wurde von der Deputation unter seiner Leitung erstmals ein Unterricht in Mathematik und Naturwissenschaften ver pflichtend festgelegt, Ge­schichte und Geographie, Deutsch und eine moderne Fremdsprache in das Curriculum aufgenommen, der Latein- und der Religionsunterricht neu konzipiert.
Ziel war der Aufbau eines öf­fentlichen Bildungs- und Schulsys-tems, das nicht einer Staats- oder Kirchenbehörde unterstellt war, sondern einen freien Ort in der Gesellschaft »in der Mitte zwischen dem häuslichen Leben und dem Staat« (420) einnehmen sollte. Schleiermacher arbeitete an der Instruktion für eine neue Lehrerausbildung mit, sorgte für gemeinsame Prüfungsanforderungen für »Oberlehrer« (Lehrbefähigung für die oberen Klassen) und »Unterlehrer« (Lehrbefähigung für die unteren Klassen) und führte den Vorsitz bei der Prüfung von Lehramtskandidaten. Durch diese Reformen wurde der Gymnasiallehrerberuf vom Theologenstand unterschieden und zu einem eigenständigen Berufszweig ausgebaut. Man befasste sich mit der »Entwerfung neuer Einrichtungspläne für wissenschaftliche und Bildungsanstalten«, mit Lehrbüchern, Prüfungsordnungen, Stellenbesetzungen in Schule und Universität, der Rolle des Musikunterrichts und einer einheitlichen Regelung der Schulferien. Vor allem aber kümmerte man sich um den Aufbau einer Selbstv erwaltung des Schulwesens und die Einrichtung städtischer Schulaufsichtsbehörden und damit um die Ausgestaltung einer eigenständigen Bildungssphäre in der Gesellschaft.
Alle diese Bemühungen um ein modernes Schul- und Universitätswesen hatten aber nur kurzen Erfolg. 1816 wurden die Berliner Wissenschaftlichen Deputationen aufgelöst und durch Konsistorien und deren Prüfungskommissionen ersetzt. Die Konsistorien kümmerten sich dabei um die internen Belange des Kirchenwesens und des höheren Schulwesens, die staatlichen Behörden hatten die Aufsicht über die Vermögensverwaltung und die Elementar- und Bürgerschulen. Damit war das Schulwesen wieder unter kirchliche Aufsicht gestellt und die Kluft zwischen Wissenschaft und staatlicher Verwaltung neu aufgerissen. Der Versuch, durch die Beteiligung von Eltern, Lehrern, Politikern und Direktoren an der Schulverwaltung eine vom Staat unterschiedene eigenständige Sphäre bürgerlicher Öffentlichkeit aufzubauen, war damit der Restaura-tionspolitik der preußischen Unterrichtsbehörden zum Opfer ge­fallen.
Die Entwicklung spiegelt sich auch in Schleiermachers Pädagogikvorlesungen. In der Vorlesung von 1813/14 gibt es deutlich demokratisch-egalitäre Tendenzen. Pädagogik hat es immer mit der Arbeit an Unterschieden zu tun. Doch nicht alle Unterschiede sind eine Bereicherung des Lebens. Angeborene Standesdifferenzen sind keine Naturgegebenheit. Sie können in einem idealen bürgerlichen Zustand überwunden werden, in dem nur noch die »persönlichen Differenzen« eine Rolle spielen. Die Pädagogik geht daher zwar stets von der Ungleichheit aus, aber sie kann nur dann erfolgreich für Gleichheit wirken, wenn es diese auch im sozialen Leben der Gesellschaft selbst gibt. Nur in einer »vollkommenen Demokratie« kann man »sich auch ein gänzliches Verschwinden der angeborenen Differenzen denken« (267).
