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Ausgabe:

Juli/August/2018

Spalte:

751–754

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Sweeney, Marvin A.

Titel/Untertitel:

The Pentateuch.

Verlag:

Nashville: Abingdon Press 2017. XXIX, 144 S. = Core Biblical Studies. Kart. US$ 29,99. ISBN 978-1-42676503-2.

Rezensent:

Eckart Otto

Die Reihe der Core Biblical Studies will, so der Herausgeber der Reihe Louis Stulman, »starting points« für Studierende des Alten Testaments setzen und auch den Lehrenden eine Hilfestellung in der Vermittlung von komplexen Zusammenhängen der Bedeutung biblischer Texte geben. Dabei soll diachron hinter den biblischen Text zurückgefragt werden in die Geschichte seiner Entstehung und gleichzeitig seine Bedeutung synchron erarbeitet und auch noch die Rezeptionsgeschichte in den Blick genommen werden. Mit dieser Vorgabe ist dem Verfasser des vorliegenden Bandes zum Pentateuch, Marvin A. Sweeney, Professor an der Claremont School of Theology in Kalifornien, eine nicht einfache und unkomplexe Aufgabe gestellt.
In einem ersten Schritt stellt S. in einer »Introduction« seine Vorstellung vom literaturhistorischen Werden des Pentateuchs vor, die sich durchgängig hier wie in dieser Monographie insgesamt an der »New Documentary Hypothesis« (J. S. Baden, The Composition of the Pentateuch: Renewing the Documentary Hypothesis, 2012) orientiert. Julius Wellhausen, dem S. die Projektion der Theologie Martin Luthers auf das Gesetzesverständnis des Pentateuchs vorhält, dient ihm als zu revidierender Ausgangspunkt. Nicht die Quelle eines Jahwisten sei, wie Wellhausen meinte, literarischer Ausgangspunkt der Entstehung des Pentateuchs, sondern die Quelle eines Elohisten aus dem Nordreich Israel, die der Prophet Hosea bereits gekannt haben soll (vgl. auch M. A. Sweeney, Hosea’s Reading of Pentateuchal Narratives, in: FAT 111, 2016, 851–871). Da S. im Pentateuch eine Art Schöpfungserzählung, die den altorientalischen Schöpfungsmythen vergleichbar sei, sieht, muss auch der Elohist, der keinen Anteil an der Urgeschichte in Gen 1–11 hat, dennoch mit dem Thema der Schöpfung in Verbindung gebracht werden, deren Motive S. in Ex 1–15 sieht. In der Dornbuscherzählung in Ex 3 sei als Schöpfungsmotiv »the distinctive Sinai bush that ap­pears a fire when its red blossoms emerge in the spring« (XXIV) zu nennen und auch in der Schilfmeererzählung sei die Schöpfungstheologie zu entdecken, »which itself is a creation account insofar as it portrays dry land emerging from the waters« (a. a. O.). Die Quelle des Elohisten, die ihren Abschluss in der Bileam-Erzählung in Num 22–24 gehabt haben soll, weise auf eine Heiligtumsgründung im verheißenen Land in Gilgal, Sichem, Dan oder Bethel voraus. Nach der Katastrophe Samarias in den Jahren 722–721 v. Chr. sei die Quelle des Elohisten nach Juda gelangt und dort die Quelle des Jahwisten entstanden, die in die des Elohisten eingearbeitet worden sei, so dass nun die israelitische Perspektive des Nordens durch die des judäischen Südens überlagert worden sei, wie insbesondere in den Erzväter-Erzählungen erkennbar sei. In der Quelle J sei eine vom Jahwisten verfasste Urgeschichte vorangestellt worden, die mit der Paradiesgeschichte auf den Tempel in Jerusalem vorausweise. In Ex 32–34 werde erkennbar, dass der Jahwist in vorexilischer Zeit nicht nur die Quelle des Elohisten voraussetze, sondern auch das Deuteronomium und das Deuteronomistische Ge­schichtswerk, was nach der genaueren Datierung fragen lässt, da das Deuteronomium pauschal als Revision des Elohisten in der Zeit des Königs Josia verortet wird. Wie die Quelle des Jahwisten sei auch die Quelle P der Priesterschrift literarisch selbständig gewesen, soll aber mit interpretatorischer Funktion in Bezug auf die Quellen des Jahwisten, Elohisten und des Deuteronomiums in den Pentateuch eingestellt worden sein: »Thus the Pentateuch, in both in its final P form and its presumed earlier compositional stages in E, D, and J, provides the foundations for Israel’s and Judah’s iden-tity in the context of YHWH’s creation of the world at large« (XXIX).
