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Ausgabe:

Juli/August/2018

Spalte:

809–811

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Koziel, Bernd Elmar [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Apologie und Glaubensrechenschaft zwischen Konfrontation und Korrelation. Überlegungen zur Struktur gegenwärtiger Fundamentaltheologie.

Verlag:

Würzburg: Echter Verlag 2017. 432 S. = Fragen der Zeit, 15. Kart. EUR 29,00. ISBN 978-3-429-03974-5.

Rezensent:

Christian König

Dieser gehaltvolle Band vereinigt Symposiumsbeiträge und er-gänzende Aufsätze zum 65. Geburtstag und zur Emeritierung von Wolfgang Klausnitzer. In seinem Vorwort eröffnet der Herausgeber Bernd Elmar Koziel den Horizont des Bandes, indem er die grundlegende Bedeutung der christlichen Apologie im gegenwärtigen theologischen Denken und für das christliche Leben insgesamt herausarbeitet. Die theologisch wahrgenommene Spannung zwischen Konfrontation und Korrelation der christlich-religiösen Apologie besteht ihm zufolge nicht in der Frage, ob der klassische fundamentaltheologische Dreischritt – das Bemühen um Plausibilisierung der christlichen Wahrheit erstens gegenüber dem Atheis mus, zweitens gegenüber anderen Religionen und drittens der katholischen Ausprägung gegenüber anderen Konfessionen – überhaupt noch angemessen ist. Vielmehr gehe es um die Aktualisierung dieses apologetischen Dreischritts angesichts neuer Problemstellungen der Moderne. Eine entscheidende Ergänzung des klassischen apologetischen Dreischritts wird im Band selbst da­durch vorgenommen, indem das apologetische Verfahren mit der Frage nach dem innerkirchlichen Pluralismus ergänzt wurde.
Von zentraler theologischer Bedeutung ist in allen Beiträgen die Hervorhebung der religiösen Authentizität und Grundhaltung, mit der Apologie betrieben wird. Hierdurch entsteht die Idee einer modernen Apologetik, die von der existenziellen Bedeutung des christlichen Glaubens erfüllt ist und sich über den Dialog mit dem Fremden zu bereichern sucht. Moderne Apologetik vollzieht sich, wie der Band eindrucksvoll zeigt, im Spannungsfeld eines auf Wahrheitsfindung ausgerichteten Dialogs, der die Bereitschaft zum (selbst-)kritischen Dialog, die Einsicht in die Geschichtlichkeit der eigenen theologischen Positionen und den Mut zur Um­kehr um der Wahrheit willen von allen apologetischen Gesprächspartnern einfordert.
In seinem Eröffnungsreferat zeigt Hubertus Schönemann, wie sich im Anschluss an den tiefgreifenden Transformationsprozess der Religion in der Postmoderne sowohl ein Wandel in der Bewertung des Religiösen als auch ein Wandel des Religiösen selbst ereignet hat. Dieser Wandel berge zugleich für die moderne christliche Apologie die Chance, nicht nur intellektuell vorzugehen, sondern im Rahmen einer sogenannten Immanenzapologetik ganzheitlich auf die innere Überzeugungskraft und Faszination des christlichen Glaubens zu setzen. Dieser programmatischen Einschätzung sind auch die Einzelbeiträge in den folgenden vier Themengebieten des Bandes verpflichtet.
In dem Themenbereich »Atheismus/Agnostizismus/Naturalismus« stellen Roman A. Siebenrock und Michael Gabler eine mögliche erhellende Funktion des Nicht-Glaubens für den christlichen Glauben dar. Einerseits wird dabei aufgezeigt, dass eine Auseinandersetzung mit dem Nicht-Glauben auf der existenziellen Sicht auf den Menschen gründen müsse. Denn es seien die exis­tenziellen Lebensvollzüge, die ein angemessenes Fundament für die intellektuellen Auseinandersetzungen mit dem Atheismus bereitstellten. Andererseits helfe die Position des Nicht-Glaubenden gegen einen faulen Glauben, der sich vorschnell für abgeschlossen halte. Zentral werden hierbei die positiven Effekte einer gegenseitigen Offenheit des Glaubens und des Nichtglaubens füreinander herausgearbeitet.