Auch die Vorlesung von 1820/21 betont die Bedeutung der bürgerlichen Öffentlichkeit, insbesondere der »öffentlichen Meinung« als Gegengewicht zur staatlichen Vereinnahmung (505). Dazu ist im Erziehungsprozess das Selbstgefühl und Gemeingefühl der Jugendlichen zu stärken. Diese Überlegungen stehen in deutlichem Zusammenhang mit der gleichzeitigen Ausarbeitung von Schleiermachers Glaubenslehre. Das »Hauptgeschäft der Erziehung« ist, »daß sie in das Bewußtlose Bewußtsein hineinbringe« (439). Das muss durch positive Anreize geschehen und von jedem selbst vollzogen werden. Strafen sind dafür ein untaugliches Mittel. Erziehung muss vielmehr darauf hinwirken, »Strafe überflüssig zu machen« (416). Willens- und Gewissensbildung kann nicht wie eine Fertigkeit geübt werden, sie lässt sich nur durch die freie Zucht (Askese) und Selbstkontrolle des Individuums bilden. »Je mehr das Freiheitsgefühl erregt ist, je leichter der Zögling sich die Zucht gefallen läßt, desto strenger kann die Zucht sein ohne allen Nachteil.« (430)
Die Vorlesung von 1826 konzentriert sich noch stärker auf die pädagogischen Bedingungen für die Ausbildung individueller Autonomie im Bildungsgang des Subjekts. Dieses muss Fertigkeiten durch Übung erwerben und sich Gesinnung in freier Tätigkeit aneignen. Beides geschieht stets in gesellschaftlichem Kontext. Entscheidend dafür sind die Sphären von Familie und Schule, aber auch Religion, Geselligkeit und Wissenschaft spielen eine wichtige Rolle. Während sich deren inhaltliche Bestimmtheit im Laufe der Geschichte ändert, bleiben die Grundstrukturen und das Ziel der Selbstbildung dieselben. Das macht es unumgänglich, den individuellen Bildungsprozess zu jeder Zeit immer wieder auf neue Weise zu gestalten.
Die in diesem Band versammelten Texte erlauben es, das Zu­sam­menspiel von wissenschaftlichem Denken und politischer Ar­beit in Schleiermachers pädagogischen Bemühungen detailliert nachzuvollziehen. Praxis und Theorie entwickeln sich Hand in Hand und befruchten sich gegenseitig. Gegenüber früheren Publikationen der pädagogischen Schriften Schleiermachers eröffnet das hier vorgelegte Material ein in vielem anderes Bild seiner Pädagogik. Unübersehbar ist, wie sich im Laufe der Jahre bei aller Übereinstimmung im Grundsätzlichen die Ausarbeitung der Gedanken im Kontext der geschichtlichen Veränderungen wandelt. Schleiermachers Pädagogik war ständig in Entwicklung. Sie reagierte auf Anregungen, und kann bis heute anregen.
Der Band besticht durch die informative Einleitung und die vorbildliche kritische Edition der vorgelegten Texte. Gelegentliche Druckfehler (etwa VII) hätten sich vermeiden lassen. Auch ein Sachregister sucht man neben dem Personenregister leider vergebens. Stattdessen findet sich im Anhang eine Röntgenfluoreszenzanalyse der Schreibmaterialien Schleiermachers. Damit wissen wir jetzt auch über die chemische Zusammensetzung der von ihm verwendeten Tinte Bescheid. Ein Sachregister wäre hilfreicher gewesen.
II: In den Jahren 2016 und 2017 sind in der dritten Abteilung der KGA drei weitere Bände von Schleiermachers Predigten erschienen. Band 9 (ediert von Kirsten Maria Christine Kunz unter Mitwirkung von Brinja Bauer) bietet die Predigten des Jahres 1825, Bd. 10 (ediert von Brinja Bauer, Ralph Brucker, Michael Pietsch, Dirk Schmid und Patrick Weiland) die Predigten der Jahre 1826–1827, Bd. 14 (ediert von Günter Meckenstock) die Predigten von 1833–1834 sowie Einzelstücke, die nicht klar zugeordnet werden können, und – besonders wichtig – Addenda und Corrigenda zur III. Abteilung. Die Bände sind in gewohnter Weise aufgebaut: Sie werden eingeleitet durch eine historische Einführung der Bandherausgeber, einen editorischen Bericht, der neben den nötigen Informationen zur Text- und Druckgestaltung vor allem über die Quellentexte (Entwürfe und Drucke Schleiermachers sowie Nachschriften seiner Predigten von verschiedener Hand) Auskunft gibt, gefolgt von den Predigten im Ablauf des Jahres, beginnend mit den Neujahrspredigten. Wo immer möglich werden den Predigten die liturgischen Informationen (Termin, Ort, Bibeltext, Textzeugen) und das von Schleiermacher gestaltete Liedblatt für den Gottesdienst hinzugefügt. Am Ende der Bände werden die Verzeichnisse geboten (Editionszeichen, Abkürzungen, Literatur, Namen und Bibelstellen). All das ist mit der Sorgfalt und Umsicht ausgeführt, die diese Edition auszeichnet.