Auf die Einleitung zur Diachronie der Literaturgeschichte des Pentateuchs folgt der kursorische Durchgang durch den gesamten Text der fünf Bücher des Pentateuchs in fünf Kapiteln, die das Korpus der Monographie ausmachen. Die literaturhistorischen Fragen treten zugunsten der synchronen Zusammenfassungen der Inhalte der Texte zurück und haben nunmehr keine tragende Funktion, wie an den Schöpfungserzählungen in Gen 1–3 paradigmatisch deutlich wird. Zwar werden die Erzählungen in Gen 1,1–2,3, so S. zu Recht, und Gen 2,4–3,24, wie traditionell üblich, der Priesterschrift und der Quelle des Jahwisten zugeschrieben, was S. mit der Bemerkung verbindet, dass man bislang im Kontext der Quellenkritik die Erzählungen nur unabhängig voneinander interpretiert habe. Doch nunmehr fordere neue Erkenntnis der Intertextualität der Erzählungen »consideration of the synchronic literary context in which a narrative appears« (5) – und zwar derart, dass Gen 1,1–2,3 als der hermeneutische Schlüssel für Gen 2,4–4,26 zu lesen sei. Dem wird man zustimmen, da Gen 1,1–2,3 unverkennbar diese Funktion hat, doch ist es keineswegs notwendig, hier einen Graben zwischen diachroner und synchroner Perspektive aufzumachen, da Synchronie und Diachronie an dieser Stelle wie meistens im Pentateuch passgenau ineinander greifen. Wenn ein Geflecht von intertextuellen Bezügen in Gen 1,1–3,24 erkennbar ist, so fragt sich, wie und mit welchen theologischen Intentionen es zustande kam, da ein derartiges intertextuelles Geflecht der Bezugnahmen nicht nur durch die Zusammenstellung zweier im Ursprung literarisch voneinander unabhängiger Texte zustande kam, sondern durch intendierte Formulierungen der Bezüge aufeinander. Das von S. zugrunde gelegte Modell der Quellenscheidung lässt eine derar-tige Fragestellung nicht zu mit dem Ergebnis, dass er am Ende die Er­zählungen wieder unabhängig voneinander interpretiert. In Gen 1,1–2,3 sieht er »the foundation for the final synchronic form of the pentateuchal narrative«, während die Paradieserzählung eine Polemik des Jahwisten gegen ägyptischen Hathor- und kanaanäischen Qud šu-Kult im Dienste der Ermutigung zum Kult JHWHs am Tempel von Jerusalem sein soll.
Doch mit diesem Versuch einer religionshistorischen Kontextualisierung von Gen 2,4–3,24 wird der theologischen Einordnung im Spiegel der Stellung der Erzählung in Relation zur Schöpfungserzählung der Priesterschrift nicht Genüge getan, da es um die theologische Vermittlung der Ansage der guten Schöpfung in den Schöpfungswerken in Gen 1,1–2,3 mit der demgegenüber reduzierten Lebensrealität geht. Gen 2,4–3,24 gibt eine Erklärung für die Reduktionen des Lebens gegenüber der göttlichen Schöpfungsintention, was die Stellung von Gen 2,4–3,24 in seinem jetzigen Kontext neben Gen 1,1–2,3 erklärt. Hier wie in weiten Teilen der Monographie behindert die vorausgesetzte Dokumentenhypothese die synchrone Interpretation des Textes und seines theologischen Gehaltes, anstatt dass diachrone Aspekte im Sinne einer diachron reflektierten Synchronie (Erich Zenger) die theologisch-synchrone Interpretation befördern.
