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Ausgabe:

Juli/August/2018

Spalte:

822–823

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Nauer, Doris

Titel/Untertitel:

Gott – Woran glauben Christen? Verständlich erläutert für Neugierige.

Verlag:

Stuttgart: Kohlhammer Verlag 2017. 239 S. m. 115 Abb. u. 1 Tab. Kart. EUR 25,00. ISBN 978-3-17-030936-4.

Rezensent:

Fabian Vogt

Die praktische Theologin Doris Nauer hat Martin Luthers große Sehnsucht nach verständlicher Vermittlung des Evangeliums ernst genommen und im Jubiläumsjahr ein anregendes Buch für Neugierige veröffentlicht: »Gott – Woran glauben Christen?« Darin führt sie in die verschiedenen Spielfelder der Theologie ein und macht deutlich, wieso die angesprochenen Themen den Lebenskontext heutiger Menschen betreffen: »Geklärt werden muss […], was Menschen vor 2000 Jahren mit diesen Begrifflichkeiten inhaltlich ausdrücken wollten und welche Bedeutung dies für unseren Glauben heute haben könnte.« (10)
Der charmante Parforceritt durch die Kernfragen des Glaubens läuft entlang gängiger Gottesbilder, die jeweils zum Ausgangspunkt für weiterführende Gedanken werden. So behandelt N. etwa anhand des »Allmächtigen Schöpfers« die Schöpfungstheologie, anhand des »Tatkräftigen Befreiers« die Exodus-Geschichte, anhand des »Treuen Bundespartners« die Bundestheologie und anhand des »Einzigen Jahwe« die Entwicklung des Monotheismus. Das heißt: Jeder »Titel« Gottes dient als anschauliche Eingangstür ins Thema und hilft bildhaft, komplexe Fragen zu verdeutlichen.
Erfreulich ist dabei, dass N. keineswegs vor »negativen« Vorstellungen wie etwa dem »Zornigen Richter« zurückschreckt, das uns deutlich mache, dass die Menschen es eben auch mit einem fordernden Gott zu tun haben. Und angesichts des »Gewalttägigen Kriegers« fragt sie sehr offen: »Glauben Juden und Christen tatsächlich an einen Gott, der Kriege gegen ganze Völker führt, Menschen gnadenlos abschlachtet […] und dabei selbst das Schwert schwingt?« (58) Ihre Antwort darauf: Weil viele der erzählten Gräueltaten historisch so gar nicht passiert seien, gehe es in den Ge­schichten um etwas ganz anderes: »Unter der Oberfläche kriegerischer Erzählungen verbirgt sich […] die unblutige Botschaft, dass Jahwe […] allen Kriegsgöttern und kriegerischen Nachbarnationen […] weit überlegen ist.« (60)
Schon in der Einleitung weist N. übrigens darauf hin, dass der von ihr gewählte Zugang über die Vielfalt der Gottesbilder zugleich für eine Pluralität der Gotteswahrnehmungen stehe, die man nur gutheißen könne – weil sie vor Verallgemeinerungen schützt und verdeutlicht, dass wir das Geheimnis Gottes nie endgültig ergründen werden: »Weil Gott GOTT ist, ist zu erwarten, dass all unsere Versuche, ihn begrifflich erfassen und begreifen zu wollen, niemals das erhoffte Ergebnis liefern werden.« (206) Nicht ganz nachvollziehbar ist allerdings, warum diese schöne Struktur der Gottesbilder im zweiten Teil, in dem es um Jesus geht, plötzlich aufgebrochen wird. Hier heißen die Kapitel deutlich prosaischer »Person contra Mythos«, »Provokationen« oder »Gescheitert am Kreuz«.
Dennoch entsteht in »Gott – Woran glauben Christen?« aus den bunten Mosaiksteinen der unterschiedlichen Zugänge nach und nach ein faszinierendes Bild davon, wie man aus den biblischen Überlieferungen die Leitgedanken des Glaubens ableiten kann – und wie die Reich-Gottes-Botschaft aussieht, die Jesus der Welt verkünden wollte. Einen Schwerpunkt setzt N. dabei auf die weiblichen Seiten Gottes, indem sie etwa die »Tröstende Mutter« vorstellt, die feminine Konnotation des Heiligen Geistes aus der »Ruach« erläutert oder die mangelnde Gleichberechtigung der Frau in der katholischen Kirche kritisiert. Doch diese Zuspitzungen passen sich auf nachvollziehbare Weise in das Gesamtkonzept ein.
Achtsam sollte man allerdings mit dem Untertitel sein, der ja verheißt, Glaube werde »verständlich erläutert für Neugierige«. Unklar ist nämlich, wie der Begriff »Neugierige« hier genau gedeutet wird. Nach der Lektüre ist zumindest einsichtig, dass nicht einfach Menschen gemeint sein können, die sich allgemein für Glauben interessieren, weil bei aller Elementarisierung doch eine Menge Vorwissen gefragt ist. So sollte man als Leserin oder Leser nicht nur mit den biblischen Geschichten vertraut sein, auch Grundkenntnisse über die Reichsteilung Israels oder das Wesen der Gnosis werden vorausgesetzt.
So heißt es zum Beispiel: »Im Abraham-Mythos […] werden Ur-Erfahrungen mit Gott in erzählbare Geschichten verdichtet. Er­zählt wird, dass auf Gott Verlass ist, denn: Wenn Gott z. B. der unfruchtbaren Sahra in hohem Alter ein Kind verspricht, dann wird diese ein Kind gebären.« (53 f.) Allerdings: Wer diese Sahra überhaupt ist und was sie mit Abraham zu tun hat, wird mit keinem Wort erwähnt.
Für den fachfremden Neugierigen sind zudem vermutlich we­der der ausführliche Fußnotenapparat noch die 21 Seiten kleingedruckter Literaturangaben, die schlichten Schaubilder oder die vielen Zitate anderer Theologinnen und Theologen wirklich von Interesse. Da wollte N. ihren akademischen Stand nicht verleugnen, der auch dann erkennbar wird, wenn sie in Exkursen Spezifika verhandelt, die doch eher etwas für weitergehende Interessen sind: die Rolle der Göttin Aschera im Alten Israel, die verschiedenen Landnahme-Theorien oder das genaue Verhältnis zwischen Jesus und Johannes dem Täufer.
Wer die genaue Zielgruppe dieses Buches ist, wird deutlich, wenn man weiß, dass N. Professorin für Diakonische Theologie und Pastoraltheologie an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Vallendar ist: Sie nimmt nämlich sowohl im Vorwort als auch im Schlussteil ausdrücklich Bezug auf die Diakonie und die Caritas. Geschrieben ist »Gott – Woran glauben Christen?« also vor allem für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Gemeinden und diakonischen Einrichtungen, die lernen möchten, was der geistliche Hintergrund ihrer jeweiligen Institutionen ist, damit auch »christlich drin ist, wo christlich drauf steht« (214 – sic!). Nach der Lektüre sollten sie es wissen.