1822 war an der Berliner Dreifaltigkeitskirche die Union der lutherischen und der reformierten Gemeinde vollzogen worden. Schleiermacher und sein lutherischer Kollege Marheineke waren damit für 12.000 Gemeindeglieder zuständig, was sich in einer wachsenden Zahl von Taufen und Trauungen niederschlug. Der Umbau der Dreifaltigkeitskirche, der in dieses Jahr fiel, nahm viel Zeit und Energie in Anspruch. Während der monatelangen Bauarbeiten versammelte sich die Gemeinde in der Französischen Kirche am Gendarmenmarkt. Schleiermacher und Marheineke hielten im wöchentlichen Wechsel die Früh- und Hauptgottesdienste sowie die Kasualgottesdienste. 1825 setzte Schleiermacher seine Johanneshomilienreihe (1823–1827) fort. Daneben predigte er über kurze Themenreihen (zwischen Ostern und Himmelfahrt etwa »Über die rechte Freude des Christen«), denen ausschließlich neutestamentliche Texte zugrunde lagen. Nach dem Zeugnis der Zuhörer suchte Schleiermacher in Konfirmandenunterricht und Predigten nicht so sehr feste Inhalte zu vermitteln als vielmehr die Gefühle der Zuhörenden anzusprechen und sie zum Selbstfühlen und Selbstdenken anzuregen. Darin hatte er beachtlichen Erfolg, weil er sich nicht scheute, seine eigenen Gefühle – bis zu den Tränen in den Augen – so zum Ausdruck zu bringen, dass der Eindruck auf die Zuhörer übersprang. KGA III/9 bietet alle 54 Gemeindepredigten Schleiermachers aus diesem Jahr, dazu 28 bisher unbekannte Kanzelreden und 27 schon gedruckte Predigten.
Aus den folgenden Jahren 1826 und 1827 werden in KGA III/10 109 Predigten und Predigtentwürfe Schleiermachers publiziert, dazu 49 Liedblätter. 76 dieser Predigten waren bisher unveröffentlicht. Bis zum 20. Mai 1827 setzte Schleiermacher in den Frühgottesdiensten seine Homilienreihe zum Johannesevangelium fort (insgesamt 95 Predigten), danach widmete er sich bis zum 17. Februar 1828 in 16 Predigten dem 1. Thessalonicherbrief. Auch im Hauptgottesdienst folgte er dem reformierten Brauch, über Themen zu predigen, im Jahr 1826 etwa über Gleichheit und Ungleichheit bei der Ausbreitung des göttlichen Wortes mit 11 Predigten über Texte aus Lk, Mt, 1Kor und Röm. Daneben vollzog Schleiermacher in diesen Jahren 275 Taufen und 65 Trauungen. Von diesen Kasualreden sind nur wenige überliefert. Der vorliegende Band bietet 2 Taufreden, 4 Traureden und 2 Dispositionen für Traureden. Daneben werden 4 Reden Schleiermachers zur Vorbereitung auf das Abendmahl dokumentiert. Der Band wurde nach Vorarbeiten, die bis 2003 zurückreichen, in weniger als zwei Jahren von einem Herausgeberteam erarbeitet, in denen neue und erfahrene Editoren offenkundig sehr gut zusammengearbeitet haben. Das Resultat kann sich sehen lassen und setzt die Herausgabe der Predigten in hervorragender Weise fort.