So ist es konsequent, wenn S. sich im Wesentlichen auf eine synchrone Zusammenfassung des Inhalts der Texte des Pentateuchs verbunden mit einigen philologischen und religionshistorischen Hintergrundinformationen beschränkt. Schwierig wird es dort, wo S. eine literaturhistorische Einordnung zentraler Texte thetisch setzt. So werden der Dekalog und das »Bundesbuch« in Ex 20–23 der Quelle des Elohisten zugewiesen, während die Sinaiperikope insgesamt eine Komposition der Priesterschrift sein soll, in die einige Fragmente der Quellen von Elohist und Jahwist eingefügt worden seien. Doch wird nicht erkennbar, was dafür sprechen soll, dass gerade Dekalog und Bundesbuch einem Elohisten zuzuweisen seien, obwohl das Sabbatgebot des Dekalogs mit dem Rückgriff auf die priesterschriftliche Schöpfungserzählung gerade dagegen spricht. Die Zuweisung des »Bundesbuches« zur Quelle des Elohisten soll die These tragen, dass es aus dem Nordreich Israel stamme. Da S. die Rechtsgattung des kasuistischen Rechts aus dem Keilschriftrecht in Gestalt des Kodex Hammurapi und die des apodiktischen Rechts von assyrischen Loyalitätseiden ableitet, steht für S. auch noch die Datierung der Abfassung des »Bundesbuchs« im späten 9. Jh. zur Zeit des Königs Jehu fest. Diese Argumentation auf der Basis der Quellenzuweisung ist ein Zirkelschluss, wobei der Leser nicht in die Lage versetzt wird, die Argumente der Quellenzuweisungen nachzuvollziehen, da sie nicht genannt werden. Das Deuteronomium wird pauschal als Revision der Quelle des Elohisten zur Unterstützung der Reform des Königs Josia im ausgehenden 7. Jh. deklariert. Da es sich um einen Angelpunkt für die Datierung auch der Quellen des Elohisten als vordeuteronomisch handelt, wäre es hilfreich gewesen, wenn der Leser diese Datierung hätte nachvollziehen können. Doch reduziert sich die Argumentation S.s auf den Verweis auf einen Forschungskonsens. Er betont aber zu Recht, wie sehr die Autoren des Deuteronomiums in ihren Paränesen von einer Theodizeeproblematik geprägt seien, was aber gerade nicht in die Zeit des politischen Aufbruchs unter dem König Josia, sondern in die Zeit nach der Katastrophe Judas und Jerusalems passt, sodass eine literaturhistorisch undifferenzierte Datierung in die Josiazeit dem Deuteronomium nicht gerecht wird.
Die Stärke des Buches ist seine synchrone Texterschließung des Pentateuchs durch tabellarische Gliederungsvorschläge und kursorische Inhaltszusammenfassungen verbunden mit historischen und religionshistorischen Hintergrund- und Kontextinformationen. Liegt die Stärke des Buches also gerade in der synchronen Stoffaufbereitung, so wird mit der »New Documentary Hypothesis« ein diachrones Erklärungsmodell der Literaturgeschichte des Pentateuch gewählt, das davon ausgeht, dass der Text des Pentateuchs, so wie er im Masoretischen Text vorliegt, unverständlich sei, da die Redaktoren des Pentateuch, die die Quellen zusammengefügt ha­ben sollen, nicht bemüht gewesen seien, Widersprüche zwischen den Quellen auszugleichen und erst durch die Scheidung der Quellen in sich homogene Texte im Pentateuch erkennbar werden können (vgl. J. S. Baden, a. a. O., 221–228; ders., Why is the Pentateuch Unreadable?, in: FAT 111, 243–251). Über die Stimmigkeit dieses Modells ist an dieser Stelle nicht zu rechten (vgl. B. D. Sommer, in: FAT 111, 1091–1108). Doch hat S. damit ein diachrones Erklärungsmodell gewählt, das für eine Interpretation des Pentateuchs in einer Verbindung von diachroner und synchroner Perspektive, die Vorgabe der Herausgeber der Reihe der »Core Biblical Studies« ist, denkbar ungeeignet ist, da es bedeutet, dass der synchronen Interpretation ein Text zugrunde liege, der sich einer solchen Interpretation gerade entziehen soll. Und tatsächlich stehen in dieser Einführung in den Pentateuch synchrone Textzusammenfassungen und diachrone Einordnungen unverbunden nebeneinander, ja widersprechen sich stellenweise direkt. Im Unterschied dazu sollten beide Perspektiven in einer diachron reflektierten Synchronie der Interpretation des Pentateuchs ineinander greifen derart, dass der Text als verständlich und sinnstiftend synchron interpretiert wird und nur dort, wo die Autoren Hinweise auf die Entstehungsgeschichte des Textes stehen ließen, oder, was auch sehr oft der Fall ist, gezielt in den Text einfügten, diese Chance genutzt werden soll, um die Literaturgeschichte des Textes im Sinne einer antiken Literaturtheorie in seinem Werden zu erhellen.