In dem Themenbereich »Nichtchristliche Religionen« stellen Franz Gmainer-Pranzl und Dirk Ansorge heraus, dass sich christliche Apologie nicht als Abwehr von Anklagen, sondern vielmehr als Legitimation von Ansprüchen zu verstehen hat. Damit gehe es der modernen Apologie weder um einen Kampf der religiösen Identitäten noch um die Herstellung eines religiösen Konsenses im Sinne des kleinsten gemeinsamen Nenners. Vielmehr müsse sich das Chris-tentum aufgrund seiner Wahrheitsorientierung den Ansprüchen und Fragen der anderen Religionen stellen. Ansorge leitet hieraus die wegweisende These für die moderne Apologetik ab: »Weil Christen aus der Mitte ihres Glaubens Differenz, Alterität und Pluralität wertschätzten, kann und muss ihr praktisches Engagement darauf abzielen, Differenzen zur Geltung zu bringen und Vielfalt zu ermöglichen, totalitären Ansprüchen hingegen entschlossen ent-gegenzutreten.« (163)
Den dritten Themenbereich »(Innerchristliche) Ökumene« erörtern die Aufsätze von Johanna Rahner und Christoph Böttigheimer. Kritisch beurteilt Rahner den gegenwärtigen ökumenischen Dialog. Dieser könne nicht gelingen, wenn die latente Ansicht bestehe, »das je Eigene zum alleinigen Maßstab zu machen« (182). Vielmehr benötige eine erfolgversprechende Ökumene eine Einsicht in die Historizität der eigenen Position und eine »ökumenische Methodologie, die auf eine Kriteriologie setzt, die unterschiedliche Denkformen im Sinne der Komplementarität fruchtbar macht.« (181) Diese Methode sei kein Verzicht auf die Wahrheitsfrage, sondern ermögliche allererst ein erneutes gegenseitiges Wahrnehmen, das mehr darstellt als ein bloßes wechselseitiges Informieren. Böttigheimer zeigt in seinem Aufsatz ergänzend auf, dass im christlichen Traditionsprinzip Potentiale stecken, um die christlichen Konfessionskontroversen auf den Weg eines »ganzheitlichen Überlieferungsverständnisses« (193) zu bringen. Dabei sei es entscheidend, statt eines instruktionstheoretischen von einem kommunikationstheoretischen Offenbarungsverständnis auszugehen. Auf diese Weise kann er zeigen, dass die katholische und die evangelische Theologie ein gemeinsames Verständnis von Bibel und Traditionen verbindet: »Insofern die Tradition ihrem Wesen nach Auslegung der Heiligen Schrift ist, bleibt die Überlieferung der Kirche normativ an die Schrift gebunden und ihr gegenüber verpflichtet. Schrift und Tradition sind weniger eigenständige Prinzipien als vielmehr aufeinander verwiesene Gesprächspartner mit unterschiedlicher Autorität.« (193)
Im letzten Themengebiet »Innerkirchlicher Pluralismus« zeigt Margot Eckholt auf, dass eine christliche Weltkirche einen kreativen Umgang mit Pluralität im lebendigen Diskurs von Ortskirchen und lokalen Theologien braucht. Hierbei können die Kirchen des Nordens von den Kirchen des Südens Kriterien für eine interkulturelle Theologie lernen, die in der Option für die Armen besteht und die zugleich in einem lebendigen Dialog mit anderen religiösen Traditionen steht. Ralf Miggelbrink arbeitet zudem an den Leitideen der communio und der societas heraus, dass kirchlicher Pluralismus kein von außen aufgezwungenes Schicksal bildet, sondern dem Wesen der Kirche entspricht. Diese sei eine Gemeinschaft, die sich gerade aus der Wertschätzung der religiösen Individualität ihrer Mitglieder gesellschaftlich formiert.
Abgerundet wurde das Symposium mit einem Vortrag über C. S. Lewis von Norbert Feinendegen, der sowohl auf die Aktualität des theologischen Denkens von Lewis’ als auch auf die Bedeutung der Sprache hinweist, die die moderne Theologie zu finden hat, um der Aufgabe ihrer intellektuellen Verantwortbarkeit gerecht zu werden.
Des Weiteren enthält der Band das Dankeswort Wolfgang Klausnitzers, das Tagungsresümee von Bernd Elmar Koziel, das Nachwort vom Reihenherausgeber Siegfried Grillmeyer und weitere vier er­gänzende Beiträge, in denen die hochklassigen Tagungsbeiträge gelungene Fortsetzungen und Ergänzungen finden. Ein unverzichtbarer Band für jeden, der sich mit modernen katholisch-apologetischen Fundamentalkonzeptionen auf der Höhe der Zeit und mit Bewusstsein der eigenen Traditionen auseinandersetzen möchte.