Der letzte hier anzuzeigende Band bietet die Predigten Schleiermachers aus seinem letzten Lebensjahr 1833–1834. In diesem Zeitraum hielt Schleiermacher 55 reguläre Gemeindepredigten, von denen 50 überliefert sind. In den Frühpredigten um 7.00 Uhr setzte er seine Markus-Homilien fort, die er im August 1831 begonnen hatte. Im Hauptgottesdienst um 9.00 Uhr predigte er 1833 über Themenreihen wie »den allgemeinen Beruf des Erlösers auf Erden«, einzelne Aussprüche des Erlösers, die besonderer Auslegung bedürfen, und, in acht Hauptpredigten, über die Selbstverleugnung, die Liebe, den Reichtum, die Kraft des Geistes, Selbsterhöhung bzw. Selbsterniedrigung, Gebetserhörung und die Rechenschaft über unnütze Worte. Schleiermachers letzte Predigt war eine im Frühgottesdienst am 2. Februar gehaltene Markus-Homilie über Mk 14,1–26. Am 7. Fe­bruar musste er wegen Erkrankung seine Dienstgeschäfte ruhen lassen, am 12. Februar 1834 starb er an einer Lungenentzündung in seiner Berliner Wohnung. Der von Meckenstock vorzüglich edierte Band bietet neben den genannten Predigten 11 Predigtentwürfe zwischen 1801 und 1815, die sich nicht genau zuordnen lassen, sowie eine Grabrede auf Solger von 1819. Nach den üblichen Verzeichnissen werden im Anhang über 70 Seiten Addenda und Corrigenda zu den Bänden 1–13 der III. Abteilung geboten. Das letzte Stück ist ein Nachtrag zu Band 3, ein Krankensaal-Vortrag Schleiermachers in der Charité vom 13. Januar 1801 über 1Kor 11,28–29 (»Ueber den Genuß des Abendmahls auf dem Krankenbette«), der dem Herausgeber nach Abschluss der Drucklegungsarbeiten mitgeteilt wurde. Durch diese Nachträge und Korrekturen gewinnt dieser Band besonders Gewicht für die ganze Predigtedition. Er sollte beim Gebrauch der Predigtbände jeweils konsultiert werden.
III: 2016 wurde in der IV. Abteilung als KGA IV/3 der erste Band von Schleiermachers Übersetzung der Werke Platons publiziert, verantwortet von Lutz Käppel und Johanna Loehr unter Mitwirkung von Günther Male. Er umfasst neben Schleiermachers Vorreden und Einleitungen die Dialoge Phaidros, Lysis, Protagoras und Laches, und zwar jeweils in der ersten und zweiten Auflage. Gemäß den für diese Abteilung geltenden Regeln werden neben den in den Druck gegebenen Übersetzungen auch die zugehörigen Manuskripte und die der Übersetzung zugrunde liegende Textvorlage in der Originalsprache mitgeteilt. Auf jeder Doppelseite finden sich so vier parallele Spalten (mit den jeweiligen Anmerkungen), nämlich der griechische Text, die erste handschriftliche Fassung der Übersetzung (soweit vorhanden), die Übersetzung der 1. Auflage von 1804 und die Übersetzung der 2. Auflage von 1817. Das erlaubt, die Entwicklung der Übersetzung detailliert nachzuvollziehen und sie an jedem Punkt am Originaltext zu überprüfen. Auch wenn die Bände damit sehr umfangreich werden, ist das eine editorisch glückliche Lösung eines schwierigen Problems. Damit steht ein ideales Arbeitsmittel zur Verfügung, um sich historisch, philologisch und kritisch mit Schleiermachers Platonübersetzung auseinanderzusetzen. Die ausführliche Einleitung der Bandherausgeber tut dazu das Ihre. Sie bietet einen konzisen Überblick über die komplizierte Geschichte des Übersetzungsprojekts, den ursprünglichen Versuch einer gemeinschaftlichen Übersetzung mit Friedrich Schlegel, der im Juni 1803 abgebrochen wurde, die dann von Schleiermacher allein bei G. A. Reimer publizierte 1. Auflage des ersten Bandes der Übersetzung von 1804, die spärlichen Reaktionen und Rezensionen dieses Werkes und die Entstehung der 2. Auflage von 1817. Diese basierte anders als die 1. Auflage auf der seit 1816 erscheinenden Neuedition der platonischen Werke durch Immanuel Bekker, mit dem Schleiermacher eng zusammenarbeitete. Ausführlich werden die Handschriften zu den vier Dialogen dieses Bandes beschrieben (XLIII–LXXXV). Der Editorische Bericht bietet alle nötigen Informationen über die Textgestaltung und die Druckgestaltung dieses Pilot-Bandes. Auch wenn an seiner Erarbeitung viele Personen beteiligt waren, ist das Ergebnis in jeder Hinsicht überzeugend. Wer sich künftig mit Schleiermachers Platonübersetzung befassen will, muss von diesem gelungenen Band Gebrauch machen. Das gilt ebenso für alle, die am Verständnis von Platons Dialogen oder an Fragen der Übersetzung platonischer Texte ins Deutsche interessiert sind. Der Band lässt keine Wünsche offen, es sei denn den einen: dass der zweite Band bald folgen möge.
