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Ausgabe:

Juli/August/2018

Spalte:

818–820

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Molnar, Paul D.

Titel/Untertitel:

Divine Freedom and the Doctrine of the Immanent Trinity. In Dialogue with Karl Barth and Contemporary Theology. 2. Aufl.

Verlag:

London u. a.: Bloomsbury T & T Clark 2017. 544 S. Kart. £ 32,99. ISBN 978-0-567-65679-7.

Rezensent:

Yong Seuck Cho

Paul D. Molnar ist Professor für Systematische Theologie an der St. John’s Universität in New York. Divine Freedom and the Doctrine of the Immanent Trinity von 2017 ist eine Überarbeitung der ersten Ausgabe von 2002. Diese Ausgabe enthält nicht nur ein neues Vorwort und eine neue Einleitung sowie eine aktualisierte Bibliographie, denn sie ist durchgängig überarbeitet worden. Außerdem enthält sie das neuverfasste Kapitel »Reconsidering divine freedom«. Als katholischer Theologe, der die Bedeutung der Theologie Karl Barths für die Moderne herausstellen möchte, zielt M. auf eine Neubegründung der Gotteslehre im Horizont der Trinitätslehre ab. Sein Dialog mit Barth dient ihm dazu, eine kritisch-konstruktive Perspektive auf die Theologie der Moderne zu gewinnen. (Parallel zum Denken Karl Barths rezipiert er nun allerdings auch verstärkt Gedanken Eberhard Jüngels zur Trinität.)
Im Zentrum seiner Ausführungen steht die Verhältnisbestimmung zwischen immanenter und ökonomischer Trinität. Durch seine Analyse verschiedener Entwürfe gegenwärtiger Theologie zeigt er, warum gerade die Lehre der immanenten Trinität für die Theologie unverzichtbar ist. Denn ohne sie, so lautet seine Zentralthese, würde das, was über Gott gesagt wird, lediglich zu einem Versuch, theologische Kategorien aus den religiösen Erfahrungen des Menschen abzuleiten, was Theologie in Anthropologie überführte. Für M. hat niemand in der modernen Theologie die Bedeutung dieser Wahrheit besser als Barth erkannt und daraus dann auch die richtigen Konsequenzen gezogen.
M.s Kernthese lautet darum: (1.) Nur durch die immanente Trinitätslehre, die die göttliche Freiheit anerkennt und achtet, kann auch in einem zweiten Schritt die menschliche Freiheit in der göttlichen Freiheit begründet werden. (2.) Es geht jedoch nicht um eine absolute Trennung (»seperation«) zwischen immanenter und ökonomischer Trinität, sondern um ihre bewusste und scharfe Unterscheidung (»distinction«), um so die Gnade Gottes wahrhaft als freie Gnade verstehen zu können. (3.) Die immanente Trinität gründet nicht in der ökonomischen Trinität, weil vielmehr die ökonomische Trinität als die freie Manifestation des Willens des ewigen dreifaltigen Gottes in der Heilsgeschichte zu betrachten ist .
Daher vertritt M. die Auffassung, dass Gottes innere Bezie-hungen nicht auf seine Beziehung zu uns als Schöpfer, Versöhner und Erlöser reduziert werden dürfen, insofern Gott in seiner Offenbarung unveränderlich bleibt. Zugleich ermöglicht dieses Gottesverständnis es, etwas Positives über Gott und Gottes Beziehungen zu uns in der Geschichte zu äußern, ohne auf ein weltliches Gottesbild, das abhängig von der Geschichte oder unseren Erfahrungen ist, zu­rückzugreifen. Die immanente Trinität dient dem Schutz der göttlichen Freiheit, da für ihn die menschliche Freiheit nur im Licht der Freiheit Gottes verstehbar ist. Um seiner These Plausibilität zu verschaffen, setzt er sich kritisch mit neueren Konzeptionen der Gotteslehre auseinander.
Im Folgenden seien nun M.s vier zentrale Kritikpunkte an der gegenwärtigen Theologie dargestellt. Diese Abwege der Theologie deutet er als eine unvermeidliche Konsequenz der Verwechslung von immanenter und ökonomischer Trinität, die zudem eine ge­fährliche Ideologisierung der Theologie bewirkt: (1.) Es ist ein Irrweg, dass Gott einzig im Horizont der Geschichte, die dann als Of­fenbarungsgeschichte gilt, zu denken ist. (2.) Christologisch gesehen ist es falsch, Jesus auf die menschlichen Daseinsbedingungen zu reduzieren, da dann nur noch eine humanistische Jesulogie übrigbleibt. (3.) Das Unvermögen, den Heiligen Geist vom menschlichen Geist zu unterscheiden, führt tendenziell quasi zu ihrer Identität. (4.) Die Tendenz, mit Erfahrungen der menschlichen Selbsttranszendenz die Theologie zu begründen, macht den Menschen zum Maß Gottes. (Molnar kritisiert die aktuelle Theologie, indem er sie in die Tradition zweier Häresien stellt, denn für ihn wird entweder eine ebionistische oder doketische Christologie vertreten (45–88). Die genannten vier Einwände konkretisiert er durch seine Kritik an Theologen, die für bestimmte Fehler repräsentativ sind: Den ersten Kritikpunkt verkörpert Wolfhart Pannenberg, für den zweiten stehen Paul Knitter und John Hick; diese sind für Molnar zeitgenössische Beispiele der ebionistischen Christologie. Für den dritten Kritikpunkt ist Gordon Kaufmann repräsentativ und für den vierten Karl Rahner, diese Positionen ordnet er der doketischen Christologie zu.)
Meines Erachtens ist M.s Argumentation ein Versuch, der Ideologisierung des Evangeliums zu entgehen, um so jegliche Verabsolutierung der Perspektive der menschlichen Erfahrung zu vermeiden, wozu die Ausrichtung am offenbarten Wort Gottes im Rahmen einer trinitarischen Gotteslehre notwendig ist. Anzuerkennen ist, dass sein Insistieren auf der immanenten Trinität um der göttlichen Freiheit willen uns von einem illusionären Selbstvertrauen und dem Hang zur Selbstrechtfertigung befreien kann. Obwohl seine Kritik bedenkenswert ist, muss gegen ihn jedoch eingewendet werden, dass die menschlich-religiöse Erfahrung ein wichtiges Element der Theologie bleiben sollte, insofern sie im Licht des Wortes Gottes wahrgenommen wird. Es scheint jedoch leider aber so zu sein, dass seine Argumentation dazu tendiert, sich nur auf die Relativierung der menschlichen Erfahrung zu konzentrieren.
Abschließend möchte ich einwenden, dass M. die Entwicklung in Barths Denken zu wenig beachtet hat, seine Lektüre konzentriert sich auf dessen Ausführungen zur Sicherung der Gottheit Gottes, weshalb er aber dazu neigt, Barths zweiten Leitgedanken, nämlich die Menschlichkeit Gottes, nicht angemessen zu berücksichtigen.