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Ausgabe:

Januar/2000

Spalte:

69–72

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Marshall, I. Howard, and David Peterson [Eds.]

Titel/Untertitel:

Witness to the Gospel. The Theology of Acts.

Verlag:

Grand Rapids: Eerdmans 1998. XV, 610 S. gr.8. Kart. $ 45.-. ISBN 0-8028-4435-9.

Rezensent:

Friedrich Wilhelm Horn

Dieser Sammelband enthält insgesamt 25 Beiträge zur Theologie der Apostelgeschichte und versteht sich als Ergänzung zu dem auf sechs Bände angelegten, von Bruce W. Winter im gleichen Verlagshaus herausgegebenen Projekt The Book of Acts in its first Century Setting. Die ersten fünf von sechs geplanten Bänden sind seit 1993 erschienen. Als sechster Band war unter der Herausgeberschaft von I. H. Marshall und D. Peterson vorgesehen: The Book of Acts in its Theological Setting bzw. The Book of Acts and its Theology. Weshalb erklären nun die Hgg. imVorwort (XV) des zu besprechenden Werks: "Alongside this work there seemed to be scope for a book which would offer a comprehensive survey of the theology of Acts"? Ist mit dieser Auskunft der Plan eines sechsten Bandes in The Book of Acts in its first Century Setting aufgegeben worden?

In der Anlage und Durchführung jedenfalls gleicht dieses zu besprechende Buch den bislang erschienenen fünf Bänden bis ins Schriftbild, so dass die Vermutung nicht abwegig ist, dass dieses Buch der ursprünglich vorgesehene sechste Band ist. Die einzelnen Beiträge gehen zurück auf eine Konferenz in Tyndale House im Jahr 1995, sie wurden für die Drucklegung überarbeitet. Jeder Beitrag wird durch ein knappes Summary eingeführt.

Die Herausgeber haben sich grundsätzlich für eine thematische Dreiteilung mit folgenden Beiträgen entschieden:

Introduction

1 How does one write on the Theology of Acts (Howard Marshall)

Part I: The Salvation of God

2 The Plan of God (John T. Squires)

3 Scripture and the Realisation of God’s Promises (Darrell Bock)

4 Salvation-History and Eschatology (John Nolland)

5 Salvation to the End of the Earth: God as the Saviour in the Acts of

the Apostles (Joel B. Green)

6 The Divine Saviour (H. Douglas Buckwalter)

7 The Need for Salvation (Christoph Stenschke)

8 Salvation and Health in Christian Antiquity: The

Soteriology of Luke-Acts in its first Century Setting (B. Witherington III)

Part II: The Call of God

9 The Role of the Apostles (Andrew Clark)

10 Mission and Witness (Peter Bolt)

11 The Progress of the Word (Brian Rosner)

12 Opposition to the Plan of God and Persecution (Brian Rapske)

13 The Preaching of Peter in Acts (Hans F. Bayer)

14 The Speech of Stephen (Heinz-Werner Neudorfer)

15 The Preaching and Defence of Paul (G. Walter Hansen)

Part III: The Renewing Work of God

16 The ’Spirit of Prophecy’ as the Power of Israel’s Restoration and

Witness (Max Turner)

17 The New People of God (David Seccombe)

18 The Worship of the New Community (David Peterson)

19 The Christian and the Law of Moses (Craig Blomberg)

20 Mission Practice and Theology under Construction (Acts 18-20)

(Philip H. Towner)

21 Israel and the Gentile Mission in Acts and Paul:

A Canonical Approach (Robert Wall)

22 Sociology and Theology (Stephen C. Barton)

23 The Influence of Jewish Worship on Luke’s Presentation

of the Early Church (Brad Blue)

24 Reciprocity and the Ethic of Acts (Brian Capper)

Concluscion

25 Luke’s Theological Enterprise: Integration and Intent

(David Peterson)

