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Ausgabe:

September/2018

Spalte:

913–914

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Handbuch der deutschen evangelischen Kirchen 1918 bis 1949. Organe – Ämter – Personen. Bd. 2

Titel/Untertitel:

Landes- und Provinzialkirchen. Bearb. v. K.-H. Fix, C. Nicolaisen u. R. Pabst.

Verlag:

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2017. 721 S. = Arbeiten zur Kirchlichen Zeitgeschichte. Reihe A: Quellen, 20. Geb. EUR 100,00. ISBN 978-3-525-55794-5.

Rezensent:

Albrecht Beutel

Der erste Band dieses Handbuchs, der die überregionalen Einrichtungen der deutschen evangelischen Kirchen zwischen 1918 und 1949 tiefenscharf zugänglich machte, erschien 2010 (vgl. ThLZ 136, 2011, 169–171) und ist als ein basales historiographisches Werkzeug längst etabliert. Ihn ergänzt der nun vorliegende zweite Band des Handbuchs um ein ebenso mustergültiges Verzeichnis der Organe, Ämter und Personen in den 55 evangelischen Landes- und Provinzialkirchen desselben Zeitraums. Dieser erstreckt sich von dem am Ende des Ersten Weltkriegs eingetretenen Zusammenbruch des landesherrlichen Kirchenregiments über die Ära der Weimarer Republik und die Dauer der nationalsozialistischen Herrschaft bis zur zweifachen deutschen Staatsgründung im Herbst 1949. Bei der Erfassung der evangelischen Kirchentümer blieb ohne Belang, ob diese sich dauerhaft oder nur zeitweise auf dem Territorium des Deutschen Reiches befanden, so dass in der trauten alphabetischen Ordnung etwa Elsass-Lothringen neben Eutin, Memel neben Nassau, Schlesien neben Schleswig-Holstein oder Westpreußen neben Württemberg zu stehen kommen.
Das analoge Gliederungsverfahren erleichtert die Orientierung. So beginnt jeder Artikel mit einleitenden Angaben zu der territorialen Ausdehnung, den Mitgliederzahlen und verfassungsmäßigen Strukturen sowie den im Berichtszeitraum eingetretenen institutionellen Veränderungen der betreffenden Landes- oder Provinzial-kirche. Dann wird nacheinander das Personal der kirchenleitenden Organe, der Verwaltungsbehörden sowie der übrigen kirchlichen Ämter und Einrichtungen, übrigens erstmals auch der landeskirchlichen Sonderpfarrämter, in erstrebter Vollständigkeit aufgeführt. Besonders verdienstvoll ist hierbei die umfassende, präzise Rubrizierung der kirchenpolitischen Gruppierungen, die sich während des 1933 einsetzenden innerprotestantischen Kirchenkampfes ausbildeten und behaupteten, und dies nicht allein in der raumfüllenden Präsenz der »Deutschen Christen« und der »Bekennenden Kirche«, sondern manchmal, namentlich in Sachsen, dazu auch in Gestalt von »Mittelgruppen« (vgl. 492–494), während die darin versammelten so­genannten Neutralen, denen man wahrscheinlich die Mehrzahl der damaligen evangelischen Pfarrer wird zurechnen können, in den meisten Landeskirchen gar nicht organisiert waren. Darüber hinaus bietet der »Anhang« (648–650) erstmals eine systematische Auflistung der evangelischen Disziplinar- und Rechtsgremien jener Zeit.
Wie viel Mühe, Ausdauer und Findigkeit erforderlich waren, um dieses einzigartige Handbuch zu erstellen, wird selbst derjenige, der bisweilen die Felder der Kirchlichen Zeitgeschichte beackert, kaum zureichend würdigen können. Mit dem an der Münchener Forschungsstelle für Kirchliche Zeitgeschichte als Wissenschaftlicher Mitarbeiter tätigen Karl-Heinz Fix, dem im April 2017 verstorbenen früheren Vorsitzenden der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte Carsten Nicolaisen und der vormaligen Archivarin am Berliner Evangelischen Zentralarchiv Ruth Pabst waren drei vielfach ausgewiesene Experten am Werk. Ihre umfassende Bestandsaufnahme ging von den Angaben der Kirchlichen Jahr- und Adressbücher aus, ergänzte die dort verfügbaren Daten jedoch um ausgreifende systematische Recherchen in verschiedenen Archiven, Periodika, Synodalprotokollen sowie aus der einschlägigen Forschungsliteratur und dem Rat entsprechender Spezialisten. Dass dabei immer wieder auch datenbezogene Widersprüche zu klären und Unrichtigkeiten zu korrigieren waren, blieb nicht aus und lässt den vorgelegten Ergebniswert umso höher erscheinen.
Der umfangreiche, 71 zweispaltig bedruckte Seiten füllende »Index der Personen« (651–721) ist unentbehrlich und erheischt respektvolle Anerkennung. Wenn Vornamen nicht zu ermitteln waren oder die Namensgleichheit verschiedener Personen auftrat – so ist etwa »Erich Meyer« oder »Wilhelm Müller« jeweils vierfach besetzt –, helfen hinzugefügte Landeskirchen- oder Berufsangaben zur Orientierung.
Zusammen mit dem ersten Band des Handbuchs sowie dem 2006 erschienenen »Personenlexikon zum deutschen Protestantismus 1919–1949« liegt damit ein klassisches historiographisches Hilfsmittel bereit. Es wird sich schon bald als unentbehrlich erweisen und in seiner eminenten wissenschaftlichen Nutzbarkeit zweifelsfrei eine Bestandsdauer erreichen, von der die meisten Monographien zur Kirchlichen Zeitgeschichte in Deutschland kaum zu träumen wagen.