IV: In der V. Abteilung ist 2017 der 1. Kommentarband zum Briefwechsel 1808–1810 (Briefe 2598–3560) erschienen. Er wurde von Sarah Schmidt unter Mitwirkung von Simon Gerber erarbeitet. Seit 2012 werden in dem von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften geförderten Projekt »Friedrich Schleiermacher in Berlin 1808–1834. Briefwechsel – Tageskalender – Vorlesungen« für den Briefwechsel nur noch reine Textbände erarbeitet. Die his­torische Einführung, Sachapparat und Register werden außerhalb des Akademievorhabens in selbständigen Kommentarbänden pu­bliziert, gefördert durch die von der Union evangelischer Kirchen in der EKD 2004 gegründete EKU-Stiftung (Lutherstadt Wittenberg). Das ist keine glückliche, aber eine praktische Lösung. Zwar muss man künftig stets mehrere Bände konsultieren, wenn man mit den Briefbänden ab 1808 arbeitet. Aber die separaten Kommentarbände bieten auch Vorteile gegenüber der integralen Präsentation der nötigen Informationen in einem Band. Der vorliegende Kommentarband bezieht sich auf die beiden Textbände KGA V/10 und KGA V/11. Der Band wird eröffnet mit einem Verzeichnis der Briefkorrespondenz für die Jahre 1808–1810. Die Historische Einführung bietet eine Übersicht zu Leben und Werk Schleiermachers von Januar 1808 bis Dezember 1810. Danach werden in alphabetischer Reihenfolge biographische Informationen zu den Briefpartnern Schleiermachers geboten, wo immer möglich mit einem Handschriftenexempel als Faksimile (85–260). Der daran anschließende Hauptteil des Bandes besteht in einem Stellenkommentar zu den einzelnen Briefen (261–630). Ein Abbildungsverzeichnis, Ergänzungen und Korrekturen zu KGA V/10 und KGA V/11, ein Literaturverzeichnis und ein ausführliches Register der Namen und Werke beschließen den Band. Die parallele Arbeit an der Publikation der Texte und der Erstellung des Kommentars führte immer wieder zu Korrekturen und verbesserten Lesarten der schon publizierten Briefe. Diese Änderungen werden im Stellenkommentar jeweils vermerkt. Auch aus diesem Grund ist der vorliegende Band für die Arbeit mit den Briefbänden unerlässlich. Nach Abschluss der Satzarbeiten wurden neun weitere Briefe aus diesem Zeitraum gefunden, die in KGA V/12 gedruckt werden und deren Kommentar im 2. Kommentarband erscheinen wird.
Trotz aller Finanzierungsschwierigkeiten, die in den Einleitungen der verschiedenen Bände in unterschiedlicher Deutlichkeit angesprochen werden, macht die Edition von Schleiermachers Werken gute Fortschritte. Man kann den vielen Mitwirkenden zu ihrer herausragenden Arbeit nur gratulieren. Es bleibt zu hoffen, dass die Edition auch in den nächsten Jahren so mustergültig weitergeht.