Dem Band ist eine detaillierte List of Contributors (XI-XIV) vorangestellt. Sie zeigt auch, dass nicht alle Mitarbeiter bisher an der Acta-Forschung beteiligt waren, sondern andere Schwerpunkte in der exegetischen Arbeit hatten. Der Band wird abgeschlossen durch eine ausführliche, alle Einzelbeiträge berücksichtigende Bibliographie (545-576), und durch ein Namen-, Sach- und Stellenregister (577-610). Letzteres führt allerdings bedauerlicherweise ausschließlich die Biblical References in eigenartiger Reihenfolge auf, obwohl Lukas durchgehend an das hellenistische Judentum angebunden wird.

Der gegenwärtige Ausgangspunkt zur Erfassung der lukanischen Theologie liegt nicht mehr in einer kritischen Auseinandersetzung mit H. Conzelmann und Ph. Vielhauer (8), deren Namen im Index symptomatisch fehlerhaft wiedergegeben werden (574.578.583). Unter den Forschern der zurückliegenden Zeit wird J. C. O’Neill und sein in zwei Auflagen erschienenes Werk The Theology of Acts in its Historical Setting, London 1961, 2nd edn. 1970, insbesondere und mehrfach erwähnt (vor allem 8-11). Mit diesem forschungsgeschichtlichen Verweis ist jedoch auch ein Grundsatzproblem angesprochen, welches das vorliegende Buch durchgehend begleitet. Conzelmann hatte beide Auflagen des Werks von O’Neill rezensiert und die Möglichkeit der Darstellung einer Theologie der Apostelgeschichte (ohne Berücksichtigung des Lukasevangeliums und des beiden Werken zugrunde liegenden Geschichtsbildes) abgelehnt. M. findet nun für sich und für die Bearbeiter (vgl. etwa auch die Schlussbemerkungen von Peterson 522) die etwas sibyllinisch anmutende Vorgabe: "we would claim that Acts is the intended sequel to the Gospel and that, while it is proper to consider its theology separately from that of the Gospel, it should not be considered in isolation from it" (16). Oder an anderer Stelle: "that in general the contributors share the view that Acts is to be understood as the second volume of the two-part work Luke-Acts" (15). Ist dann aber das Unternehmen "The Theology of Acts" - so der Untertitel - noch zu rechtfertigen? Ist nicht der auf dem Colloquium Biblicum in Leuven 1998 beschrittene Weg, nach "der Einheit von Lukasevangelium und Apostelgeschichte" zu fragen, der sachgemäßere Weg?

M. entwirft eine Zusammenstellung von zehn Aspekten, die ein Bearbeiter der Theologie der Apg beständig bedenken sollte (14 f.). M. fragt vor allem nach dem kirchlichen Hintergrund des Lukas, nach weiteren Einflüssen im Bereich des hellenistischen Judentums und des römischen Reichs auf ihn, nach seiner Absicht und der Gattung seiner Schreiben, nach seinem Verhältnis zum Frühchristentum und zum Alten Testament, nach der Stellung der Apg im lukanischen Gesamtwerk, nach theologischen Themen in seiner Theologie und schließlich nach dem Verhältnis des gegenwärtigen Lesers zur Apg. Es ist offenkundig, dass Lukas konsequent aus seiner Zeit heraus und von seinem Anliegen her interpretiert werden soll. Ph. Vielhauer hatte seinerzeit die theologischen Themen, an denen Lukas gemessen werden sollte, in einem kritischen Vergleich mit Paulus gefunden und von hier aus Lukas ausgelegt bzw. angeklagt. Diese von Ph. Vielhauer benannten Themen (natürliche Theologie, Gesetz, Christologie, Eschatologie) spielen in diesem Buch keine dominierende Rolle mehr, ja sie scheinen mir zu massiv zurückgedrängt worden zu sein. Immerhin stellten sie einen scharfen, wenn auch gelegentlich heuristischen Blickwinkel zur Erfassung der lukanischen Theologie dar. Die Areopagrede (Apg 17) hätte schon eine eingehende Würdigung verdient gehabt. Die von den Hgg. entworfene thematische Dreiteilung wirkt hier möglicherweise begrenzend oder einengend. Bei der Lektüre der einzelnen Beiträge drängt sich andererseits der Eindruck auf, dass die von M. angesprochenen Aspekte nicht tiefschürfend beachtet worden sind. Die Bezüge zum hellenistischen Judentum werden wohl vermerkt, kaum aber zur römischen Umwelt. Sodann erscheint mir die literaturgeschichtliche Betrachtung des Doppelwerks nur ansatzweise im Blick zu sein. E. Plümachers wesentliche Arbeiten sind an keiner Stelle bedacht worden.

Die einzelnen Beiträge können hier nicht eingehend besprochen werden. Sie unterscheiden sich in methodischer Hinsicht, insofern thematische, narrative oder auch biblische Zugänge gesucht werden. Ein durchgängig nicht zu übersehender biblical approach zu den Texten und Themen ist freilich bestimmend, führt allerdings oft zu Verallgemeinerungen. So schreibt etwa Ch. Stenschke zur lukanischen Anthropologie, "that Luke’s anthropology is not as different from other NT views of people as it has been made out to be. This study also suggests that Luke’s anthropology is entrenched in the OT" (144). Andererseits unterbreiten einzelne Bearbeiter eigenwillige Positionen, die dem Projekt "Theologie der Apg" schwer zuzuordnen sind.

H.-W. Neudorfer etwa erkennt in der Stephanusrede eine verkürzte Fassung der historischen Rede, die also verlässliche Informationen bietet. Er verweist für den Stephanuskreis auf den Hintergrund des hellenistischen Judentums und erneuert seine Vermutung, dass Stephanus Alexandriner gewesen sei (292). Die mögliche Bedeutung der Stephanusrede im Kontext des Doppelwerks wird hingegen nur kurz bedacht. R. Wall reklamiert für Römer 9-11 und Apg einen geistlichen Israelbegriff, demzufolge jegliches ethnisches Verständnis von Israel aufgegeben wird (437).

David Peterson fasst wesentliche Ergebnisse zusammen und versucht, Luke’s Theological Enterprise neu zu bestimmen: "The conclusion is reached that Acts is primarily a work for the encouragement of believers, offering them at the same time a confident basis from which to address their contemporaries" (521). Jegliche, über diesen binnenkirchlichen Zweck hinausgehenden Zielsetzungen wie etwa die politische Apologetik (532f.), werden zurückgedrängt. Die Apg wird vorgestellt als "a work of edification", wobei in nicht wenigen Beiträgen diese für Lukas postulierte Absicht durch den Aufweis großer historischer Treue in seinem Werk untermauert werden soll. Wesentlich ist der Leitgedanke eines göttlichen Heilsplans in Verbindung mit dem Erlösungsgeschehen in Christus. Wenn auch die Möglichkeit, die Theologie der Apostelgeschichte in ihrer Vielgestaltigkeit mit 25 Einzelbeiträgen zu erfassen, als relativ groß erscheint, so bleibt nach der Lektüre des Bandes der Eindruck, dass wohl vieles narrativ wiedergegeben und die Verbindung von Heilsplan und Erlösung durchgehend in den Mittelpunkt gerückt, aber nicht das zukünftige Standardwerk zur lukanischen Theologie vorgelegt worden ist. War bei Vielhauer der Vergleich mit Paulus theologisch erhellend, aber für Lukas seinerzeit tödlich, so empfindet der Leser die relative Binnenperspektive auf die Apg, die von einer Vernachlässigung der literaturgeschichtlichen, religionsgeschichtlichen und frühchristlichen theologischen Aspekte begleitet wird, in dem von M. und P. herausgegebenen Werk als Engführung.